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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856.

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Athmungsflächen; Luftkreis.
und 20,9. -- Interessant ist dagegen eine qualitative Veränderung, die
der atmosphärische Sauerstoff erleidet; indem er sich in das von Schön-
bein
*) entdeckte Ozon umwandelt. Die absolute Menge des Ozon, welche in
der Luft vorkommt, ist nun allerdings so gering, dass an eine quantitative
Bestimmung desselben nicht gedacht werden kann; immerhin aber kann
eine Schätzung des relativen Gehaltes in der Atmosphäre geschehen durch
ein mit Jodkalium getränktes Stärkepapierchen. Je tiefer sich dieses der
freien Luft ausgesetzte Probepapierchen in der Zeiteinheit färbt, um so
reicher ist die Luft an Ozon. Nach Beobachtungen, welche auf den Stern-
warten von Bern, Kremsmünster und Krakau durch Wolff, Relshuber
und Karlinski unternommen sind, ist man über den relativen Ozon-
gehalt der Luft zu folgenden Sätzen gelangt. -- Bei östlichen Winden
ist er kleiner, als bei westlichen; im Winter ist er bei östlichen Winden
grösser, als im Sommer; umgekehrt verhält es sich mit westlichen Win-
den, die im Sommer mehr Ozon erzeugen, als im Winter. Bei hohem
Barometerstand ist der Ozongehalt kleiner, als bei niederm, bei hoher
Temperatur kleiner, als bei tiefer; an feuchten und trüben Tagen grösser,
als an trockenen und heitern; bei Regenwolken grösser, als bei Cirrus
und Cirrocumulus; in der Nacht höher, als bei Tag. Während Schnee-
falls erreicht er sein Maximum. Aus diesen Thatsachen schliesst Rels-
huber
, dass mit der wachsenden (relativen) Dichtigkeit der atmosphä-
rischen Dunsttheilchen der Ozongehalt im Steigen begriffen sei.

Die Stick- und Sauerstoffantheile der Gesammtluft machen den
grössten Theil derselben aus und überwiegen namentlich die andern per-
manenten Gase des Luftraums in einem solchen Grade, dass man die
Stick-, Sauerstoff- und die trockene Atmosphäre für gleichbedeutend er-
klären kann. Unter dieser letztern versteht man aber den Theil der
Luft, welcher übrig bleibt, wenn man von der Gesammtluft den in ihr
enthaltenen Wasserdampf abgezogen hat.

Die trockene Atmosphäre erfährt in ihrer Temperatur- und Massen-
vertheilung mit Zeit und Ort mancherlei Veränderungen, die beide für
uns nicht ohne alle Bedeutung sind. Da wir aber die Temperaturver-
hältnisse der gemässigten Zone nach ihren wesentlichen Charakteren
als bekannt voraussetzen können, so gehen wir nur auf die Veränderun-
gen der trocknen Luft ein, welche das Barometer sichtbar macht.

Der Barometerdruck der gemässigten Zone ist veränderlich **): 1) mit den Tages-
zeiten (täglicher Sonnengang). Dove zeigte, dass sich der Druck der trockenen At-
mosphäre zwischen einem täglichen Maximum und Minimum bewegt, dessen Eintritt
vom Gang der Sonne abhängig ist. Das Minimum erscheint in Folge der Erwärmung
(Ausdehnung und seitlichen Abströmen), das Maximum in Folge der Abkühlung (Ver-

*) Henle's und Pfeufer's Zeitschrift. VI. Bd. 178. ibid. VII. Bd. 184. -- Pharmazeut. Central-
blatt. 1855. p. 22 und 199.
**) Kämtz, Lehrbuch der Meteorologie. 2. Bd. p. 230. -- Dove, Repertor. IV. Bd. p. 232. --
Kämtz im Handwörterbuch der Physik vom August u. s. w. Berlin 1842. I. Bd. 246.

Athmungsflächen; Luftkreis.
und 20,9. — Interessant ist dagegen eine qualitative Veränderung, die
der atmosphärische Sauerstoff erleidet; indem er sich in das von Schön-
bein
*) entdeckte Ozon umwandelt. Die absolute Menge des Ozon, welche in
der Luft vorkommt, ist nun allerdings so gering, dass an eine quantitative
Bestimmung desselben nicht gedacht werden kann; immerhin aber kann
eine Schätzung des relativen Gehaltes in der Atmosphäre geschehen durch
ein mit Jodkalium getränktes Stärkepapierchen. Je tiefer sich dieses der
freien Luft ausgesetzte Probepapierchen in der Zeiteinheit färbt, um so
reicher ist die Luft an Ozon. Nach Beobachtungen, welche auf den Stern-
warten von Bern, Kremsmünster und Krakau durch Wolff, Relshuber
und Karlinski unternommen sind, ist man über den relativen Ozon-
gehalt der Luft zu folgenden Sätzen gelangt. — Bei östlichen Winden
ist er kleiner, als bei westlichen; im Winter ist er bei östlichen Winden
grösser, als im Sommer; umgekehrt verhält es sich mit westlichen Win-
den, die im Sommer mehr Ozon erzeugen, als im Winter. Bei hohem
Barometerstand ist der Ozongehalt kleiner, als bei niederm, bei hoher
Temperatur kleiner, als bei tiefer; an feuchten und trüben Tagen grösser,
als an trockenen und heitern; bei Regenwolken grösser, als bei Cirrus
und Cirrocumulus; in der Nacht höher, als bei Tag. Während Schnee-
falls erreicht er sein Maximum. Aus diesen Thatsachen schliesst Rels-
huber
, dass mit der wachsenden (relativen) Dichtigkeit der atmosphä-
rischen Dunsttheilchen der Ozongehalt im Steigen begriffen sei.

Die Stick- und Sauerstoffantheile der Gesammtluft machen den
grössten Theil derselben aus und überwiegen namentlich die andern per-
manenten Gase des Luftraums in einem solchen Grade, dass man die
Stick-, Sauerstoff- und die trockene Atmosphäre für gleichbedeutend er-
klären kann. Unter dieser letztern versteht man aber den Theil der
Luft, welcher übrig bleibt, wenn man von der Gesammtluft den in ihr
enthaltenen Wasserdampf abgezogen hat.

Die trockene Atmosphäre erfährt in ihrer Temperatur- und Massen-
vertheilung mit Zeit und Ort mancherlei Veränderungen, die beide für
uns nicht ohne alle Bedeutung sind. Da wir aber die Temperaturver-
hältnisse der gemässigten Zone nach ihren wesentlichen Charakteren
als bekannt voraussetzen können, so gehen wir nur auf die Veränderun-
gen der trocknen Luft ein, welche das Barometer sichtbar macht.

Der Barometerdruck der gemässigten Zone ist veränderlich **): 1) mit den Tages-
zeiten (täglicher Sonnengang). Dove zeigte, dass sich der Druck der trockenen At-
mosphäre zwischen einem täglichen Maximum und Minimum bewegt, dessen Eintritt
vom Gang der Sonne abhängig ist. Das Minimum erscheint in Folge der Erwärmung
(Ausdehnung und seitlichen Abströmen), das Maximum in Folge der Abkühlung (Ver-

*) Henle’s und Pfeufer’s Zeitschrift. VI. Bd. 178. ibid. VII. Bd. 184. — Pharmazeut. Central-
blatt. 1855. p. 22 und 199.
**) Kämtz, Lehrbuch der Meteorologie. 2. Bd. p. 230. — Dove, Repertor. IV. Bd. p. 232. —
Kämtz im Handwörterbuch der Physik vom August u. s. w. Berlin 1842. I. Bd. 246.
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[299/0315] Athmungsflächen; Luftkreis. und 20,9. — Interessant ist dagegen eine qualitative Veränderung, die der atmosphärische Sauerstoff erleidet; indem er sich in das von Schön- bein *) entdeckte Ozon umwandelt. Die absolute Menge des Ozon, welche in der Luft vorkommt, ist nun allerdings so gering, dass an eine quantitative Bestimmung desselben nicht gedacht werden kann; immerhin aber kann eine Schätzung des relativen Gehaltes in der Atmosphäre geschehen durch ein mit Jodkalium getränktes Stärkepapierchen. Je tiefer sich dieses der freien Luft ausgesetzte Probepapierchen in der Zeiteinheit färbt, um so reicher ist die Luft an Ozon. Nach Beobachtungen, welche auf den Stern- warten von Bern, Kremsmünster und Krakau durch Wolff, Relshuber und Karlinski unternommen sind, ist man über den relativen Ozon- gehalt der Luft zu folgenden Sätzen gelangt. — Bei östlichen Winden ist er kleiner, als bei westlichen; im Winter ist er bei östlichen Winden grösser, als im Sommer; umgekehrt verhält es sich mit westlichen Win- den, die im Sommer mehr Ozon erzeugen, als im Winter. Bei hohem Barometerstand ist der Ozongehalt kleiner, als bei niederm, bei hoher Temperatur kleiner, als bei tiefer; an feuchten und trüben Tagen grösser, als an trockenen und heitern; bei Regenwolken grösser, als bei Cirrus und Cirrocumulus; in der Nacht höher, als bei Tag. Während Schnee- falls erreicht er sein Maximum. Aus diesen Thatsachen schliesst Rels- huber, dass mit der wachsenden (relativen) Dichtigkeit der atmosphä- rischen Dunsttheilchen der Ozongehalt im Steigen begriffen sei. Die Stick- und Sauerstoffantheile der Gesammtluft machen den grössten Theil derselben aus und überwiegen namentlich die andern per- manenten Gase des Luftraums in einem solchen Grade, dass man die Stick-, Sauerstoff- und die trockene Atmosphäre für gleichbedeutend er- klären kann. Unter dieser letztern versteht man aber den Theil der Luft, welcher übrig bleibt, wenn man von der Gesammtluft den in ihr enthaltenen Wasserdampf abgezogen hat. Die trockene Atmosphäre erfährt in ihrer Temperatur- und Massen- vertheilung mit Zeit und Ort mancherlei Veränderungen, die beide für uns nicht ohne alle Bedeutung sind. Da wir aber die Temperaturver- hältnisse der gemässigten Zone nach ihren wesentlichen Charakteren als bekannt voraussetzen können, so gehen wir nur auf die Veränderun- gen der trocknen Luft ein, welche das Barometer sichtbar macht. Der Barometerdruck der gemässigten Zone ist veränderlich **): 1) mit den Tages- zeiten (täglicher Sonnengang). Dove zeigte, dass sich der Druck der trockenen At- mosphäre zwischen einem täglichen Maximum und Minimum bewegt, dessen Eintritt vom Gang der Sonne abhängig ist. Das Minimum erscheint in Folge der Erwärmung (Ausdehnung und seitlichen Abströmen), das Maximum in Folge der Abkühlung (Ver- *) Henle’s und Pfeufer’s Zeitschrift. VI. Bd. 178. ibid. VII. Bd. 184. — Pharmazeut. Central- blatt. 1855. p. 22 und 199. **) Kämtz, Lehrbuch der Meteorologie. 2. Bd. p. 230. — Dove, Repertor. IV. Bd. p. 232. — Kämtz im Handwörterbuch der Physik vom August u. s. w. Berlin 1842. I. Bd. 246.

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Zitationshilfe: Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856, S. 299. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie02_1856/315>, abgerufen am 28.03.2024.