Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856.

Bild:
<< vorherige Seite

Verdauung durch den Labsaft.
Magensaft. Die Darstellung desselben ist von Wassmann und Lehmann dahin
verändert worden, dass man entweder nur die ausgewaschene Magenschleimhaut ab-
schabte und die aus den Drüsenröhren gedrückten Säfte mit Säuren (Salz- oder Milch-
säure) versetzte, oder dass man den eiweissartigen Körper des künstlichen Magen-
saftes mit Bleisalzen fällte, durch HS das Blei abschied und dann erst mit verdünnter
Salzsäure mischte.

In der folgenden Besprechung kommt zuerst die künstliche und dann
die natürliche Magenverdauung an die Reihe.

Labdrüsensaft. Diese aus einer wässerigen Lösung von Pepsin,
Salz- oder Milchsäure und den gewöhnlichen Blutsalzen bestehende Flüs-
sigkeit lässt vollkommen unberührt die Fette und unlöslichen Kohlen-
hydrate, die hornigen und elastischen Substanzen. -- In eine einfache
Lösung versetzt er die löslichen Kohlenhydrate, die Verbindungen alkali-
scher Basen mit fixen starken Säuren und die phosphorsauren Erdsalze. --
Unter Austreibung der Säuren zersetzt er Salze mit schwächern oder
flüchtigen Säuren. -- Wesentlich endlich verändert er die löslichen und
unlöslichen Eiweiss- und Leimstoffe unserer Nahrung.

a. Die in Wasser unlöslichen Eiweiss- und Leimarten (geronnener
Käse und Faserstoff, gekochtes Eiweiss, Kleber, Pflanzenleim, Binde-
und Knorpelgewebe, Colla und Chondrin) löst er allmählig. Bei dieser
Auflösung bewahren die genannten Stoffe zwar ihre quantitative Zusammen-
setzung (J. Vogel, Mulder, Lehmann)*), verändern aber ihre ato-
mistische Anordnung und gehen eine Verbindung mit den Säuren ein.
Sie reagiren nemlich sauer, werden durch Neutralisation mit Alkalien
nicht gefällt, verlieren ihre Eigenschaft, zu gerinnen und zu gelatiniren,
und verhalten sich in ihren Verwandtschaftseigenschaften gegen Säuren
und Metallsalze wesentlich anders wie die Lösungen der genannten Stoffe
in verdünnten Säuren, Alkalien und Salpeter (Mialhe, Lehmann)**). --
Die Lösung resp. Umsetzung der genannten Stoffe kann vom Labsaft nur
zuwege gebracht werden: 1) So lange er freie Säure und namentlich
Salzsäure und Milchsäure in sehr bedeutender Verdünnung enthält. Von
anderen Säuren zeigen sich, so weit bekannt, nur Essig-, Schwefel- und
Phosphorsäure in starken Verdünnungen wirksam, während schwefelige
und arsenige Säure, in allen Verhältnissen zugesetzt, die Lösung nicht
herbeiführen. Indem die Lösung vor sich geht, werden die Säureantheile
des Saftes allmählig verbraucht, indem sie sich in einer noch nicht näher
bestimmten Weise verbinden mit den zur Auflösung gekommenen Stoffen.
Dieses geht daraus hervor, dass der Labsaft, nachdem er eine gewisse
Menge der bezeichneten Nahrungsstoffe aufgelöst hat, seine verdauende
Kraft einbüsst; sogleich empfängt er aber dieselbe wieder, wenn man
von Neuem einige Tropfen Säure zu ihm setzt. 2) Der Labsaft kann

*) Liebig's Annalen. 30. Bd. p. 41. -- Tydschrift vor de wis-en naturkund. Wetenschappen
II. Deel.
**) Physiolog. Chemie. II. Bd. p. 51.

Verdauung durch den Labsaft.
Magensaft. Die Darstellung desselben ist von Wassmann und Lehmann dahin
verändert worden, dass man entweder nur die ausgewaschene Magenschleimhaut ab-
schabte und die aus den Drüsenröhren gedrückten Säfte mit Säuren (Salz- oder Milch-
säure) versetzte, oder dass man den eiweissartigen Körper des künstlichen Magen-
saftes mit Bleisalzen fällte, durch HS das Blei abschied und dann erst mit verdünnter
Salzsäure mischte.

In der folgenden Besprechung kommt zuerst die künstliche und dann
die natürliche Magenverdauung an die Reihe.

Labdrüsensaft. Diese aus einer wässerigen Lösung von Pepsin,
Salz- oder Milchsäure und den gewöhnlichen Blutsalzen bestehende Flüs-
sigkeit lässt vollkommen unberührt die Fette und unlöslichen Kohlen-
hydrate, die hornigen und elastischen Substanzen. — In eine einfache
Lösung versetzt er die löslichen Kohlenhydrate, die Verbindungen alkali-
scher Basen mit fixen starken Säuren und die phosphorsauren Erdsalze. —
Unter Austreibung der Säuren zersetzt er Salze mit schwächern oder
flüchtigen Säuren. — Wesentlich endlich verändert er die löslichen und
unlöslichen Eiweiss- und Leimstoffe unserer Nahrung.

a. Die in Wasser unlöslichen Eiweiss- und Leimarten (geronnener
Käse und Faserstoff, gekochtes Eiweiss, Kleber, Pflanzenleim, Binde-
und Knorpelgewebe, Colla und Chondrin) löst er allmählig. Bei dieser
Auflösung bewahren die genannten Stoffe zwar ihre quantitative Zusammen-
setzung (J. Vogel, Mulder, Lehmann)*), verändern aber ihre ato-
mistische Anordnung und gehen eine Verbindung mit den Säuren ein.
Sie reagiren nemlich sauer, werden durch Neutralisation mit Alkalien
nicht gefällt, verlieren ihre Eigenschaft, zu gerinnen und zu gelatiniren,
und verhalten sich in ihren Verwandtschaftseigenschaften gegen Säuren
und Metallsalze wesentlich anders wie die Lösungen der genannten Stoffe
in verdünnten Säuren, Alkalien und Salpeter (Mialhe, Lehmann)**). —
Die Lösung resp. Umsetzung der genannten Stoffe kann vom Labsaft nur
zuwege gebracht werden: 1) So lange er freie Säure und namentlich
Salzsäure und Milchsäure in sehr bedeutender Verdünnung enthält. Von
anderen Säuren zeigen sich, so weit bekannt, nur Essig-, Schwefel- und
Phosphorsäure in starken Verdünnungen wirksam, während schwefelige
und arsenige Säure, in allen Verhältnissen zugesetzt, die Lösung nicht
herbeiführen. Indem die Lösung vor sich geht, werden die Säureantheile
des Saftes allmählig verbraucht, indem sie sich in einer noch nicht näher
bestimmten Weise verbinden mit den zur Auflösung gekommenen Stoffen.
Dieses geht daraus hervor, dass der Labsaft, nachdem er eine gewisse
Menge der bezeichneten Nahrungsstoffe aufgelöst hat, seine verdauende
Kraft einbüsst; sogleich empfängt er aber dieselbe wieder, wenn man
von Neuem einige Tropfen Säure zu ihm setzt. 2) Der Labsaft kann

*) Liebig’s Annalen. 30. Bd. p. 41. — Tydschrift vor de wis-en naturkund. Wetenschappen
II. Deel.
**) Physiolog. Chemie. II. Bd. p. 51.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0421" n="405"/><fw place="top" type="header">Verdauung durch den Labsaft.</fw><lb/>
Magensaft. Die Darstellung desselben ist von <hi rendition="#g">Wassmann</hi> und <hi rendition="#g">Lehmann</hi> dahin<lb/>
verändert worden, dass man entweder nur die ausgewaschene Magenschleimhaut ab-<lb/>
schabte und die aus den Drüsenröhren gedrückten Säfte mit Säuren (Salz- oder Milch-<lb/>
säure) versetzte, oder dass man den eiweissartigen Körper des künstlichen Magen-<lb/>
saftes mit Bleisalzen fällte, durch HS das Blei abschied und dann erst mit verdünnter<lb/>
Salzsäure mischte.</p><lb/>
              <p>In der folgenden Besprechung kommt zuerst die künstliche und dann<lb/>
die natürliche Magenverdauung an die Reihe.</p><lb/>
              <p><hi rendition="#g">Labdrüsensaft</hi>. Diese aus einer wässerigen Lösung von Pepsin,<lb/>
Salz- oder Milchsäure und den gewöhnlichen Blutsalzen bestehende Flüs-<lb/>
sigkeit lässt vollkommen unberührt die Fette und unlöslichen Kohlen-<lb/>
hydrate, die hornigen und elastischen Substanzen. &#x2014; In eine einfache<lb/>
Lösung versetzt er die löslichen Kohlenhydrate, die Verbindungen alkali-<lb/>
scher Basen mit fixen starken Säuren und die phosphorsauren Erdsalze. &#x2014;<lb/>
Unter Austreibung der Säuren zersetzt er Salze mit schwächern oder<lb/>
flüchtigen Säuren. &#x2014; Wesentlich endlich verändert er die löslichen und<lb/>
unlöslichen Eiweiss- und Leimstoffe unserer Nahrung.</p><lb/>
              <p>a. Die in Wasser unlöslichen Eiweiss- und Leimarten (geronnener<lb/>
Käse und Faserstoff, gekochtes Eiweiss, Kleber, Pflanzenleim, Binde-<lb/>
und Knorpelgewebe, Colla und Chondrin) löst er allmählig. Bei dieser<lb/>
Auflösung bewahren die genannten Stoffe zwar ihre quantitative Zusammen-<lb/>
setzung (J. <hi rendition="#g">Vogel, Mulder, Lehmann</hi>)<note place="foot" n="*)"><hi rendition="#g">Liebig&#x2019;s</hi> Annalen. 30. Bd. p. 41. &#x2014; Tydschrift vor de wis-en naturkund. Wetenschappen<lb/>
II. Deel.</note>, verändern aber ihre ato-<lb/>
mistische Anordnung und gehen eine Verbindung mit den Säuren ein.<lb/>
Sie reagiren nemlich sauer, werden durch Neutralisation mit Alkalien<lb/>
nicht gefällt, verlieren ihre Eigenschaft, zu gerinnen und zu gelatiniren,<lb/>
und verhalten sich in ihren Verwandtschaftseigenschaften gegen Säuren<lb/>
und Metallsalze wesentlich anders wie die Lösungen der genannten Stoffe<lb/>
in verdünnten Säuren, Alkalien und Salpeter (<hi rendition="#g">Mialhe, Lehmann</hi>)<note place="foot" n="**)">Physiolog. Chemie. II. Bd. p. 51.</note>. &#x2014;<lb/>
Die Lösung resp. Umsetzung der genannten Stoffe kann vom Labsaft nur<lb/>
zuwege gebracht werden: <hi rendition="#b">1</hi>) So lange er freie Säure und namentlich<lb/>
Salzsäure und Milchsäure in sehr bedeutender Verdünnung enthält. Von<lb/>
anderen Säuren zeigen sich, so weit bekannt, nur Essig-, Schwefel- und<lb/>
Phosphorsäure in starken Verdünnungen wirksam, während schwefelige<lb/>
und arsenige Säure, in allen Verhältnissen zugesetzt, die Lösung nicht<lb/>
herbeiführen. Indem die Lösung vor sich geht, werden die Säureantheile<lb/>
des Saftes allmählig verbraucht, indem sie sich in einer noch nicht näher<lb/>
bestimmten Weise verbinden mit den zur Auflösung gekommenen Stoffen.<lb/>
Dieses geht daraus hervor, dass der Labsaft, nachdem er eine gewisse<lb/>
Menge der bezeichneten Nahrungsstoffe aufgelöst hat, seine verdauende<lb/>
Kraft einbüsst; sogleich empfängt er aber dieselbe wieder, wenn man<lb/>
von Neuem einige Tropfen Säure zu ihm setzt. <hi rendition="#b">2</hi>) Der Labsaft kann<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[405/0421] Verdauung durch den Labsaft. Magensaft. Die Darstellung desselben ist von Wassmann und Lehmann dahin verändert worden, dass man entweder nur die ausgewaschene Magenschleimhaut ab- schabte und die aus den Drüsenröhren gedrückten Säfte mit Säuren (Salz- oder Milch- säure) versetzte, oder dass man den eiweissartigen Körper des künstlichen Magen- saftes mit Bleisalzen fällte, durch HS das Blei abschied und dann erst mit verdünnter Salzsäure mischte. In der folgenden Besprechung kommt zuerst die künstliche und dann die natürliche Magenverdauung an die Reihe. Labdrüsensaft. Diese aus einer wässerigen Lösung von Pepsin, Salz- oder Milchsäure und den gewöhnlichen Blutsalzen bestehende Flüs- sigkeit lässt vollkommen unberührt die Fette und unlöslichen Kohlen- hydrate, die hornigen und elastischen Substanzen. — In eine einfache Lösung versetzt er die löslichen Kohlenhydrate, die Verbindungen alkali- scher Basen mit fixen starken Säuren und die phosphorsauren Erdsalze. — Unter Austreibung der Säuren zersetzt er Salze mit schwächern oder flüchtigen Säuren. — Wesentlich endlich verändert er die löslichen und unlöslichen Eiweiss- und Leimstoffe unserer Nahrung. a. Die in Wasser unlöslichen Eiweiss- und Leimarten (geronnener Käse und Faserstoff, gekochtes Eiweiss, Kleber, Pflanzenleim, Binde- und Knorpelgewebe, Colla und Chondrin) löst er allmählig. Bei dieser Auflösung bewahren die genannten Stoffe zwar ihre quantitative Zusammen- setzung (J. Vogel, Mulder, Lehmann) *), verändern aber ihre ato- mistische Anordnung und gehen eine Verbindung mit den Säuren ein. Sie reagiren nemlich sauer, werden durch Neutralisation mit Alkalien nicht gefällt, verlieren ihre Eigenschaft, zu gerinnen und zu gelatiniren, und verhalten sich in ihren Verwandtschaftseigenschaften gegen Säuren und Metallsalze wesentlich anders wie die Lösungen der genannten Stoffe in verdünnten Säuren, Alkalien und Salpeter (Mialhe, Lehmann) **). — Die Lösung resp. Umsetzung der genannten Stoffe kann vom Labsaft nur zuwege gebracht werden: 1) So lange er freie Säure und namentlich Salzsäure und Milchsäure in sehr bedeutender Verdünnung enthält. Von anderen Säuren zeigen sich, so weit bekannt, nur Essig-, Schwefel- und Phosphorsäure in starken Verdünnungen wirksam, während schwefelige und arsenige Säure, in allen Verhältnissen zugesetzt, die Lösung nicht herbeiführen. Indem die Lösung vor sich geht, werden die Säureantheile des Saftes allmählig verbraucht, indem sie sich in einer noch nicht näher bestimmten Weise verbinden mit den zur Auflösung gekommenen Stoffen. Dieses geht daraus hervor, dass der Labsaft, nachdem er eine gewisse Menge der bezeichneten Nahrungsstoffe aufgelöst hat, seine verdauende Kraft einbüsst; sogleich empfängt er aber dieselbe wieder, wenn man von Neuem einige Tropfen Säure zu ihm setzt. 2) Der Labsaft kann *) Liebig’s Annalen. 30. Bd. p. 41. — Tydschrift vor de wis-en naturkund. Wetenschappen II. Deel. **) Physiolog. Chemie. II. Bd. p. 51.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie02_1856
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie02_1856/421
Zitationshilfe: Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856, S. 405. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie02_1856/421>, abgerufen am 18.04.2024.