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Lütkemann, Joachim: Der frommen Kinder Gottes Zeitliches Leiden und ewige Herrligkeit ... Braunschweig, 1654.

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Freylich hat dieser liebe Gottes-freund mannichen bösen Tag gehabt; da sein leiblicher und einiger Zwillings-bruder Esau jhm gram ward / und dräwete jhn zu erwürgen / Gen. XXVII, 41. vor dessen Grimm er seine liebe Eltern verlassen / und sich in die Frembde begeben muste; da er XX. Jahr lang wol recht böse Zeit hatte / verschmachtete des Tages vor Hitze / des Nachts vor Frost / und kam kein Schlaff in seine Augen / Gen. XXXI, 40. Ja was vor eine Unzahl der schweren Unfälle stürmeten auff jhn an: Sein Schwäher war jhm neydig; seiner Frawen Brüder mißgönneten jhm sein Glück; seine einige Tochter Dina ward jhm zu falle bracht; seine Söhne Simeon und Levi verübeten eine unbilliche grausame Rache an den Bürgern der Stadt Sichem; sein liebes Hertz die Rahel starb jhm in der Geburt; sein gröster Sohn Ruben begieng Bluttschande; sein liebster Sohn Joseph ward jhm entrissen / welchen er XXI. Jahr lang / als einen von den wilden Thieren zurissenen / betraurete; wie davon Genes. XXXI. und folgenden zu lesen ist; und erscheinet daher zur gnüge / daß seine Lebenszeit böse gnug gewesen sey. Noch dannoch meldet er / sein Leben sey kurtz gewesen / es habe jhn nicht gar langwierig gedaucht. Wann sonst ein Mensch unter vielem Unglück und Widerwertigkeiten sich leyden muß / fällt jhm die Zeit nicht kurtz / sondern sehr lang / ob sie gleich nicht so gar lang ist: Also rechnete Hiob die einzelne Monden und Nachte vor eine lange Zeit / da er seiner Leibesschmertzen empfand / wie er Cap. VII, 3 klaget: Ich habe wol gantze Monden vergeblich gearbeitet / und elender Nachte sind mir viel worden. Aber der fromme Jacob weiß sich hieselbst zu begreiffen / und ungeachtet sein Unglück zimlich angehalten / und seine Lebenszeit böse gewesen war / so spricht er dannoch / die Zeit seines Lebens sey wenig gewesen / es habe jhm nicht lange gewehret. Dessen Jhr meine Geliebten / müssen wir uns nun

Freylich hat dieser liebe Gottes-freund mannichen bösen Tag gehabt; da sein leiblicher und einiger Zwillings-bruder Esau jhm gram ward / und dräwete jhn zu erwürgen / Gen. XXVII, 41. vor dessen Grimm er seine liebe Eltern verlassen / und sich in die Frembde begeben muste; da er XX. Jahr lang wol recht böse Zeit hatte / verschmachtete des Tages vor Hitze / des Nachts vor Frost / und kam kein Schlaff in seine Augen / Gen. XXXI, 40. Ja was vor eine Unzahl der schweren Unfälle stürmeten auff jhn an: Sein Schwäher war jhm neydig; seiner Frawen Brüder mißgönneten jhm sein Glück; seine einige Tochter Dina ward jhm zu falle bracht; seine Söhne Simeon und Levi verübeten eine unbilliche grausame Rache an den Bürgern der Stadt Sichem; sein liebes Hertz die Rahel starb jhm in der Geburt; sein gröster Sohn Ruben begieng Bluttschande; sein liebster Sohn Joseph ward jhm entrissen / welchen er XXI. Jahr lang / als einen von den wilden Thieren zurissenen / betraurete; wie davon Genes. XXXI. und folgenden zu lesen ist; und erscheinet daher zur gnüge / daß seine Lebenszeit böse gnug gewesen sey. Noch dannoch meldet er / sein Leben sey kurtz gewesen / es habe jhn nicht gar langwierig gedaucht. Wann sonst ein Mensch unter vielem Unglück und Widerwertigkeiten sich leyden muß / fällt jhm die Zeit nicht kurtz / sondern sehr lang / ob sie gleich nicht so gar lang ist: Also rechnete Hiob die einzelne Monden und Nachte vor eine lange Zeit / da er seiner Leibesschmertzen empfand / wie er Cap. VII, 3 klaget: Ich habe wol gantze Monden vergeblich gearbeitet / und elender Nachte sind mir viel worden. Aber der fromme Jacob weiß sich hieselbst zu begreiffen / und ungeachtet sein Unglück zimlich angehalten / und seine Lebenszeit böse gewesen war / so spricht er dannoch / die Zeit seines Lebens sey wenig gewesen / es habe jhm nicht lange gewehret. Dessen Jhr meine Geliebten / müssen wir uns nun

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                     wol recht böse Zeit hatte / verschmachtete des Tages vor Hitze / des Nachts vor
                     Frost / und kam kein Schlaff in seine Augen / Gen. XXXI, 40. Ja was vor eine
                     Unzahl der schweren Unfälle stürmeten auff jhn an: Sein Schwäher war jhm neydig;
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                     jhm zu falle bracht; seine Söhne Simeon und Levi verübeten eine unbilliche
                     grausame Rache an den Bürgern der Stadt Sichem; sein liebes Hertz die Rahel
                     starb jhm in der Geburt; sein gröster Sohn Ruben begieng Bluttschande; sein
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                     folgenden zu lesen ist; und erscheinet daher zur gnüge / daß seine Lebenszeit
                     böse gnug gewesen sey. Noch dannoch meldet er / sein Leben sey kurtz gewesen /
                     es habe jhn nicht gar langwierig gedaucht. Wann sonst ein Mensch unter vielem
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                     einzelne Monden und Nachte vor eine lange Zeit / da er seiner Leibesschmertzen
                     empfand / wie er Cap. VII, 3 klaget: Ich habe wol gantze Monden vergeblich
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                     und seine Lebenszeit böse gewesen war / so spricht er dannoch / die Zeit seines
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[0006] Freylich hat dieser liebe Gottes-freund mannichen bösen Tag gehabt; da sein leiblicher und einiger Zwillings-bruder Esau jhm gram ward / und dräwete jhn zu erwürgen / Gen. XXVII, 41. vor dessen Grimm er seine liebe Eltern verlassen / und sich in die Frembde begeben muste; da er XX. Jahr lang wol recht böse Zeit hatte / verschmachtete des Tages vor Hitze / des Nachts vor Frost / und kam kein Schlaff in seine Augen / Gen. XXXI, 40. Ja was vor eine Unzahl der schweren Unfälle stürmeten auff jhn an: Sein Schwäher war jhm neydig; seiner Frawen Brüder mißgönneten jhm sein Glück; seine einige Tochter Dina ward jhm zu falle bracht; seine Söhne Simeon und Levi verübeten eine unbilliche grausame Rache an den Bürgern der Stadt Sichem; sein liebes Hertz die Rahel starb jhm in der Geburt; sein gröster Sohn Ruben begieng Bluttschande; sein liebster Sohn Joseph ward jhm entrissen / welchen er XXI. Jahr lang / als einen von den wilden Thieren zurissenen / betraurete; wie davon Genes. XXXI. und folgenden zu lesen ist; und erscheinet daher zur gnüge / daß seine Lebenszeit böse gnug gewesen sey. Noch dannoch meldet er / sein Leben sey kurtz gewesen / es habe jhn nicht gar langwierig gedaucht. Wann sonst ein Mensch unter vielem Unglück und Widerwertigkeiten sich leyden muß / fällt jhm die Zeit nicht kurtz / sondern sehr lang / ob sie gleich nicht so gar lang ist: Also rechnete Hiob die einzelne Monden und Nachte vor eine lange Zeit / da er seiner Leibesschmertzen empfand / wie er Cap. VII, 3 klaget: Ich habe wol gantze Monden vergeblich gearbeitet / und elender Nachte sind mir viel worden. Aber der fromme Jacob weiß sich hieselbst zu begreiffen / und ungeachtet sein Unglück zimlich angehalten / und seine Lebenszeit böse gewesen war / so spricht er dannoch / die Zeit seines Lebens sey wenig gewesen / es habe jhm nicht lange gewehret. Dessen Jhr meine Geliebten / müssen wir uns nun

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Zitationshilfe: Lütkemann, Joachim: Der frommen Kinder Gottes Zeitliches Leiden und ewige Herrligkeit ... Braunschweig, 1654, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/luetkemann_leiden_1654/6>, abgerufen am 01.05.2024.