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Mach, Ernst: Die Mechanik in ihrer Entwicklung. Leipzig, 1883.

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Erstes Kapitel.
gebenden Umstände nur dann für zureichend hal-
ten, wenn die letzteren einen Vorgang eindeutig be-
stimmen. Unter Voraussetzung der erwähnten Erfah-
rung, dass nur die Gewichte und ihre Abstände
maassgebend sind
, hat nun der Satz 1 des Archi-
medes wirklich einen hohen Grad von Evidenz und
eignet sich also sehr zur Grundlage für weitere Unter-
suchungen. Stellt sich der Beschauer selbst in die Sym-
metrieebene der betreffenden Vorrichtung, so zeigt sich
der Satz 1 auch als eine sehr zwingende instinctive
Einsicht, was durch die Symmetrie unsers eigenen Kör-
pers bedingt ist. Die Aufsuchung derartiger Sätze ist
[Spaltenumbruch] [Abbildung] Fig. 3.
[Spaltenumbruch] [Abbildung] Fig. 4.
auch ein vorzügliches Mittel, sich in den Gedanken an
dieselbe Bestimmtheit zu gewöhnen, welche die Natur
in ihren Vorgängen offenbart.

3. Wir wollen nun in freier Weise den Gedanken-
gang reproduciren, durch welchen Archimedes den all-
gemeinen Hebelsatz auf den speciellen anscheinend selbst-
verständlichen zurückzuführen sucht. Die beiden in a
und b aufgehängten gleichen Gewichte (1) sind, wenn
die Stange ab um den Mittelpunkt c drehbar ist, im
Gleichgewicht. Hängt man das Ganze an einer Schnur
in c auf, so wird dieselbe, vom Gewicht der Stange
abgesehen, das Gewicht 2 zu tragen haben. Die
gleichen Gewichte an dem Ende ersetzen also das
doppelte Gewicht in der Mitte der Stange.

An dem Hebel, dessen Arme sich wie 1:2 verhalten,
sind Gewichte im Verhältniss 2:1 angehängt. Wir
denken uns das Gewicht 2 durch 2 Gewichte 1 ersetzt,

Erstes Kapitel.
gebenden Umstände nur dann für zureichend hal-
ten, wenn die letzteren einen Vorgang eindeutig be-
stimmen. Unter Voraussetzung der erwähnten Erfah-
rung, dass nur die Gewichte und ihre Abstände
maassgebend sind
, hat nun der Satz 1 des Archi-
medes wirklich einen hohen Grad von Evidenz und
eignet sich also sehr zur Grundlage für weitere Unter-
suchungen. Stellt sich der Beschauer selbst in die Sym-
metrieebene der betreffenden Vorrichtung, so zeigt sich
der Satz 1 auch als eine sehr zwingende instinctive
Einsicht, was durch die Symmetrie unsers eigenen Kör-
pers bedingt ist. Die Aufsuchung derartiger Sätze ist
[Spaltenumbruch] [Abbildung] Fig. 3.
[Spaltenumbruch] [Abbildung] Fig. 4.
auch ein vorzügliches Mittel, sich in den Gedanken an
dieselbe Bestimmtheit zu gewöhnen, welche die Natur
in ihren Vorgängen offenbart.

3. Wir wollen nun in freier Weise den Gedanken-
gang reproduciren, durch welchen Archimedes den all-
gemeinen Hebelsatz auf den speciellen anscheinend selbst-
verständlichen zurückzuführen sucht. Die beiden in a
und b aufgehängten gleichen Gewichte (1) sind, wenn
die Stange ab um den Mittelpunkt c drehbar ist, im
Gleichgewicht. Hängt man das Ganze an einer Schnur
in c auf, so wird dieselbe, vom Gewicht der Stange
abgesehen, das Gewicht 2 zu tragen haben. Die
gleichen Gewichte an dem Ende ersetzen also das
doppelte Gewicht in der Mitte der Stange.

An dem Hebel, dessen Arme sich wie 1:2 verhalten,
sind Gewichte im Verhältniss 2:1 angehängt. Wir
denken uns das Gewicht 2 durch 2 Gewichte 1 ersetzt,

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[10/0022] Erstes Kapitel. gebenden Umstände nur dann für zureichend hal- ten, wenn die letzteren einen Vorgang eindeutig be- stimmen. Unter Voraussetzung der erwähnten Erfah- rung, dass nur die Gewichte und ihre Abstände maassgebend sind, hat nun der Satz 1 des Archi- medes wirklich einen hohen Grad von Evidenz und eignet sich also sehr zur Grundlage für weitere Unter- suchungen. Stellt sich der Beschauer selbst in die Sym- metrieebene der betreffenden Vorrichtung, so zeigt sich der Satz 1 auch als eine sehr zwingende instinctive Einsicht, was durch die Symmetrie unsers eigenen Kör- pers bedingt ist. Die Aufsuchung derartiger Sätze ist [Abbildung Fig. 3.] [Abbildung Fig. 4.] auch ein vorzügliches Mittel, sich in den Gedanken an dieselbe Bestimmtheit zu gewöhnen, welche die Natur in ihren Vorgängen offenbart. 3. Wir wollen nun in freier Weise den Gedanken- gang reproduciren, durch welchen Archimedes den all- gemeinen Hebelsatz auf den speciellen anscheinend selbst- verständlichen zurückzuführen sucht. Die beiden in a und b aufgehängten gleichen Gewichte (1) sind, wenn die Stange ab um den Mittelpunkt c drehbar ist, im Gleichgewicht. Hängt man das Ganze an einer Schnur in c auf, so wird dieselbe, vom Gewicht der Stange abgesehen, das Gewicht 2 zu tragen haben. Die gleichen Gewichte an dem Ende ersetzen also das doppelte Gewicht in der Mitte der Stange. An dem Hebel, dessen Arme sich wie 1:2 verhalten, sind Gewichte im Verhältniss 2:1 angehängt. Wir denken uns das Gewicht 2 durch 2 Gewichte 1 ersetzt,

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Zitationshilfe: Mach, Ernst: Die Mechanik in ihrer Entwicklung. Leipzig, 1883, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mach_mechanik_1883/22>, abgerufen am 28.03.2024.