Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[N. N.]: Hofzimmer der Klugen. Übers. v. Georg Martzi. Frankfurt (Main), 1692.

Bild:
<< vorherige Seite
XXXIX.

Das heist sehr wenig Verstand haben/
wann man sich erzürnet/ so ihm etwas wider
seine Hoffnung begegnet ist. Man solte
dasjenige nicht er warten/ was uns nie-
mand versprochen hat. Nichts ist bestän-
dig in der Welt. Die allergewönlichste
Arth/ das allergemeineste und allgemeine-
sie Gesetz unter den Menschen ist/ daß man
schier alle augenblick etwas sehen muß/ das
uns beleydiget. Auff was vor eine Seite
man sich drähet/ so trifft man nichts an als
Unglück/ welches man auch wider willen
versuchen muß. Hat man einem unter uns
ein immerwährendes Glück ohne Vermi-
schung mit dem Unglück versprochen? Be-
trachte in dem Unglück/ so dir wiederfahren
ist/ niemals den Schaden/ so er dir verursa-
chet hat/ sondern bedencke die Gefahr/ deren
du entgangen bist/ denn derjenige/ der alles
verlohren hat/ was er besessen/ hat nichts de-
sto weniger Ursach sich zu trösten/ ja auch sich
zu erfreuen/ daß er sich nicht sampt seinem
Reich thum verlohren.

XL.

Ihr solt die Dinge nicht darum gut ach-
ten/ weil du sie so hefftig begehret hast. Die

Straf-
XXXIX.

Das heiſt ſehr wenig Verſtand haben/
wann man ſich erzuͤꝛnet/ ſo ihm etwas wider
ſeine Hoffnung begegnet iſt. Man ſolte
dasjenige nicht er warten/ was uns nie-
mand verſprochen hat. Nichts iſt beſtaͤn-
dig in der Welt. Die allergewoͤnlichſte
Arth/ das allergemeineſte und allgemeine-
ſie Geſetz unter den Menſchen iſt/ daß man
ſchier alle augenblick etwas ſehen muß/ das
uns beleydiget. Auff was vor eine Seite
man ſich draͤhet/ ſo trifft man nichts an als
Ungluͤck/ welches man auch wider willen
verſuchen muß. Hat man einem unter uns
ein immerwaͤhrendes Gluͤck ohne Vermi-
ſchung mit dem Ungluͤck verſprochen? Be-
trachte in dem Ungluͤck/ ſo dir wiederfahren
iſt/ niemals den Schaden/ ſo er dir verurſa-
chet hat/ ſondern bedencke die Gefahr/ deren
du entgangen biſt/ denn derjenige/ der alles
verlohren hat/ was er beſeſſen/ hat nichts de-
ſto weniger Urſach ſich zu troͤſten/ ja auch ſich
zu erfreuen/ daß er ſich nicht ſampt ſeinem
Reich thum verlohren.

XL.

Ihr ſolt die Dinge nicht darum gut ach-
ten/ weil du ſie ſo hefftig begehret haſt. Die

Straf-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0127" n="126[116]"/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#aq">XXXIX.</hi> </head><lb/>
          <p>Das hei&#x017F;t &#x017F;ehr wenig Ver&#x017F;tand haben/<lb/>
wann man &#x017F;ich erzu&#x0364;&#xA75B;net/ &#x017F;o ihm etwas wider<lb/>
&#x017F;eine Hoffnung begegnet i&#x017F;t. Man &#x017F;olte<lb/>
dasjenige nicht er warten/ was uns nie-<lb/>
mand ver&#x017F;prochen hat. Nichts i&#x017F;t be&#x017F;ta&#x0364;n-<lb/>
dig in der Welt. Die allergewo&#x0364;nlich&#x017F;te<lb/>
Arth/ das allergemeine&#x017F;te und allgemeine-<lb/>
&#x017F;ie Ge&#x017F;etz unter den Men&#x017F;chen i&#x017F;t/ daß man<lb/>
&#x017F;chier alle augenblick etwas &#x017F;ehen muß/ das<lb/>
uns beleydiget. Auff was vor eine Seite<lb/>
man &#x017F;ich dra&#x0364;het/ &#x017F;o trifft man nichts an als<lb/>
Unglu&#x0364;ck/ welches man auch wider willen<lb/>
ver&#x017F;uchen muß. Hat man einem unter uns<lb/>
ein immerwa&#x0364;hrendes Glu&#x0364;ck ohne Vermi-<lb/>
&#x017F;chung mit dem Unglu&#x0364;ck ver&#x017F;prochen? Be-<lb/>
trachte in dem Unglu&#x0364;ck/ &#x017F;o dir wiederfahren<lb/>
i&#x017F;t/ niemals den Schaden/ &#x017F;o er dir verur&#x017F;a-<lb/>
chet hat/ &#x017F;ondern bedencke die Gefahr/ deren<lb/>
du entgangen bi&#x017F;t/ denn derjenige/ der alles<lb/>
verlohren hat/ was er be&#x017F;e&#x017F;&#x017F;en/ hat nichts de-<lb/>
&#x017F;to weniger Ur&#x017F;ach &#x017F;ich zu tro&#x0364;&#x017F;ten/ ja auch &#x017F;ich<lb/>
zu erfreuen/ daß er &#x017F;ich nicht &#x017F;ampt &#x017F;einem<lb/>
Reich thum verlohren.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#aq">XL.</hi> </head><lb/>
          <p>Ihr &#x017F;olt die Dinge nicht darum gut ach-<lb/>
ten/ weil du &#x017F;ie &#x017F;o hefftig begehret ha&#x017F;t. Die<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Straf-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[126[116]/0127] XXXIX. Das heiſt ſehr wenig Verſtand haben/ wann man ſich erzuͤꝛnet/ ſo ihm etwas wider ſeine Hoffnung begegnet iſt. Man ſolte dasjenige nicht er warten/ was uns nie- mand verſprochen hat. Nichts iſt beſtaͤn- dig in der Welt. Die allergewoͤnlichſte Arth/ das allergemeineſte und allgemeine- ſie Geſetz unter den Menſchen iſt/ daß man ſchier alle augenblick etwas ſehen muß/ das uns beleydiget. Auff was vor eine Seite man ſich draͤhet/ ſo trifft man nichts an als Ungluͤck/ welches man auch wider willen verſuchen muß. Hat man einem unter uns ein immerwaͤhrendes Gluͤck ohne Vermi- ſchung mit dem Ungluͤck verſprochen? Be- trachte in dem Ungluͤck/ ſo dir wiederfahren iſt/ niemals den Schaden/ ſo er dir verurſa- chet hat/ ſondern bedencke die Gefahr/ deren du entgangen biſt/ denn derjenige/ der alles verlohren hat/ was er beſeſſen/ hat nichts de- ſto weniger Urſach ſich zu troͤſten/ ja auch ſich zu erfreuen/ daß er ſich nicht ſampt ſeinem Reich thum verlohren. XL. Ihr ſolt die Dinge nicht darum gut ach- ten/ weil du ſie ſo hefftig begehret haſt. Die Straf-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/martzi_klugen_1692
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/martzi_klugen_1692/127
Zitationshilfe: [N. N.]: Hofzimmer der Klugen. Übers. v. Georg Martzi. Frankfurt (Main), 1692, S. 126[116]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/martzi_klugen_1692/127>, abgerufen am 28.04.2024.