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[N. N.]: Hofzimmer der Klugen. Übers. v. Georg Martzi. Frankfurt (Main), 1692.

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Weißheit regieren/ und ein solch exempla-
ri
sches Leben führen/ daß er niemals der
Verzeihung von nöthen habe; aber an-
dern muß er gern verzeihen/ und sich nicht
lang bitten lassen. Ich halte davor/ daß
die vielen Straffen und Züchtigungen den
Fürsten so viel Schaden thun/ als die allzu-
viele Begräbnüsse den Medicis. Es mag
ein lauteres Unglück seyn/ oder ein Mangel
der Wissenschafft und Erfahrung/ so tau-
gen sie beyde nichts. Das heist schier/ in
einem immerwehrenden Kriege leben/ wann
man unter der Herrschafft eines harten und
grausamen Fürsten ist. Man muß die
Schuldigen nicht züchtigen/ damit man sie
sehr martere/ sondern nur/ damit man an-
dere fromm mache/ und sie durch ein scharf-
fes Exempel in ihrer Schuldigkeit erhalte.
Auch soll man nicht verzeihen von wegen
der Sanftmuth oder Lusts/ so dabey ist/ son-
dern/ damit man den Schuldigen bewege
Reu zu tragen/ und sich zu bessern. Wann
der Fürst sich derer Mildigkeit bedienet/ so
macht er/ daß die Frommen noch eine grös-
sere Abscheu vor den geringsten Fehlern
tragen/ und verhindert auch auf solche Wei-
se/ daß die übrige Unterthanen in keinen

Ex-

Weißheit regieren/ und ein ſolch exempla-
ri
ſches Leben fuͤhren/ daß er niemals der
Verzeihung von noͤthen habe; aber an-
dern muß er gern verzeihen/ und ſich nicht
lang bitten laſſen. Ich halte davor/ daß
die vielen Straffen und Zuͤchtigungen den
Fuͤrſten ſo viel Schaden thun/ als die allzu-
viele Begraͤbnuͤſſe den Medicis. Es mag
ein lauteres Ungluͤck ſeyn/ oder ein Mangel
der Wiſſenſchafft und Erfahrung/ ſo tau-
gen ſie beyde nichts. Das heiſt ſchier/ in
einem immerwehrenden Kriege leben/ wañ
man unter der Herrſchafft eines harten und
grauſamen Fuͤrſten iſt. Man muß die
Schuldigen nicht zuͤchtigen/ damit man ſie
ſehr martere/ ſondern nur/ damit man an-
dere fromm mache/ und ſie durch ein ſcharf-
fes Exempel in ihrer Schuldigkeit erhalte.
Auch ſoll man nicht verzeihen von wegen
der Sanftmuth oder Luſts/ ſo dabey iſt/ ſon-
dern/ damit man den Schuldigen bewege
Reu zu tragen/ und ſich zu beſſern. Wann
der Fuͤrſt ſich derer Mildigkeit bedienet/ ſo
macht er/ daß die Frommen noch eine groͤſ-
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[176[166]/0177] Weißheit regieren/ und ein ſolch exempla- riſches Leben fuͤhren/ daß er niemals der Verzeihung von noͤthen habe; aber an- dern muß er gern verzeihen/ und ſich nicht lang bitten laſſen. Ich halte davor/ daß die vielen Straffen und Zuͤchtigungen den Fuͤrſten ſo viel Schaden thun/ als die allzu- viele Begraͤbnuͤſſe den Medicis. Es mag ein lauteres Ungluͤck ſeyn/ oder ein Mangel der Wiſſenſchafft und Erfahrung/ ſo tau- gen ſie beyde nichts. Das heiſt ſchier/ in einem immerwehrenden Kriege leben/ wañ man unter der Herrſchafft eines harten und grauſamen Fuͤrſten iſt. Man muß die Schuldigen nicht zuͤchtigen/ damit man ſie ſehr martere/ ſondern nur/ damit man an- dere fromm mache/ und ſie durch ein ſcharf- fes Exempel in ihrer Schuldigkeit erhalte. Auch ſoll man nicht verzeihen von wegen der Sanftmuth oder Luſts/ ſo dabey iſt/ ſon- dern/ damit man den Schuldigen bewege Reu zu tragen/ und ſich zu beſſern. Wann der Fuͤrſt ſich derer Mildigkeit bedienet/ ſo macht er/ daß die Frommen noch eine groͤſ- ſere Abſcheu vor den geringſten Fehlern tragen/ und verhindert auch auf ſolche Wei- ſe/ daß die uͤbrige Unterthanen in keinen Ex-

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Zitationshilfe: [N. N.]: Hofzimmer der Klugen. Übers. v. Georg Martzi. Frankfurt (Main), 1692, S. 176[166]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/martzi_klugen_1692/177>, abgerufen am 02.05.2024.