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Marx, Karl: Das Kapital. Buch III: Der Gesammtprocess d. Kapitalist. Produktion. Kapitel XXIX-LII. Hamburg, 1894.

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den frühern Formen steht ihm also der Geldverleiher ganz so gegen-
über, wie dem modernen Kapitalisten. Dies specifische Verhältniss
wurde auch von den katholischen Universitäten gefühlt. "Die
Universitäten von Alcala, von Salamanca, von Ingolstadt, von Frei-
burg im Breisgau, Mainz, Köln und Trier, erkannten nacheinander
die Rechtmäßigkeit der Zinsen für Handelsanleihen an. Die ersten
fünf dieser Approbationen sind niedergelegt worden in den Archiven
des Konsulats der Stadt Lyon, und gedruckt im Anhang des Traite
de l'usure et des interets, Lyon, Bruyset-Ponthus." (M. Augier,
Le Credit public etc. Paris 1842, p. 206.) In allen Formen
worin die Sklavenwirthschaft (nicht patriarchalisch, sondern wie
in den spätern griechischen und römischen Zeiten) als Mittel der
Bereicherung besteht, wo Geld also Mittel ist, durch Ankauf von
Sklaven, Land etc., fremde Arbeit anzueignen, wird das Geld, eben
weil es so angelegt werden kann, als Kapital verwerthbar, zinstragend.

Die charakteristischen Formen jedoch, worin das Wucherkapital
in den Vorzeiten der kapitalistischen Produktionsweise existirt,
sind zweierlei. Ich sage charakteristische Formen. Dieselben Formen
wiederholen sich auf Basis der kapitalistischen Produktion, aber als
bloss untergeordnete Formen. Sie sind hier nicht mehr die Formen,
die den Charakter des zinstragenden Kapitals bestimmen. Diese
beiden Formen sind: Erstens, der Wucher durch Geldverleihen an
verschwenderische Grosse, wesentlich Grundeigenthümer; zweitens,
Wucher durch Geldverleihen an den kleinen, im Besitz seiner
eignen Arbeitsbedingungen befindlichen Producenten, worin der
Handwerker eingeschlossen ist, aber ganz specifisch der Bauer, da
überhaupt in vorkapitalischen Zuständen, soweit sie kleine selbst-
ständige Einzelproducenten zulassen, die Bauernklasse deren grosse
Majorität bilden muss.

Beides, sowohl der Ruin der reichen Grundeigenthümer durch
den Wucher, wie die Aussaugung der kleinen Producenten führt
zur Bildung und Koncentration grosser Geldkapitalien. Wie weit
aber dieser Process die alte Produktionsweise aufhebt, wie dies im
modernen Europa der Fall war, und ob er an ihrer Stelle die
kapitalistische Produktionsweise setzt, hängt ganz von der histo-
rischen Entwicklungsstufe und den damit gegebnen Umständen ab.

Das Wucherkapital als charakteristische Form des zinstragenden
Kapitals entspricht dem Vorherrschen der kleinen Produktion, der
selbstarbeitenden Bauern und kleinen Handwerksmeister. Wo dem
Arbeiter, wie in der entwickelten kapitalistischen Produktionsweise,
die Arbeitsbedingungen und das Produkt der Arbeit als Kapital

den frühern Formen steht ihm also der Geldverleiher ganz so gegen-
über, wie dem modernen Kapitalisten. Dies specifische Verhältniss
wurde auch von den katholischen Universitäten gefühlt. „Die
Universitäten von Alcalá, von Salamanca, von Ingolstadt, von Frei-
burg im Breisgau, Mainz, Köln und Trier, erkannten nacheinander
die Rechtmäßigkeit der Zinsen für Handelsanleihen an. Die ersten
fünf dieser Approbationen sind niedergelegt worden in den Archiven
des Konsulats der Stadt Lyon, und gedruckt im Anhang des Traité
de l’usure et des intérêts, Lyon, Bruyset-Ponthus.“ (M. Augier,
Le Crédit public etc. Paris 1842, p. 206.) In allen Formen
worin die Sklavenwirthschaft (nicht patriarchalisch, sondern wie
in den spätern griechischen und römischen Zeiten) als Mittel der
Bereicherung besteht, wo Geld also Mittel ist, durch Ankauf von
Sklaven, Land etc., fremde Arbeit anzueignen, wird das Geld, eben
weil es so angelegt werden kann, als Kapital verwerthbar, zinstragend.

Die charakteristischen Formen jedoch, worin das Wucherkapital
in den Vorzeiten der kapitalistischen Produktionsweise existirt,
sind zweierlei. Ich sage charakteristische Formen. Dieselben Formen
wiederholen sich auf Basis der kapitalistischen Produktion, aber als
bloss untergeordnete Formen. Sie sind hier nicht mehr die Formen,
die den Charakter des zinstragenden Kapitals bestimmen. Diese
beiden Formen sind: Erstens, der Wucher durch Geldverleihen an
verschwenderische Grosse, wesentlich Grundeigenthümer; zweitens,
Wucher durch Geldverleihen an den kleinen, im Besitz seiner
eignen Arbeitsbedingungen befindlichen Producenten, worin der
Handwerker eingeschlossen ist, aber ganz specifisch der Bauer, da
überhaupt in vorkapitalischen Zuständen, soweit sie kleine selbst-
ständige Einzelproducenten zulassen, die Bauernklasse deren grosse
Majorität bilden muss.

Beides, sowohl der Ruin der reichen Grundeigenthümer durch
den Wucher, wie die Aussaugung der kleinen Producenten führt
zur Bildung und Koncentration grosser Geldkapitalien. Wie weit
aber dieser Process die alte Produktionsweise aufhebt, wie dies im
modernen Europa der Fall war, und ob er an ihrer Stelle die
kapitalistische Produktionsweise setzt, hängt ganz von der histo-
rischen Entwicklungsstufe und den damit gegebnen Umständen ab.

Das Wucherkapital als charakteristische Form des zinstragenden
Kapitals entspricht dem Vorherrschen der kleinen Produktion, der
selbstarbeitenden Bauern und kleinen Handwerksmeister. Wo dem
Arbeiter, wie in der entwickelten kapitalistischen Produktionsweise,
die Arbeitsbedingungen und das Produkt der Arbeit als Kapital

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[133/0142] den frühern Formen steht ihm also der Geldverleiher ganz so gegen- über, wie dem modernen Kapitalisten. Dies specifische Verhältniss wurde auch von den katholischen Universitäten gefühlt. „Die Universitäten von Alcalá, von Salamanca, von Ingolstadt, von Frei- burg im Breisgau, Mainz, Köln und Trier, erkannten nacheinander die Rechtmäßigkeit der Zinsen für Handelsanleihen an. Die ersten fünf dieser Approbationen sind niedergelegt worden in den Archiven des Konsulats der Stadt Lyon, und gedruckt im Anhang des Traité de l’usure et des intérêts, Lyon, Bruyset-Ponthus.“ (M. Augier, Le Crédit public etc. Paris 1842, p. 206.) In allen Formen worin die Sklavenwirthschaft (nicht patriarchalisch, sondern wie in den spätern griechischen und römischen Zeiten) als Mittel der Bereicherung besteht, wo Geld also Mittel ist, durch Ankauf von Sklaven, Land etc., fremde Arbeit anzueignen, wird das Geld, eben weil es so angelegt werden kann, als Kapital verwerthbar, zinstragend. Die charakteristischen Formen jedoch, worin das Wucherkapital in den Vorzeiten der kapitalistischen Produktionsweise existirt, sind zweierlei. Ich sage charakteristische Formen. Dieselben Formen wiederholen sich auf Basis der kapitalistischen Produktion, aber als bloss untergeordnete Formen. Sie sind hier nicht mehr die Formen, die den Charakter des zinstragenden Kapitals bestimmen. Diese beiden Formen sind: Erstens, der Wucher durch Geldverleihen an verschwenderische Grosse, wesentlich Grundeigenthümer; zweitens, Wucher durch Geldverleihen an den kleinen, im Besitz seiner eignen Arbeitsbedingungen befindlichen Producenten, worin der Handwerker eingeschlossen ist, aber ganz specifisch der Bauer, da überhaupt in vorkapitalischen Zuständen, soweit sie kleine selbst- ständige Einzelproducenten zulassen, die Bauernklasse deren grosse Majorität bilden muss. Beides, sowohl der Ruin der reichen Grundeigenthümer durch den Wucher, wie die Aussaugung der kleinen Producenten führt zur Bildung und Koncentration grosser Geldkapitalien. Wie weit aber dieser Process die alte Produktionsweise aufhebt, wie dies im modernen Europa der Fall war, und ob er an ihrer Stelle die kapitalistische Produktionsweise setzt, hängt ganz von der histo- rischen Entwicklungsstufe und den damit gegebnen Umständen ab. Das Wucherkapital als charakteristische Form des zinstragenden Kapitals entspricht dem Vorherrschen der kleinen Produktion, der selbstarbeitenden Bauern und kleinen Handwerksmeister. Wo dem Arbeiter, wie in der entwickelten kapitalistischen Produktionsweise, die Arbeitsbedingungen und das Produkt der Arbeit als Kapital

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Zitationshilfe: Marx, Karl: Das Kapital. Buch III: Der Gesammtprocess d. Kapitalist. Produktion. Kapitel XXIX-LII. Hamburg, 1894, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital0302_1894/142>, abgerufen am 28.03.2024.