Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Marx, Karl: Das Kapital. Buch III: Der Gesammtprocess d. Kapitalist. Produktion. Kapitel XXIX-LII. Hamburg, 1894.

Bild:
<< vorherige Seite

Knechtschaftsverhältnissen völlig loslöst, andrerseits den Grund und
Boden als Arbeitsbedingung gänzlich vom Grundeigenthum und
Grundeigenthümer trennt, für den er weiter nichts vorstellt, als
eine bestimmte Geldsteuer, die er vermittelst seines Monopols vom
industriellen Kapitalisten, dem Pächter erhebt; so sehr den Zu-
sammenhang loslöst, dass der Grundeigenthümer sein ganzes Leben
in Konstantinopel zubringen kann, während sein Grundeigenthum
in Schottland liegt. Das Grundeigenthum erhält so seine rein
ökonomische Form, durch Abstreifung aller seiner frühern poli-
tischen und socialen Verbrämungen und Verquickungen, kurz aller
jener traditionellen Zuthaten, die von den industriellen Kapitalisten
selbst, wie von ihren theoretischen Wortführern, wie wir später
sehn werden, im Eifer ihres Kampfs mit dem Grundeigenthum als
eine nutzlose und abgeschmackte Superfötation denuncirt werden.
Die Rationalisirung der Agrikultur einerseits, die diese erst be-
fähigt gesellschaftlich betrieben zu werden, die Rückführung des
Grundeigenthums ad absurdum andrerseits, dies sind die grossen
Verdienste der kapitalistischen Produktionsweise. Wie alle ihre
andern historischen Fortschritte, erkaufte sie auch diesen zunächst
durch die völlige Verelendung der unmittelbaren Producenten.

Bevor wir zum Gegenstand selbst übergehn, sind noch einige
Vorbemerkungen zur Abwehr von Missverständnissen nöthig.

Die Voraussetzung bei der kapitalistischen Produktionsweise ist
also diese: die wirklichen Ackerbauer sind Lohnarbeiter, beschäftigt
von einem Kapitalisten, dem Pächter, der die Landwirthschaft nur
als ein besondres Exploitationsfeld des Kapitals, als Anlage seines
Kapitals in einer besondern Produktionsphäre betreibt. Dieser
Pächter-Kapitalist zahlt dem Grundeigenthümer, dem Eigenthümer
des von ihm exploitirten Bodens in bestimmten Terminen, z. B.
jährlich, eine kontraktlich festgesetzte Geldsumme (ganz wie der
Borger von Geldkapital bestimmten Zins) für die Erlaubniss, sein
Kapital in diesem besondern Produktionsfeld anzuwenden. Diese
Geldsumme heisst Grundrente, einerlei ob sie von Ackerboden,
Bauterrain, Bergwerken, Fischereien, Waldungen u. s. w. gezahlt
werde. Sie wird gezahlt für die ganze Zeit, während deren kon-
traktlich der Grundeigenthümer den Boden an den Pächter ver-
liehen, vermiethet hat. Die Grundrente ist also hier die Form,
worin sich das Grundeigenthum ökonomisch realisirt, verwerthet.
Wir haben ferner hier alle drei Klassen, welche den Rahmen der
modernen Gesellschaft konstituiren, zusammen und einander gegen-
über -- Lohnarbeiter, industrieller Kapitalist, Grundeigenthümer.


Knechtschaftsverhältnissen völlig loslöst, andrerseits den Grund und
Boden als Arbeitsbedingung gänzlich vom Grundeigenthum und
Grundeigenthümer trennt, für den er weiter nichts vorstellt, als
eine bestimmte Geldsteuer, die er vermittelst seines Monopols vom
industriellen Kapitalisten, dem Pächter erhebt; so sehr den Zu-
sammenhang loslöst, dass der Grundeigenthümer sein ganzes Leben
in Konstantinopel zubringen kann, während sein Grundeigenthum
in Schottland liegt. Das Grundeigenthum erhält so seine rein
ökonomische Form, durch Abstreifung aller seiner frühern poli-
tischen und socialen Verbrämungen und Verquickungen, kurz aller
jener traditionellen Zuthaten, die von den industriellen Kapitalisten
selbst, wie von ihren theoretischen Wortführern, wie wir später
sehn werden, im Eifer ihres Kampfs mit dem Grundeigenthum als
eine nutzlose und abgeschmackte Superfötation denuncirt werden.
Die Rationalisirung der Agrikultur einerseits, die diese erst be-
fähigt gesellschaftlich betrieben zu werden, die Rückführung des
Grundeigenthums ad absurdum andrerseits, dies sind die grossen
Verdienste der kapitalistischen Produktionsweise. Wie alle ihre
andern historischen Fortschritte, erkaufte sie auch diesen zunächst
durch die völlige Verelendung der unmittelbaren Producenten.

Bevor wir zum Gegenstand selbst übergehn, sind noch einige
Vorbemerkungen zur Abwehr von Missverständnissen nöthig.

Die Voraussetzung bei der kapitalistischen Produktionsweise ist
also diese: die wirklichen Ackerbauer sind Lohnarbeiter, beschäftigt
von einem Kapitalisten, dem Pächter, der die Landwirthschaft nur
als ein besondres Exploitationsfeld des Kapitals, als Anlage seines
Kapitals in einer besondern Produktionsphäre betreibt. Dieser
Pächter-Kapitalist zahlt dem Grundeigenthümer, dem Eigenthümer
des von ihm exploitirten Bodens in bestimmten Terminen, z. B.
jährlich, eine kontraktlich festgesetzte Geldsumme (ganz wie der
Borger von Geldkapital bestimmten Zins) für die Erlaubniss, sein
Kapital in diesem besondern Produktionsfeld anzuwenden. Diese
Geldsumme heisst Grundrente, einerlei ob sie von Ackerboden,
Bauterrain, Bergwerken, Fischereien, Waldungen u. s. w. gezahlt
werde. Sie wird gezahlt für die ganze Zeit, während deren kon-
traktlich der Grundeigenthümer den Boden an den Pächter ver-
liehen, vermiethet hat. Die Grundrente ist also hier die Form,
worin sich das Grundeigenthum ökonomisch realisirt, verwerthet.
Wir haben ferner hier alle drei Klassen, welche den Rahmen der
modernen Gesellschaft konstituiren, zusammen und einander gegen-
über — Lohnarbeiter, industrieller Kapitalist, Grundeigenthümer.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0166" n="157"/>
Knechtschaftsverhältnissen völlig loslöst, andrerseits den Grund und<lb/>
Boden als Arbeitsbedingung gänzlich vom Grundeigenthum und<lb/>
Grundeigenthümer trennt, für den er weiter nichts vorstellt, als<lb/>
eine bestimmte Geldsteuer, die er vermittelst seines Monopols vom<lb/>
industriellen Kapitalisten, dem Pächter erhebt; so sehr den Zu-<lb/>
sammenhang loslöst, dass der Grundeigenthümer sein ganzes Leben<lb/>
in Konstantinopel zubringen kann, während sein Grundeigenthum<lb/>
in Schottland liegt. Das Grundeigenthum erhält so seine rein<lb/>
ökonomische Form, durch Abstreifung aller seiner frühern poli-<lb/>
tischen und socialen Verbrämungen und Verquickungen, kurz aller<lb/>
jener traditionellen Zuthaten, die von den industriellen Kapitalisten<lb/>
selbst, wie von ihren theoretischen Wortführern, wie wir später<lb/>
sehn werden, im Eifer ihres Kampfs mit dem Grundeigenthum als<lb/>
eine nutzlose und abgeschmackte Superfötation denuncirt werden.<lb/>
Die Rationalisirung der Agrikultur einerseits, die diese erst be-<lb/>
fähigt gesellschaftlich betrieben zu werden, die Rückführung des<lb/>
Grundeigenthums ad absurdum andrerseits, dies sind die grossen<lb/>
Verdienste der kapitalistischen Produktionsweise. Wie alle ihre<lb/>
andern historischen Fortschritte, erkaufte sie auch diesen zunächst<lb/>
durch die völlige Verelendung der unmittelbaren Producenten.</p><lb/>
            <p>Bevor wir zum Gegenstand selbst übergehn, sind noch einige<lb/>
Vorbemerkungen zur Abwehr von Missverständnissen nöthig.</p><lb/>
            <p>Die Voraussetzung bei der kapitalistischen Produktionsweise ist<lb/>
also diese: die wirklichen Ackerbauer sind Lohnarbeiter, beschäftigt<lb/>
von einem Kapitalisten, dem Pächter, der die Landwirthschaft nur<lb/>
als ein besondres Exploitationsfeld des Kapitals, als Anlage seines<lb/>
Kapitals in einer besondern Produktionsphäre betreibt. Dieser<lb/>
Pächter-Kapitalist zahlt dem Grundeigenthümer, dem Eigenthümer<lb/>
des von ihm exploitirten Bodens in bestimmten Terminen, z. B.<lb/>
jährlich, eine kontraktlich festgesetzte Geldsumme (ganz wie der<lb/>
Borger von Geldkapital bestimmten Zins) für die Erlaubniss, sein<lb/>
Kapital in diesem besondern Produktionsfeld anzuwenden. Diese<lb/>
Geldsumme heisst Grundrente, einerlei ob sie von Ackerboden,<lb/>
Bauterrain, Bergwerken, Fischereien, Waldungen u. s. w. gezahlt<lb/>
werde. Sie wird gezahlt für die ganze Zeit, während deren kon-<lb/>
traktlich der Grundeigenthümer den Boden an den Pächter ver-<lb/>
liehen, vermiethet hat. Die Grundrente ist also hier die Form,<lb/>
worin sich das Grundeigenthum ökonomisch realisirt, verwerthet.<lb/>
Wir haben ferner hier alle drei Klassen, welche den Rahmen der<lb/>
modernen Gesellschaft konstituiren, zusammen und einander gegen-<lb/>
über &#x2014; Lohnarbeiter, industrieller Kapitalist, Grundeigenthümer.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[157/0166] Knechtschaftsverhältnissen völlig loslöst, andrerseits den Grund und Boden als Arbeitsbedingung gänzlich vom Grundeigenthum und Grundeigenthümer trennt, für den er weiter nichts vorstellt, als eine bestimmte Geldsteuer, die er vermittelst seines Monopols vom industriellen Kapitalisten, dem Pächter erhebt; so sehr den Zu- sammenhang loslöst, dass der Grundeigenthümer sein ganzes Leben in Konstantinopel zubringen kann, während sein Grundeigenthum in Schottland liegt. Das Grundeigenthum erhält so seine rein ökonomische Form, durch Abstreifung aller seiner frühern poli- tischen und socialen Verbrämungen und Verquickungen, kurz aller jener traditionellen Zuthaten, die von den industriellen Kapitalisten selbst, wie von ihren theoretischen Wortführern, wie wir später sehn werden, im Eifer ihres Kampfs mit dem Grundeigenthum als eine nutzlose und abgeschmackte Superfötation denuncirt werden. Die Rationalisirung der Agrikultur einerseits, die diese erst be- fähigt gesellschaftlich betrieben zu werden, die Rückführung des Grundeigenthums ad absurdum andrerseits, dies sind die grossen Verdienste der kapitalistischen Produktionsweise. Wie alle ihre andern historischen Fortschritte, erkaufte sie auch diesen zunächst durch die völlige Verelendung der unmittelbaren Producenten. Bevor wir zum Gegenstand selbst übergehn, sind noch einige Vorbemerkungen zur Abwehr von Missverständnissen nöthig. Die Voraussetzung bei der kapitalistischen Produktionsweise ist also diese: die wirklichen Ackerbauer sind Lohnarbeiter, beschäftigt von einem Kapitalisten, dem Pächter, der die Landwirthschaft nur als ein besondres Exploitationsfeld des Kapitals, als Anlage seines Kapitals in einer besondern Produktionsphäre betreibt. Dieser Pächter-Kapitalist zahlt dem Grundeigenthümer, dem Eigenthümer des von ihm exploitirten Bodens in bestimmten Terminen, z. B. jährlich, eine kontraktlich festgesetzte Geldsumme (ganz wie der Borger von Geldkapital bestimmten Zins) für die Erlaubniss, sein Kapital in diesem besondern Produktionsfeld anzuwenden. Diese Geldsumme heisst Grundrente, einerlei ob sie von Ackerboden, Bauterrain, Bergwerken, Fischereien, Waldungen u. s. w. gezahlt werde. Sie wird gezahlt für die ganze Zeit, während deren kon- traktlich der Grundeigenthümer den Boden an den Pächter ver- liehen, vermiethet hat. Die Grundrente ist also hier die Form, worin sich das Grundeigenthum ökonomisch realisirt, verwerthet. Wir haben ferner hier alle drei Klassen, welche den Rahmen der modernen Gesellschaft konstituiren, zusammen und einander gegen- über — Lohnarbeiter, industrieller Kapitalist, Grundeigenthümer.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital0302_1894
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital0302_1894/166
Zitationshilfe: Marx, Karl: Das Kapital. Buch III: Der Gesammtprocess d. Kapitalist. Produktion. Kapitel XXIX-LII. Hamburg, 1894, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital0302_1894/166>, abgerufen am 19.04.2024.