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Marx, Karl: Das Kapital. Buch III: Der Gesammtprocess d. Kapitalist. Produktion. Kapitel XXIX-LII. Hamburg, 1894.

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Zinsfuss, der die "Besserung" begleitet, drückt aus, dass der kom-
mercielle Kredit nur in geringem Mass des Bankkredits bedarf,
indem er noch auf seinen eignen Füssen steht.

Es verhält sich mit diesem industriellen Cyklus so, dass derselbe
Kreislauf, nachdem der erste Anstoss einmal gegeben, sich periodisch
reproduciren muss.8) Im Zustand der Abspannung sinkt die Pro-
duktion unter die Stufe, die sie im vorigen Cyklus erreicht, und
wofür jetzt die technische Basis gelegt ist. In der Prosperität --
der Mittelperiode -- entwickelt sie sich weiter auf dieser Basis.
In der Periode der Ueberproduktion und des Schwindels spannt
sie die Produktivkräfte aufs höchste an, bis hinaus über die kapi-
talistischen Schranken des Produktionsprocesses.

Dass es in der Periode der Krise an Zahlungsmitteln fehlt, ist
selbsteinleuchtend. Die Konvertibilität der Wechsel hat sich sub-
stituirt der Metamorphose der Waaren selbst, und grade zu solcher
Zeit um so mehr, jemehr ein Theil der Geschäftshäuser bloss auf
Kredit arbeitet. Unwissende und verkehrte Bankgesetzgebung, wie
die von 1844--45, kann diese Geldkrise erschweren. Aber keine
Art Bankgesetzgebung kann die Krise beseitigen.


8) [Wie ich schon an andrer Stelle bemerkt, ist hier seit der letzten grossen
allgemeinen Krise eine Wendung eingetreten. Die akute Form des perio-
dischen Prozesses mit ihrem bisherigen zehnjährigen Cyklus scheint in eine
mehr chronische, länger gezogne, sich auf die verschiednen Industrieländer
verschiedenzeitig vertheilende Abwechslung von relativ kurzer, matter Ge-
schäftsbesserung mit relativ langem, entscheidungslosem Druck gewichen zu
sein. Vielleicht aber handelt es sich nur um eine Ausdehnung der Dauer
des Cyklus. In der Kindheit des Welthandels, 1815--47, lassen sich an-
nähernd fünfjährige Krisen nachweisen; von 1847--67 ist der Cyklus ent-
schieden zehnjährig; sollten wir uns in der Vorbereitungsperiode eines neuen
Weltkrachs von unerhörter Vehemenz befinden? Dahin scheint manches zu
deuten. Seit der letzten allgemeinen Krise von 1867 sind grosse Aenderungen
eingetreten. Die kolossale Ausdehnung der Verkehrsmittel -- oceanische
Dampfschiffe, Eisenbahnen, elektrische Telegraphen, Suezkanal -- hat den
Weltmarkt erst wirklich hergestellt. Dem früher die Industrie monopoli-
sirenden England sind eine Reihe konkurrirender Industrieländer zur Seite
getreten; der Anlage des überschüssigen europäischen Kapitals sind in allen
Welttheilen unendlich grössere und mannigfaltigere Gebiete eröffnet, sodass
es sich weit mehr vertheilt, und lokale Ueberspekulation leichter überwunden
wird. Durch alles dies sind die meisten alten Krisenheerde und Gelegen-
heiten zur Krisenbildung beseitigt oder stark abgeschwächt. Daneben weicht
die Konkurrenz im innern Markt zurück vor den Kartellen und Trusts,
während sie auf dem äusseren Markt beschränkt wird durch die Schutzzölle,
womit ausser England alle grossen Industrieländer sich umgeben. Aber diese
Schutzzölle selbst sind nichts als die Rüstungen für den schliesslichen allge-
meinen Industriefeldzug, der über die Herrschaft auf dem Weltmarkt ent-
scheiden soll. So birgt jedes der Elemente, das einer Wiederholung der alten
Krisen entgegenstrebt, den Keim einer weit gewaltigeren künftigen Krise
in sich. -- F. E.]

Zinsfuss, der die „Besserung“ begleitet, drückt aus, dass der kom-
mercielle Kredit nur in geringem Mass des Bankkredits bedarf,
indem er noch auf seinen eignen Füssen steht.

Es verhält sich mit diesem industriellen Cyklus so, dass derselbe
Kreislauf, nachdem der erste Anstoss einmal gegeben, sich periodisch
reproduciren muss.8) Im Zustand der Abspannung sinkt die Pro-
duktion unter die Stufe, die sie im vorigen Cyklus erreicht, und
wofür jetzt die technische Basis gelegt ist. In der Prosperität —
der Mittelperiode — entwickelt sie sich weiter auf dieser Basis.
In der Periode der Ueberproduktion und des Schwindels spannt
sie die Produktivkräfte aufs höchste an, bis hinaus über die kapi-
talistischen Schranken des Produktionsprocesses.

Dass es in der Periode der Krise an Zahlungsmitteln fehlt, ist
selbsteinleuchtend. Die Konvertibilität der Wechsel hat sich sub-
stituirt der Metamorphose der Waaren selbst, und grade zu solcher
Zeit um so mehr, jemehr ein Theil der Geschäftshäuser bloss auf
Kredit arbeitet. Unwissende und verkehrte Bankgesetzgebung, wie
die von 1844—45, kann diese Geldkrise erschweren. Aber keine
Art Bankgesetzgebung kann die Krise beseitigen.


8) [Wie ich schon an andrer Stelle bemerkt, ist hier seit der letzten grossen
allgemeinen Krise eine Wendung eingetreten. Die akute Form des perio-
dischen Prozesses mit ihrem bisherigen zehnjährigen Cyklus scheint in eine
mehr chronische, länger gezogne, sich auf die verschiednen Industrieländer
verschiedenzeitig vertheilende Abwechslung von relativ kurzer, matter Ge-
schäftsbesserung mit relativ langem, entscheidungslosem Druck gewichen zu
sein. Vielleicht aber handelt es sich nur um eine Ausdehnung der Dauer
des Cyklus. In der Kindheit des Welthandels, 1815—47, lassen sich an-
nähernd fünfjährige Krisen nachweisen; von 1847—67 ist der Cyklus ent-
schieden zehnjährig; sollten wir uns in der Vorbereitungsperiode eines neuen
Weltkrachs von unerhörter Vehemenz befinden? Dahin scheint manches zu
deuten. Seit der letzten allgemeinen Krise von 1867 sind grosse Aenderungen
eingetreten. Die kolossale Ausdehnung der Verkehrsmittel — oceanische
Dampfschiffe, Eisenbahnen, elektrische Telegraphen, Suezkanal — hat den
Weltmarkt erst wirklich hergestellt. Dem früher die Industrie monopoli-
sirenden England sind eine Reihe konkurrirender Industrieländer zur Seite
getreten; der Anlage des überschüssigen europäischen Kapitals sind in allen
Welttheilen unendlich grössere und mannigfaltigere Gebiete eröffnet, sodass
es sich weit mehr vertheilt, und lokale Ueberspekulation leichter überwunden
wird. Durch alles dies sind die meisten alten Krisenheerde und Gelegen-
heiten zur Krisenbildung beseitigt oder stark abgeschwächt. Daneben weicht
die Konkurrenz im innern Markt zurück vor den Kartellen und Trusts,
während sie auf dem äusseren Markt beschränkt wird durch die Schutzzölle,
womit ausser England alle grossen Industrieländer sich umgeben. Aber diese
Schutzzölle selbst sind nichts als die Rüstungen für den schliesslichen allge-
meinen Industriefeldzug, der über die Herrschaft auf dem Weltmarkt ent-
scheiden soll. So birgt jedes der Elemente, das einer Wiederholung der alten
Krisen entgegenstrebt, den Keim einer weit gewaltigeren künftigen Krise
in sich. — F. E.]
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[27/0036] Zinsfuss, der die „Besserung“ begleitet, drückt aus, dass der kom- mercielle Kredit nur in geringem Mass des Bankkredits bedarf, indem er noch auf seinen eignen Füssen steht. Es verhält sich mit diesem industriellen Cyklus so, dass derselbe Kreislauf, nachdem der erste Anstoss einmal gegeben, sich periodisch reproduciren muss. 8) Im Zustand der Abspannung sinkt die Pro- duktion unter die Stufe, die sie im vorigen Cyklus erreicht, und wofür jetzt die technische Basis gelegt ist. In der Prosperität — der Mittelperiode — entwickelt sie sich weiter auf dieser Basis. In der Periode der Ueberproduktion und des Schwindels spannt sie die Produktivkräfte aufs höchste an, bis hinaus über die kapi- talistischen Schranken des Produktionsprocesses. Dass es in der Periode der Krise an Zahlungsmitteln fehlt, ist selbsteinleuchtend. Die Konvertibilität der Wechsel hat sich sub- stituirt der Metamorphose der Waaren selbst, und grade zu solcher Zeit um so mehr, jemehr ein Theil der Geschäftshäuser bloss auf Kredit arbeitet. Unwissende und verkehrte Bankgesetzgebung, wie die von 1844—45, kann diese Geldkrise erschweren. Aber keine Art Bankgesetzgebung kann die Krise beseitigen. 8) [Wie ich schon an andrer Stelle bemerkt, ist hier seit der letzten grossen allgemeinen Krise eine Wendung eingetreten. Die akute Form des perio- dischen Prozesses mit ihrem bisherigen zehnjährigen Cyklus scheint in eine mehr chronische, länger gezogne, sich auf die verschiednen Industrieländer verschiedenzeitig vertheilende Abwechslung von relativ kurzer, matter Ge- schäftsbesserung mit relativ langem, entscheidungslosem Druck gewichen zu sein. Vielleicht aber handelt es sich nur um eine Ausdehnung der Dauer des Cyklus. In der Kindheit des Welthandels, 1815—47, lassen sich an- nähernd fünfjährige Krisen nachweisen; von 1847—67 ist der Cyklus ent- schieden zehnjährig; sollten wir uns in der Vorbereitungsperiode eines neuen Weltkrachs von unerhörter Vehemenz befinden? Dahin scheint manches zu deuten. Seit der letzten allgemeinen Krise von 1867 sind grosse Aenderungen eingetreten. Die kolossale Ausdehnung der Verkehrsmittel — oceanische Dampfschiffe, Eisenbahnen, elektrische Telegraphen, Suezkanal — hat den Weltmarkt erst wirklich hergestellt. Dem früher die Industrie monopoli- sirenden England sind eine Reihe konkurrirender Industrieländer zur Seite getreten; der Anlage des überschüssigen europäischen Kapitals sind in allen Welttheilen unendlich grössere und mannigfaltigere Gebiete eröffnet, sodass es sich weit mehr vertheilt, und lokale Ueberspekulation leichter überwunden wird. Durch alles dies sind die meisten alten Krisenheerde und Gelegen- heiten zur Krisenbildung beseitigt oder stark abgeschwächt. Daneben weicht die Konkurrenz im innern Markt zurück vor den Kartellen und Trusts, während sie auf dem äusseren Markt beschränkt wird durch die Schutzzölle, womit ausser England alle grossen Industrieländer sich umgeben. Aber diese Schutzzölle selbst sind nichts als die Rüstungen für den schliesslichen allge- meinen Industriefeldzug, der über die Herrschaft auf dem Weltmarkt ent- scheiden soll. So birgt jedes der Elemente, das einer Wiederholung der alten Krisen entgegenstrebt, den Keim einer weit gewaltigeren künftigen Krise in sich. — F. E.]

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Zitationshilfe: Marx, Karl: Das Kapital. Buch III: Der Gesammtprocess d. Kapitalist. Produktion. Kapitel XXIX-LII. Hamburg, 1894, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital0302_1894/36>, abgerufen am 19.04.2024.