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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892].

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Fackeln, denn diese würden einen umfangreicheren Schein
verbreiten. Das sind Laternen."

"Ich muß hart an sie heran. Kennst du die Gegend
genau?"

"Ich werde dich führen; ich kenne jeden Stein und
jeden Strauch. Halte dich nur hart hinter mir und nimm
dein Pferd stets hoch!"

Er wandte sich von dem Wasser nach rechts, und
nun ging es über Stock und Stein im Trabe vorwärts.
Es war ein sehr böser Ritt, aber bereits nach einer reich-
lichen Viertelstunde konnten wir genau mehrere Lichter
unterscheiden. Und nach einer zweiten Viertelstunde,
während welcher uns dieselben hinter einem vor uns
liegenden Bergrücken verschwunden waren, langten wir
auf dem letzteren an und sahen nun sehr deutlich, daß
wir einen ziemlich langen Zug vor uns hatten. Von
wem derselbe gebildet wurde, war von hier aus nicht zu
unterscheiden; das aber bemerkten wir, daß er plötzlich
verschwand und nicht wieder erschien.

"Giebt es dort wieder einen Hügel?"

"Nein. Hier ist Ebene," antwortete Selek.

"Oder eine Vertiefung, ein Thal, in welchem diese
Lichter verschwinden können?"

"Nein."

"Oder ein Wald -- -- --"

"Ja, Emir," fiel er schnell ein. "Dort, wo sie ver-
schwunden sind, liegt ein kleines Olivenwäldchen."

"Ah! Du wirst mit den Pferden hier bleiben und
auf uns warten. Halef aber begleitet mich."

"Herr nimm mich auch mit," bat Selek.

"Die Tiere würden uns verraten."

"Wir binden sie an!"

"Mein Rappe ist zu kostbar, als daß ich ihn ohne

Fackeln, denn dieſe würden einen umfangreicheren Schein
verbreiten. Das ſind Laternen.“

„Ich muß hart an ſie heran. Kennſt du die Gegend
genau?“

„Ich werde dich führen; ich kenne jeden Stein und
jeden Strauch. Halte dich nur hart hinter mir und nimm
dein Pferd ſtets hoch!“

Er wandte ſich von dem Waſſer nach rechts, und
nun ging es über Stock und Stein im Trabe vorwärts.
Es war ein ſehr böſer Ritt, aber bereits nach einer reich-
lichen Viertelſtunde konnten wir genau mehrere Lichter
unterſcheiden. Und nach einer zweiten Viertelſtunde,
während welcher uns dieſelben hinter einem vor uns
liegenden Bergrücken verſchwunden waren, langten wir
auf dem letzteren an und ſahen nun ſehr deutlich, daß
wir einen ziemlich langen Zug vor uns hatten. Von
wem derſelbe gebildet wurde, war von hier aus nicht zu
unterſcheiden; das aber bemerkten wir, daß er plötzlich
verſchwand und nicht wieder erſchien.

„Giebt es dort wieder einen Hügel?“

„Nein. Hier iſt Ebene,“ antwortete Selek.

„Oder eine Vertiefung, ein Thal, in welchem dieſe
Lichter verſchwinden können?“

„Nein.“

„Oder ein Wald — — —“

„Ja, Emir,“ fiel er ſchnell ein. „Dort, wo ſie ver-
ſchwunden ſind, liegt ein kleines Olivenwäldchen.“

„Ah! Du wirſt mit den Pferden hier bleiben und
auf uns warten. Halef aber begleitet mich.“

„Herr nimm mich auch mit,“ bat Selek.

„Die Tiere würden uns verraten.“

„Wir binden ſie an!“

„Mein Rappe iſt zu koſtbar, als daß ich ihn ohne

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[20/0034] Fackeln, denn dieſe würden einen umfangreicheren Schein verbreiten. Das ſind Laternen.“ „Ich muß hart an ſie heran. Kennſt du die Gegend genau?“ „Ich werde dich führen; ich kenne jeden Stein und jeden Strauch. Halte dich nur hart hinter mir und nimm dein Pferd ſtets hoch!“ Er wandte ſich von dem Waſſer nach rechts, und nun ging es über Stock und Stein im Trabe vorwärts. Es war ein ſehr böſer Ritt, aber bereits nach einer reich- lichen Viertelſtunde konnten wir genau mehrere Lichter unterſcheiden. Und nach einer zweiten Viertelſtunde, während welcher uns dieſelben hinter einem vor uns liegenden Bergrücken verſchwunden waren, langten wir auf dem letzteren an und ſahen nun ſehr deutlich, daß wir einen ziemlich langen Zug vor uns hatten. Von wem derſelbe gebildet wurde, war von hier aus nicht zu unterſcheiden; das aber bemerkten wir, daß er plötzlich verſchwand und nicht wieder erſchien. „Giebt es dort wieder einen Hügel?“ „Nein. Hier iſt Ebene,“ antwortete Selek. „Oder eine Vertiefung, ein Thal, in welchem dieſe Lichter verſchwinden können?“ „Nein.“ „Oder ein Wald — — —“ „Ja, Emir,“ fiel er ſchnell ein. „Dort, wo ſie ver- ſchwunden ſind, liegt ein kleines Olivenwäldchen.“ „Ah! Du wirſt mit den Pferden hier bleiben und auf uns warten. Halef aber begleitet mich.“ „Herr nimm mich auch mit,“ bat Selek. „Die Tiere würden uns verraten.“ „Wir binden ſie an!“ „Mein Rappe iſt zu koſtbar, als daß ich ihn ohne

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Zitationshilfe: May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/34>, abgerufen am 23.04.2024.