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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892].

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Fünftes Kapitel.
Unter Bluträchern.

Von der Höhe hinter Amadijah führte der Pfad bergab
nach der Ebene Newdascht. Auf derselben angekommen,
gaben wir den Pferden die Sporen, so daß wir über den
dürren Boden, der diese Ebene kennzeichnet, mit vogel-
hafter Schnelligkeit dahinflogen.

Wir kamen in das Dorf Maglana, von welchem Dohub,
der Kurde, mit mir gesprochen hatte. Es wird von lauter
Kurden bewohnt, welche mit den umliegenden chaldäischen
Christen in steter Feindschaft leben. Wir hielten nur an,
um uns nach dem Wege zu erkundigen, und dann ging
es wieder vorwärts. Wir kamen durch verfallene Ort-
schaften, bei deren Untergang die Feuersbrunst der Hütten
das Blut der Bewohner aufgeleckt hatte. Die Trümmer
lagen zerstreut; die Tiere des Waldes hatten die Knochen,
welche wir hier und da liegen sahen, abgenagt. Mich
schauderte.

In der Ferne, rechts oder links sahen wir zuweilen
Rauch aufsteigen; es zeigte sich uns die unbeworfene
Mauer eines Hauses; ein einzelner Reiter tauchte vor
uns auf, bemerkte uns und schwenkte rasch zur Seite ab.
Wir befanden uns auf keinem friedlichen Boden, und er
sah, daß wir ihm an Zahl überlegen waren. Genau so
geht es den Vögeln des Waldes, die bei jedem Flügel-

Fünftes Kapitel.
Unter Bluträchern.

Von der Höhe hinter Amadijah führte der Pfad bergab
nach der Ebene Newdaſcht. Auf derſelben angekommen,
gaben wir den Pferden die Sporen, ſo daß wir über den
dürren Boden, der dieſe Ebene kennzeichnet, mit vogel-
hafter Schnelligkeit dahinflogen.

Wir kamen in das Dorf Maglana, von welchem Dohub,
der Kurde, mit mir geſprochen hatte. Es wird von lauter
Kurden bewohnt, welche mit den umliegenden chaldäiſchen
Chriſten in ſteter Feindſchaft leben. Wir hielten nur an,
um uns nach dem Wege zu erkundigen, und dann ging
es wieder vorwärts. Wir kamen durch verfallene Ort-
ſchaften, bei deren Untergang die Feuersbrunſt der Hütten
das Blut der Bewohner aufgeleckt hatte. Die Trümmer
lagen zerſtreut; die Tiere des Waldes hatten die Knochen,
welche wir hier und da liegen ſahen, abgenagt. Mich
ſchauderte.

In der Ferne, rechts oder links ſahen wir zuweilen
Rauch aufſteigen; es zeigte ſich uns die unbeworfene
Mauer eines Hauſes; ein einzelner Reiter tauchte vor
uns auf, bemerkte uns und ſchwenkte raſch zur Seite ab.
Wir befanden uns auf keinem friedlichen Boden, und er
ſah, daß wir ihm an Zahl überlegen waren. Genau ſo
geht es den Vögeln des Waldes, die bei jedem Flügel-

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[373/0387] Fünftes Kapitel. Unter Bluträchern. Von der Höhe hinter Amadijah führte der Pfad bergab nach der Ebene Newdaſcht. Auf derſelben angekommen, gaben wir den Pferden die Sporen, ſo daß wir über den dürren Boden, der dieſe Ebene kennzeichnet, mit vogel- hafter Schnelligkeit dahinflogen. Wir kamen in das Dorf Maglana, von welchem Dohub, der Kurde, mit mir geſprochen hatte. Es wird von lauter Kurden bewohnt, welche mit den umliegenden chaldäiſchen Chriſten in ſteter Feindſchaft leben. Wir hielten nur an, um uns nach dem Wege zu erkundigen, und dann ging es wieder vorwärts. Wir kamen durch verfallene Ort- ſchaften, bei deren Untergang die Feuersbrunſt der Hütten das Blut der Bewohner aufgeleckt hatte. Die Trümmer lagen zerſtreut; die Tiere des Waldes hatten die Knochen, welche wir hier und da liegen ſahen, abgenagt. Mich ſchauderte. In der Ferne, rechts oder links ſahen wir zuweilen Rauch aufſteigen; es zeigte ſich uns die unbeworfene Mauer eines Hauſes; ein einzelner Reiter tauchte vor uns auf, bemerkte uns und ſchwenkte raſch zur Seite ab. Wir befanden uns auf keinem friedlichen Boden, und er ſah, daß wir ihm an Zahl überlegen waren. Genau ſo geht es den Vögeln des Waldes, die bei jedem Flügel-

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Zitationshilfe: May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 373. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/387>, abgerufen am 29.03.2024.