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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895.

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§ 9. Öffentliche Rechte.

Diese letzte Stufe allein bedeutet auf dem Gebiete des Civil-
rechts ein subjektives Recht. Wo es aber einmal gegeben ist, da
macht es sich auch durch eigentümliche Wirkungen erkennbar2.

Wenn der Begriff des subjektiven öffentlichen Rechts, das in der
Verwaltung erscheint, eine feste Abgrenzung und eine praktische Be-
deutung haben soll, so werden wir für ihn das Gleiche in Anspruch
nehmen müssen.

Seine Zugehörigkeit zum öffentlichen Rechte wird sich erweisen
an der besonderen rechtlichen Natur jenes Machtkreises. Es fragt
sich nur, wie weit in den Beziehungen der öffentlichen Gewalt auf
dem Gebiete der Verwaltung derartige Machtkreise zur Erscheinung
kommen.

I. Die gemeine Redeweise verfährt mit dem Ausdruck Recht auf
das verschwenderischste. Jeglicher Vorteil, der aus der Rechtsordnung
und ihrem Wirksamwerden dem einen oder anderen Teil erwächst,
wird sofort so bezeichnet ohne Rücksicht darauf, ob er nach Form und
Gegenstand einem festen Begriffe entspricht.

Das fängt mit den allerallgemeinsten Verhältnissen an. Dass
der Staat dem Unterthanen mit rechtlich überwiegendem Willen, als
öffentliche Gewalt gegenübersteht, ist ein grosses subjektives Recht für
ihn, das Recht auf Beherrschung und Gehorsam3; wenn
man diese Gewalt wieder einteilt nach den Richtungen, in welchen
sie sich äussern kann, dann entsteht das, was man heutzutage Hoheits-
rechte nennt4. Dem entspricht auf der anderen Seite die all-
gemeine Gehorsamspflicht
des Unterthanen, die doch auch
wieder nur eine Umschreibung der Unterthaneneigenschaft ist5; sie

2 Ueber die Stufenfolge der "Indiyidualisierung" der geschützten Interessen
bis zur "individualisierten rechtlichen Macht", welche ein subjektives Recht be-
deutet, vgl. Merkel, Encyklop. § 150, 151, 153.
3 Schmitthenner, St.R. S. 280; G. Meyer, St.R. S. 687; Bornhak,
Preuss. St.R. I S. 238; v. Kirchenheim, Einf. S. 22; Loening, V.R. S. 9.
4 Gareis, Allg. St.R. S. 26--28, S. 117--121; Jellinek, Ges. und Verord.
S. 200 (der Staat hat "potentiell" alle ordentlichen Hoheitsrechte, "aktuell" er-
hält er sie dadurch, dass er "seine Thätigkeit auf individuell bestimmte Seiten des
Gemeinwesens richtet").
5 Zöpfl, St.R. § 281, Held, Verf.R. II S. 592, Pözl, Bayr. Verf.R. S. 94;
v. Roenne, Preuss. St.R. S. 212 ff.; Schulze, St.R. I S. 360 ff.; G. Meyer,
St.R. S. 687; Gareis, Allg. St.R. S. 144; Laband, St.R. I S. 132. Die all-
gemeine Gehorsamspflicht setzt freilich voraus, dass etwas befohlen wird und zwar
rechtmässig; es wird vorsorglich immer betont, dass nur verfassungsmässiger Ge-
horsam geschuldet wird. Es entspricht ihr für das Gebiet des Civilrechts etwa die
"allgemeine Zahlungspflicht", die auch nur wirkt, wenn man rechtmässig etwas
schuldig geworden ist.
§ 9. Öffentliche Rechte.

Diese letzte Stufe allein bedeutet auf dem Gebiete des Civil-
rechts ein subjektives Recht. Wo es aber einmal gegeben ist, da
macht es sich auch durch eigentümliche Wirkungen erkennbar2.

Wenn der Begriff des subjektiven öffentlichen Rechts, das in der
Verwaltung erscheint, eine feste Abgrenzung und eine praktische Be-
deutung haben soll, so werden wir für ihn das Gleiche in Anspruch
nehmen müssen.

Seine Zugehörigkeit zum öffentlichen Rechte wird sich erweisen
an der besonderen rechtlichen Natur jenes Machtkreises. Es fragt
sich nur, wie weit in den Beziehungen der öffentlichen Gewalt auf
dem Gebiete der Verwaltung derartige Machtkreise zur Erscheinung
kommen.

I. Die gemeine Redeweise verfährt mit dem Ausdruck Recht auf
das verschwenderischste. Jeglicher Vorteil, der aus der Rechtsordnung
und ihrem Wirksamwerden dem einen oder anderen Teil erwächst,
wird sofort so bezeichnet ohne Rücksicht darauf, ob er nach Form und
Gegenstand einem festen Begriffe entspricht.

Das fängt mit den allerallgemeinsten Verhältnissen an. Daſs
der Staat dem Unterthanen mit rechtlich überwiegendem Willen, als
öffentliche Gewalt gegenübersteht, ist ein groſses subjektives Recht für
ihn, das Recht auf Beherrschung und Gehorsam3; wenn
man diese Gewalt wieder einteilt nach den Richtungen, in welchen
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rechte nennt4. Dem entspricht auf der anderen Seite die all-
gemeine Gehorsamspflicht
des Unterthanen, die doch auch
wieder nur eine Umschreibung der Unterthaneneigenschaft ist5; sie

2 Ueber die Stufenfolge der „Indiyidualisierung“ der geschützten Interessen
bis zur „individualisierten rechtlichen Macht“, welche ein subjektives Recht be-
deutet, vgl. Merkel, Encyklop. § 150, 151, 153.
3 Schmitthenner, St.R. S. 280; G. Meyer, St.R. S. 687; Bornhak,
Preuſs. St.R. I S. 238; v. Kirchenheim, Einf. S. 22; Loening, V.R. S. 9.
4 Gareis, Allg. St.R. S. 26—28, S. 117—121; Jellinek, Ges. und Verord.
S. 200 (der Staat hat „potentiell“ alle ordentlichen Hoheitsrechte, „aktuell“ er-
hält er sie dadurch, daſs er „seine Thätigkeit auf individuell bestimmte Seiten des
Gemeinwesens richtet“).
5 Zöpfl, St.R. § 281, Held, Verf.R. II S. 592, Pözl, Bayr. Verf.R. S. 94;
v. Roenne, Preuſs. St.R. S. 212 ff.; Schulze, St.R. I S. 360 ff.; G. Meyer,
St.R. S. 687; Gareis, Allg. St.R. S. 144; Laband, St.R. I S. 132. Die all-
gemeine Gehorsamspflicht setzt freilich voraus, daſs etwas befohlen wird und zwar
rechtmäſsig; es wird vorsorglich immer betont, daſs nur verfassungsmäſsiger Ge-
horsam geschuldet wird. Es entspricht ihr für das Gebiet des Civilrechts etwa die
„allgemeine Zahlungspflicht“, die auch nur wirkt, wenn man rechtmäſsig etwas
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[105/0125] § 9. Öffentliche Rechte. Diese letzte Stufe allein bedeutet auf dem Gebiete des Civil- rechts ein subjektives Recht. Wo es aber einmal gegeben ist, da macht es sich auch durch eigentümliche Wirkungen erkennbar 2. Wenn der Begriff des subjektiven öffentlichen Rechts, das in der Verwaltung erscheint, eine feste Abgrenzung und eine praktische Be- deutung haben soll, so werden wir für ihn das Gleiche in Anspruch nehmen müssen. Seine Zugehörigkeit zum öffentlichen Rechte wird sich erweisen an der besonderen rechtlichen Natur jenes Machtkreises. Es fragt sich nur, wie weit in den Beziehungen der öffentlichen Gewalt auf dem Gebiete der Verwaltung derartige Machtkreise zur Erscheinung kommen. I. Die gemeine Redeweise verfährt mit dem Ausdruck Recht auf das verschwenderischste. Jeglicher Vorteil, der aus der Rechtsordnung und ihrem Wirksamwerden dem einen oder anderen Teil erwächst, wird sofort so bezeichnet ohne Rücksicht darauf, ob er nach Form und Gegenstand einem festen Begriffe entspricht. Das fängt mit den allerallgemeinsten Verhältnissen an. Daſs der Staat dem Unterthanen mit rechtlich überwiegendem Willen, als öffentliche Gewalt gegenübersteht, ist ein groſses subjektives Recht für ihn, das Recht auf Beherrschung und Gehorsam 3; wenn man diese Gewalt wieder einteilt nach den Richtungen, in welchen sie sich äuſsern kann, dann entsteht das, was man heutzutage Hoheits- rechte nennt 4. Dem entspricht auf der anderen Seite die all- gemeine Gehorsamspflicht des Unterthanen, die doch auch wieder nur eine Umschreibung der Unterthaneneigenschaft ist 5; sie 2 Ueber die Stufenfolge der „Indiyidualisierung“ der geschützten Interessen bis zur „individualisierten rechtlichen Macht“, welche ein subjektives Recht be- deutet, vgl. Merkel, Encyklop. § 150, 151, 153. 3 Schmitthenner, St.R. S. 280; G. Meyer, St.R. S. 687; Bornhak, Preuſs. St.R. I S. 238; v. Kirchenheim, Einf. S. 22; Loening, V.R. S. 9. 4 Gareis, Allg. St.R. S. 26—28, S. 117—121; Jellinek, Ges. und Verord. S. 200 (der Staat hat „potentiell“ alle ordentlichen Hoheitsrechte, „aktuell“ er- hält er sie dadurch, daſs er „seine Thätigkeit auf individuell bestimmte Seiten des Gemeinwesens richtet“). 5 Zöpfl, St.R. § 281, Held, Verf.R. II S. 592, Pözl, Bayr. Verf.R. S. 94; v. Roenne, Preuſs. St.R. S. 212 ff.; Schulze, St.R. I S. 360 ff.; G. Meyer, St.R. S. 687; Gareis, Allg. St.R. S. 144; Laband, St.R. I S. 132. Die all- gemeine Gehorsamspflicht setzt freilich voraus, daſs etwas befohlen wird und zwar rechtmäſsig; es wird vorsorglich immer betont, daſs nur verfassungsmäſsiger Ge- horsam geschuldet wird. Es entspricht ihr für das Gebiet des Civilrechts etwa die „allgemeine Zahlungspflicht“, die auch nur wirkt, wenn man rechtmäſsig etwas schuldig geworden ist.

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht01_1895/125>, abgerufen am 19.04.2024.