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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895.

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§ 12. Das Beschwerderecht.

Der Schwerpunkt des hier zu entwickelnden Begriffs liegt also ganz
in diesen besonderen Vorkehrungen. Nicht um Rechtsschutz als
Schutz von subjektiven Rechten handelt es sich, sondern um
Schutz im Wege Rechtens. Der Einzelne wird damit geschützt
in seinen Interessen, ob diese zugleich subjektive Rechte sind oder
nicht, das Institut bleibt das Gleiche.

Besondere Vorkehrungen zum Schutze der Interessen der Einzelnen
können in der Verwaltung mannigfach bestehen kraft dienstlicher An-
ordnungen für die Behörden oder auch vermöge guten Brauchs der-
selben. Als Schutzmittel von rechtlicher Bedeutung wirken gesetz-
liche Formvorschriften
für das Verfahren, namentlich die Be-
stimmung, dass die Beteiligten vor einer gewissen Massregel zu hören
sind. Ferner gehört hierher die obrigkeitliche Beurkundung
öffentlichrechtlicher Verhältnisse. Ein Hauptgewicht legt man jetzt
auf die Gestaltung der ordentlichen Verwaltungsbe-
hörden:
kollegiale Besetzung, Zuziehung von Ehrenbeamten, amt-
liche Unabhängigkeit nach oben3. Das ist alles noch nicht unser
Begriff des Rechtsschutzes, wenn es sich auch vielfach mit dem, was
sein Wesen ausmacht, verbindet.

Unser Rechtsschutz ist ein Schutz im Wege Rechtens wie der
Civilrechtsschutz; ein rechtlich geordneter Weg ist dem Einzelnen er-
öffnet, den er gehen soll, um geschützt zu werden; juristisch aus-
gedrückt: dieser wird berufen zu einer rechtlich bedeutsamen
Mitwirkung
an einem behördlichen Akte, der seine Interessen
betrifft.

Es sind drei Arten solchen Rechtsschutzes, die in der Verwaltung
wirksam werden:

1. Der Weg der förmlichen Beschwerde, beruhend auf dem Be-
schwerderecht (davon hier unten).

2. Die Verwaltungsrechtspflege, als die wichtigste und voll-
kommenste Gestalt dieses Rechtsschutzes (unten § 13--15).

3. Die Zuständigkeit der Civilgerichte in Verwaltungssachen,
womit der eigentliche Rechtsweg im strengen Sinne der alten Schule

petitio principii". In seinen verschiedenen Schriften verficht er den Grundsatz, dass
es immer bloss auf die Wahrung des objektiven Rechtes ankomme. Dagegen aus-
führlich v. Stengel, Organis. der Preuss. V. S. 45 ff. Aber Gneist meint es mit
dem objetiven Recht selbst nicht im strengen juristischen Sinne; es gehört ihm vor
allem auch die "unparteiische Massbestimmung" dazu (Rechtsstaat S. 272, Engl.
V.R. I S. 417).
3 Gneist, Rechtsstaat S. 284 ff.; G. Meyer, St.R. § 182.
§ 12. Das Beschwerderecht.

Der Schwerpunkt des hier zu entwickelnden Begriffs liegt also ganz
in diesen besonderen Vorkehrungen. Nicht um Rechtsschutz als
Schutz von subjektiven Rechten handelt es sich, sondern um
Schutz im Wege Rechtens. Der Einzelne wird damit geschützt
in seinen Interessen, ob diese zugleich subjektive Rechte sind oder
nicht, das Institut bleibt das Gleiche.

Besondere Vorkehrungen zum Schutze der Interessen der Einzelnen
können in der Verwaltung mannigfach bestehen kraft dienstlicher An-
ordnungen für die Behörden oder auch vermöge guten Brauchs der-
selben. Als Schutzmittel von rechtlicher Bedeutung wirken gesetz-
liche Formvorschriften
für das Verfahren, namentlich die Be-
stimmung, daſs die Beteiligten vor einer gewissen Maſsregel zu hören
sind. Ferner gehört hierher die obrigkeitliche Beurkundung
öffentlichrechtlicher Verhältnisse. Ein Hauptgewicht legt man jetzt
auf die Gestaltung der ordentlichen Verwaltungsbe-
hörden:
kollegiale Besetzung, Zuziehung von Ehrenbeamten, amt-
liche Unabhängigkeit nach oben3. Das ist alles noch nicht unser
Begriff des Rechtsschutzes, wenn es sich auch vielfach mit dem, was
sein Wesen ausmacht, verbindet.

Unser Rechtsschutz ist ein Schutz im Wege Rechtens wie der
Civilrechtsschutz; ein rechtlich geordneter Weg ist dem Einzelnen er-
öffnet, den er gehen soll, um geschützt zu werden; juristisch aus-
gedrückt: dieser wird berufen zu einer rechtlich bedeutsamen
Mitwirkung
an einem behördlichen Akte, der seine Interessen
betrifft.

Es sind drei Arten solchen Rechtsschutzes, die in der Verwaltung
wirksam werden:

1. Der Weg der förmlichen Beschwerde, beruhend auf dem Be-
schwerderecht (davon hier unten).

2. Die Verwaltungsrechtspflege, als die wichtigste und voll-
kommenste Gestalt dieses Rechtsschutzes (unten § 13—15).

3. Die Zuständigkeit der Civilgerichte in Verwaltungssachen,
womit der eigentliche Rechtsweg im strengen Sinne der alten Schule

petitio principii“. In seinen verschiedenen Schriften verficht er den Grundsatz, daſs
es immer bloſs auf die Wahrung des objektiven Rechtes ankomme. Dagegen aus-
führlich v. Stengel, Organis. der Preuſs. V. S. 45 ff. Aber Gneist meint es mit
dem objetiven Recht selbst nicht im strengen juristischen Sinne; es gehört ihm vor
allem auch die „unparteiische Maſsbestimmung“ dazu (Rechtsstaat S. 272, Engl.
V.R. I S. 417).
3 Gneist, Rechtsstaat S. 284 ff.; G. Meyer, St.R. § 182.
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[149/0169] § 12. Das Beschwerderecht. Der Schwerpunkt des hier zu entwickelnden Begriffs liegt also ganz in diesen besonderen Vorkehrungen. Nicht um Rechtsschutz als Schutz von subjektiven Rechten handelt es sich, sondern um Schutz im Wege Rechtens. Der Einzelne wird damit geschützt in seinen Interessen, ob diese zugleich subjektive Rechte sind oder nicht, das Institut bleibt das Gleiche. Besondere Vorkehrungen zum Schutze der Interessen der Einzelnen können in der Verwaltung mannigfach bestehen kraft dienstlicher An- ordnungen für die Behörden oder auch vermöge guten Brauchs der- selben. Als Schutzmittel von rechtlicher Bedeutung wirken gesetz- liche Formvorschriften für das Verfahren, namentlich die Be- stimmung, daſs die Beteiligten vor einer gewissen Maſsregel zu hören sind. Ferner gehört hierher die obrigkeitliche Beurkundung öffentlichrechtlicher Verhältnisse. Ein Hauptgewicht legt man jetzt auf die Gestaltung der ordentlichen Verwaltungsbe- hörden: kollegiale Besetzung, Zuziehung von Ehrenbeamten, amt- liche Unabhängigkeit nach oben 3. Das ist alles noch nicht unser Begriff des Rechtsschutzes, wenn es sich auch vielfach mit dem, was sein Wesen ausmacht, verbindet. Unser Rechtsschutz ist ein Schutz im Wege Rechtens wie der Civilrechtsschutz; ein rechtlich geordneter Weg ist dem Einzelnen er- öffnet, den er gehen soll, um geschützt zu werden; juristisch aus- gedrückt: dieser wird berufen zu einer rechtlich bedeutsamen Mitwirkung an einem behördlichen Akte, der seine Interessen betrifft. Es sind drei Arten solchen Rechtsschutzes, die in der Verwaltung wirksam werden: 1. Der Weg der förmlichen Beschwerde, beruhend auf dem Be- schwerderecht (davon hier unten). 2. Die Verwaltungsrechtspflege, als die wichtigste und voll- kommenste Gestalt dieses Rechtsschutzes (unten § 13—15). 3. Die Zuständigkeit der Civilgerichte in Verwaltungssachen, womit der eigentliche Rechtsweg im strengen Sinne der alten Schule 2 3 Gneist, Rechtsstaat S. 284 ff.; G. Meyer, St.R. § 182. 2 petitio principii“. In seinen verschiedenen Schriften verficht er den Grundsatz, daſs es immer bloſs auf die Wahrung des objektiven Rechtes ankomme. Dagegen aus- führlich v. Stengel, Organis. der Preuſs. V. S. 45 ff. Aber Gneist meint es mit dem objetiven Recht selbst nicht im strengen juristischen Sinne; es gehört ihm vor allem auch die „unparteiische Maſsbestimmung“ dazu (Rechtsstaat S. 272, Engl. V.R. I S. 417).

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht01_1895/169>, abgerufen am 19.04.2024.