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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895.

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Die Polizeigewalt.
That will sie verhindern, nach der That die Ahndung herbeiführen.
Der Gegensatz wird also zusammenfallen mit dem von administrativer
und gerichtlicher Polizei. Der Zweck der termini technici ist dann
der, anzuerkennen, dass die Polizei bei ihren Gewaltmassregeln,
weil "präventiv", an die besonderen Formen der Strf.Pr.O. nicht ge-
bunden war23.

So weit ist diese Einteilung wenigstens unschädlich. Anders wird
die Sache, wenn man ein tieferes Prinzip hinter dem Klang der Worte
sucht, welches eine durchgehende Einteilung der Polizeithätigkeit er-
möglichte. Dabei kann natürlich nichts Gutes herauskommen24.

3. Sicherheits- und Verwaltungspolizei. Dies ist
die neueste Einteilungsart. Wir haben vorhin schon darauf hin-
gewiesen, dass es Verwaltungszweige giebt, welche die Polizeigewalt
mit ihren reinen Hülfsthätigkeiten allein ausfüllt. Man nennt das Sicher-
heitspolizei; Fremdenpolizei, Versammlungen, Presse geben demnach
die Hauptbeispiele; doch grenzt man verschieden ab. Dem wird
gegenübergestellt die sonstige Verwendung der Polizeiformen, wo sie,
mit selbständigen Einrichtungen und Massregeln von anderer recht-
licher Natur verbunden, eines jener Konglomerate bilden, als welche
die Verwaltungszweige meist erscheinen. Das soll dann Verwaltungs-
polizei sein.

Die Ausdrücke sind allerdings unglücklich genug gewählt. Wenn
doch Polizei eine Art von Verwaltungsthätigkeit ist, wie soll Ver-
waltungs-Polizei eine Art der Polizei bedeuten? Im übrigen wäre die
Einteilung unschädlich, wenn man sie nicht den einmal gewählten
Ausdrücken gemäss auch innerlich zu begründen und zu vertiefen
suchte. Da wird denn die Verwaltungspolizei zum "Schutze der be-

23 O.Tr. 4. Jan. 1872 (J.M.Bl. S. 89) unterscheidet: "verhütende und straf-
rechtliche Verhaftung"; R.G. 9. Jan. 1885: "präventivpolizeiliche und straf-
prozessualische Beschlagnahmen". Sehr scharf namentlich Walter in Sächs. Ztschft.
f. Pr. II S. 49 ff. -- Die Franzosen verstehen manchmal unter police preventive
die polizeiliche Aufsicht und Anordnung, unter police repressive den Polizeizwang:
Theorie des Franz. V.R. S. 165. Bornhak, Pr. St.R. III S. 159 Anm. 1, scheint
das irgendwie missverstanden zu haben, wenn er meint, es würde dadurch "An-
ordnung und Zwang für den Zwecken nach verschieden erklärt".
24 "Repressive Polizei findet statt, wenn die Verletzung oder Störung bereits
begonnen hat und es sich darum handelt, dem weiteren Fortgang entgegen zu treten,
präventive, wenn die Gefahr noch keine verletzende Wirkung geäussert hat und es
sich um Abwendung dieser Wirkung überhaupt handelt". So Pözl, Grundriss zu
Vorl. über Pol. S. 14; ähnlich v. Roenne, Pr. St.R. IV S. 96. Eine schlechte
Polizei wird da natürlich immer repressiv sein und den Brunnen erst schliessen
lassen, wenn jemand hineingefallen ist.

Die Polizeigewalt.
That will sie verhindern, nach der That die Ahndung herbeiführen.
Der Gegensatz wird also zusammenfallen mit dem von administrativer
und gerichtlicher Polizei. Der Zweck der termini technici ist dann
der, anzuerkennen, daſs die Polizei bei ihren Gewaltmaſsregeln,
weil „präventiv“, an die besonderen Formen der Strf.Pr.O. nicht ge-
bunden war23.

So weit ist diese Einteilung wenigstens unschädlich. Anders wird
die Sache, wenn man ein tieferes Prinzip hinter dem Klang der Worte
sucht, welches eine durchgehende Einteilung der Polizeithätigkeit er-
möglichte. Dabei kann natürlich nichts Gutes herauskommen24.

3. Sicherheits- und Verwaltungspolizei. Dies ist
die neueste Einteilungsart. Wir haben vorhin schon darauf hin-
gewiesen, daſs es Verwaltungszweige giebt, welche die Polizeigewalt
mit ihren reinen Hülfsthätigkeiten allein ausfüllt. Man nennt das Sicher-
heitspolizei; Fremdenpolizei, Versammlungen, Presse geben demnach
die Hauptbeispiele; doch grenzt man verschieden ab. Dem wird
gegenübergestellt die sonstige Verwendung der Polizeiformen, wo sie,
mit selbständigen Einrichtungen und Maſsregeln von anderer recht-
licher Natur verbunden, eines jener Konglomerate bilden, als welche
die Verwaltungszweige meist erscheinen. Das soll dann Verwaltungs-
polizei sein.

Die Ausdrücke sind allerdings unglücklich genug gewählt. Wenn
doch Polizei eine Art von Verwaltungsthätigkeit ist, wie soll Ver-
waltungs-Polizei eine Art der Polizei bedeuten? Im übrigen wäre die
Einteilung unschädlich, wenn man sie nicht den einmal gewählten
Ausdrücken gemäſs auch innerlich zu begründen und zu vertiefen
suchte. Da wird denn die Verwaltungspolizei zum „Schutze der be-

23 O.Tr. 4. Jan. 1872 (J.M.Bl. S. 89) unterscheidet: „verhütende und straf-
rechtliche Verhaftung“; R.G. 9. Jan. 1885: „präventivpolizeiliche und straf-
prozessualische Beschlagnahmen“. Sehr scharf namentlich Walter in Sächs. Ztschft.
f. Pr. II S. 49 ff. — Die Franzosen verstehen manchmal unter police préventive
die polizeiliche Aufsicht und Anordnung, unter police répressive den Polizeizwang:
Theorie des Franz. V.R. S. 165. Bornhak, Pr. St.R. III S. 159 Anm. 1, scheint
das irgendwie miſsverstanden zu haben, wenn er meint, es würde dadurch „An-
ordnung und Zwang für den Zwecken nach verschieden erklärt“.
24 „Repressive Polizei findet statt, wenn die Verletzung oder Störung bereits
begonnen hat und es sich darum handelt, dem weiteren Fortgang entgegen zu treten,
präventive, wenn die Gefahr noch keine verletzende Wirkung geäuſsert hat und es
sich um Abwendung dieser Wirkung überhaupt handelt“. So Pözl, Grundriſs zu
Vorl. über Pol. S. 14; ähnlich v. Roenne, Pr. St.R. IV S. 96. Eine schlechte
Polizei wird da natürlich immer repressiv sein und den Brunnen erst schlieſsen
lassen, wenn jemand hineingefallen ist.
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[256/0276] Die Polizeigewalt. That will sie verhindern, nach der That die Ahndung herbeiführen. Der Gegensatz wird also zusammenfallen mit dem von administrativer und gerichtlicher Polizei. Der Zweck der termini technici ist dann der, anzuerkennen, daſs die Polizei bei ihren Gewaltmaſsregeln, weil „präventiv“, an die besonderen Formen der Strf.Pr.O. nicht ge- bunden war 23. So weit ist diese Einteilung wenigstens unschädlich. Anders wird die Sache, wenn man ein tieferes Prinzip hinter dem Klang der Worte sucht, welches eine durchgehende Einteilung der Polizeithätigkeit er- möglichte. Dabei kann natürlich nichts Gutes herauskommen 24. 3. Sicherheits- und Verwaltungspolizei. Dies ist die neueste Einteilungsart. Wir haben vorhin schon darauf hin- gewiesen, daſs es Verwaltungszweige giebt, welche die Polizeigewalt mit ihren reinen Hülfsthätigkeiten allein ausfüllt. Man nennt das Sicher- heitspolizei; Fremdenpolizei, Versammlungen, Presse geben demnach die Hauptbeispiele; doch grenzt man verschieden ab. Dem wird gegenübergestellt die sonstige Verwendung der Polizeiformen, wo sie, mit selbständigen Einrichtungen und Maſsregeln von anderer recht- licher Natur verbunden, eines jener Konglomerate bilden, als welche die Verwaltungszweige meist erscheinen. Das soll dann Verwaltungs- polizei sein. Die Ausdrücke sind allerdings unglücklich genug gewählt. Wenn doch Polizei eine Art von Verwaltungsthätigkeit ist, wie soll Ver- waltungs-Polizei eine Art der Polizei bedeuten? Im übrigen wäre die Einteilung unschädlich, wenn man sie nicht den einmal gewählten Ausdrücken gemäſs auch innerlich zu begründen und zu vertiefen suchte. Da wird denn die Verwaltungspolizei zum „Schutze der be- 23 O.Tr. 4. Jan. 1872 (J.M.Bl. S. 89) unterscheidet: „verhütende und straf- rechtliche Verhaftung“; R.G. 9. Jan. 1885: „präventivpolizeiliche und straf- prozessualische Beschlagnahmen“. Sehr scharf namentlich Walter in Sächs. Ztschft. f. Pr. II S. 49 ff. — Die Franzosen verstehen manchmal unter police préventive die polizeiliche Aufsicht und Anordnung, unter police répressive den Polizeizwang: Theorie des Franz. V.R. S. 165. Bornhak, Pr. St.R. III S. 159 Anm. 1, scheint das irgendwie miſsverstanden zu haben, wenn er meint, es würde dadurch „An- ordnung und Zwang für den Zwecken nach verschieden erklärt“. 24 „Repressive Polizei findet statt, wenn die Verletzung oder Störung bereits begonnen hat und es sich darum handelt, dem weiteren Fortgang entgegen zu treten, präventive, wenn die Gefahr noch keine verletzende Wirkung geäuſsert hat und es sich um Abwendung dieser Wirkung überhaupt handelt“. So Pözl, Grundriſs zu Vorl. über Pol. S. 14; ähnlich v. Roenne, Pr. St.R. IV S. 96. Eine schlechte Polizei wird da natürlich immer repressiv sein und den Brunnen erst schlieſsen lassen, wenn jemand hineingefallen ist.

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht01_1895/276>, abgerufen am 19.04.2024.