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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895.

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Die Polizeigewalt.
Vorkehrungen treffen gegen künftige Störungen, Anzeigen, Meldungen
erstatten.

Demnach ist es eine unzureichende Ausdrucksweise, wenn man
die Polizeigewalt lediglich als ein System von Verboten erklärt;
Gebote kommen massenhaft darin zur Anwendung. Richtig ist, dass
auch in diesen polizeilichen Geboten gemäss der allgemeinen Grund-
idee der Polizei immer etwas steckt, ein Ziel und Absehen enthalten
ist, das sie dem wesentlich verneinenden Verbote nahe bringt. Was
auch durch solche Gebote dem Pflichtigen auferlegt sein mag, darf
immer nur dazu bestimmt sein, die Störung zu bekämpfen, die von
ihm ausgeht oder ausgehen könnte. Das Ergebnis aller Polizeigewalt-
übung ist im letzten Ende nie mehr als dies: dass der Be-
troffene nicht stört
14.

Das ist der Prüfstein, an welchem der Umfang der Polizeigewalt
stets erkennbar wird gegenüber allen anderen Arten von obrigkeit-
lichen Anforderungen, die an den Einzelnen sich richten mögen. Wo
etwas von ihm verlangt wird darüber hinaus, und wäre es auch wegen
einer von ihm ausgehenden Störung, in Gebot oder Verbot, die Form
ist gleichgültig, handelt es sich nicht mehr um Geltendmachung der
allgemeinen Unterthanenpflicht, welche die Grundlage der Polizei
bildet, gilt nicht mehr Polizeirecht15.

14 Mit dieser Massgabe richtig: Rosin, Pol.Verord. S. 92: "aus dem Begriff
der Polizei ist eine Einschränkung auf die Aufstellung von Verboten nicht zu ent-
nehmen". Dort wird der Fall angeführt, wo ein Angeklagter die Ungültigkeit einer
die Teilnahme am Feuerlöschdienst befehlenden Polizeiverordnung daraus erweisen
will, "dass die Aufgabe der Polizei zunächst nur eine negative, hindernde, ver-
bietende sei". Der Mann hatte mit seiner Grundanschauung von der Polizeigewalt
vollkommen Recht. Unrecht hatte er einmal, insofern er auf der Form des Ver-
botes besteht; das "Negative" kann auch in der Form des Gebotes erscheinen.
Sodann aber auch insofern, als er glaubt, die Löschdienstpflicht könne überhaupt
nicht mehr auferlegt werden, wenn sie nach richtiger Auffassung heutzutage
nicht mehr polizeilicher Natur ist. Davon in der Lehre von der öffentlichen Last.
15 O.V.G. 16. Nov. 1877: Die Polizeibehörde findet im Interesse der Sicher-
heit des Verkehres die Errichtung eines Zaunes an der Strasse notwendig und will
die Angrenzer dazu zwingen. Missbilligung des Gerichts. Die Polizei kann nur
an den "Wegebauverpflichteten sich halten" oder, "um die Störung der öffentlichen
Ordnung und Sicherheit abzuwenden, die unmittelbaren Folgen einer solchen wieder
zu beseitigen, an den Störer"; "nicht aber kann sie von einem Dritten die Her-
stellung einer durch die veränderten Bedürfnisse des Verkehrs notwendig gewordenen
Neuanlage fordern". Da haben wir die drei Personen: der Störer ist polizeilich
verpflichtet; der Dritte, d. h. der, von welchem die Störung nicht ausgeht, kann
nicht in Anspruch genommen werden; der Wegebaupflichtige kann in Anspruch
genommen werden, aber auf Grund der Wegelast und die ist nicht Polizei
im heutigen Sinne. -- Durch Polizeiverordnung der els.-lothr. Bezirkspräsi-
denten war den Haushaltungsvorständen geboten worden, jeden Neuankommen-

Die Polizeigewalt.
Vorkehrungen treffen gegen künftige Störungen, Anzeigen, Meldungen
erstatten.

Demnach ist es eine unzureichende Ausdrucksweise, wenn man
die Polizeigewalt lediglich als ein System von Verboten erklärt;
Gebote kommen massenhaft darin zur Anwendung. Richtig ist, daſs
auch in diesen polizeilichen Geboten gemäſs der allgemeinen Grund-
idee der Polizei immer etwas steckt, ein Ziel und Absehen enthalten
ist, das sie dem wesentlich verneinenden Verbote nahe bringt. Was
auch durch solche Gebote dem Pflichtigen auferlegt sein mag, darf
immer nur dazu bestimmt sein, die Störung zu bekämpfen, die von
ihm ausgeht oder ausgehen könnte. Das Ergebnis aller Polizeigewalt-
übung ist im letzten Ende nie mehr als dies: daſs der Be-
troffene nicht stört
14.

Das ist der Prüfstein, an welchem der Umfang der Polizeigewalt
stets erkennbar wird gegenüber allen anderen Arten von obrigkeit-
lichen Anforderungen, die an den Einzelnen sich richten mögen. Wo
etwas von ihm verlangt wird darüber hinaus, und wäre es auch wegen
einer von ihm ausgehenden Störung, in Gebot oder Verbot, die Form
ist gleichgültig, handelt es sich nicht mehr um Geltendmachung der
allgemeinen Unterthanenpflicht, welche die Grundlage der Polizei
bildet, gilt nicht mehr Polizeirecht15.

14 Mit dieser Maſsgabe richtig: Rosin, Pol.Verord. S. 92: „aus dem Begriff
der Polizei ist eine Einschränkung auf die Aufstellung von Verboten nicht zu ent-
nehmen“. Dort wird der Fall angeführt, wo ein Angeklagter die Ungültigkeit einer
die Teilnahme am Feuerlöschdienst befehlenden Polizeiverordnung daraus erweisen
will, „daſs die Aufgabe der Polizei zunächst nur eine negative, hindernde, ver-
bietende sei“. Der Mann hatte mit seiner Grundanschauung von der Polizeigewalt
vollkommen Recht. Unrecht hatte er einmal, insofern er auf der Form des Ver-
botes besteht; das „Negative“ kann auch in der Form des Gebotes erscheinen.
Sodann aber auch insofern, als er glaubt, die Löschdienstpflicht könne überhaupt
nicht mehr auferlegt werden, wenn sie nach richtiger Auffassung heutzutage
nicht mehr polizeilicher Natur ist. Davon in der Lehre von der öffentlichen Last.
15 O.V.G. 16. Nov. 1877: Die Polizeibehörde findet im Interesse der Sicher-
heit des Verkehres die Errichtung eines Zaunes an der Straſse notwendig und will
die Angrenzer dazu zwingen. Miſsbilligung des Gerichts. Die Polizei kann nur
an den „Wegebauverpflichteten sich halten“ oder, „um die Störung der öffentlichen
Ordnung und Sicherheit abzuwenden, die unmittelbaren Folgen einer solchen wieder
zu beseitigen, an den Störer“; „nicht aber kann sie von einem Dritten die Her-
stellung einer durch die veränderten Bedürfnisse des Verkehrs notwendig gewordenen
Neuanlage fordern“. Da haben wir die drei Personen: der Störer ist polizeilich
verpflichtet; der Dritte, d. h. der, von welchem die Störung nicht ausgeht, kann
nicht in Anspruch genommen werden; der Wegebaupflichtige kann in Anspruch
genommen werden, aber auf Grund der Wegelast und die ist nicht Polizei
im heutigen Sinne. — Durch Polizeiverordnung der els.-lothr. Bezirkspräsi-
denten war den Haushaltungsvorständen geboten worden, jeden Neuankommen-
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[270/0290] Die Polizeigewalt. Vorkehrungen treffen gegen künftige Störungen, Anzeigen, Meldungen erstatten. Demnach ist es eine unzureichende Ausdrucksweise, wenn man die Polizeigewalt lediglich als ein System von Verboten erklärt; Gebote kommen massenhaft darin zur Anwendung. Richtig ist, daſs auch in diesen polizeilichen Geboten gemäſs der allgemeinen Grund- idee der Polizei immer etwas steckt, ein Ziel und Absehen enthalten ist, das sie dem wesentlich verneinenden Verbote nahe bringt. Was auch durch solche Gebote dem Pflichtigen auferlegt sein mag, darf immer nur dazu bestimmt sein, die Störung zu bekämpfen, die von ihm ausgeht oder ausgehen könnte. Das Ergebnis aller Polizeigewalt- übung ist im letzten Ende nie mehr als dies: daſs der Be- troffene nicht stört 14. Das ist der Prüfstein, an welchem der Umfang der Polizeigewalt stets erkennbar wird gegenüber allen anderen Arten von obrigkeit- lichen Anforderungen, die an den Einzelnen sich richten mögen. Wo etwas von ihm verlangt wird darüber hinaus, und wäre es auch wegen einer von ihm ausgehenden Störung, in Gebot oder Verbot, die Form ist gleichgültig, handelt es sich nicht mehr um Geltendmachung der allgemeinen Unterthanenpflicht, welche die Grundlage der Polizei bildet, gilt nicht mehr Polizeirecht 15. 14 Mit dieser Maſsgabe richtig: Rosin, Pol.Verord. S. 92: „aus dem Begriff der Polizei ist eine Einschränkung auf die Aufstellung von Verboten nicht zu ent- nehmen“. Dort wird der Fall angeführt, wo ein Angeklagter die Ungültigkeit einer die Teilnahme am Feuerlöschdienst befehlenden Polizeiverordnung daraus erweisen will, „daſs die Aufgabe der Polizei zunächst nur eine negative, hindernde, ver- bietende sei“. Der Mann hatte mit seiner Grundanschauung von der Polizeigewalt vollkommen Recht. Unrecht hatte er einmal, insofern er auf der Form des Ver- botes besteht; das „Negative“ kann auch in der Form des Gebotes erscheinen. Sodann aber auch insofern, als er glaubt, die Löschdienstpflicht könne überhaupt nicht mehr auferlegt werden, wenn sie nach richtiger Auffassung heutzutage nicht mehr polizeilicher Natur ist. Davon in der Lehre von der öffentlichen Last. 15 O.V.G. 16. Nov. 1877: Die Polizeibehörde findet im Interesse der Sicher- heit des Verkehres die Errichtung eines Zaunes an der Straſse notwendig und will die Angrenzer dazu zwingen. Miſsbilligung des Gerichts. Die Polizei kann nur an den „Wegebauverpflichteten sich halten“ oder, „um die Störung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit abzuwenden, die unmittelbaren Folgen einer solchen wieder zu beseitigen, an den Störer“; „nicht aber kann sie von einem Dritten die Her- stellung einer durch die veränderten Bedürfnisse des Verkehrs notwendig gewordenen Neuanlage fordern“. Da haben wir die drei Personen: der Störer ist polizeilich verpflichtet; der Dritte, d. h. der, von welchem die Störung nicht ausgeht, kann nicht in Anspruch genommen werden; der Wegebaupflichtige kann in Anspruch genommen werden, aber auf Grund der Wegelast und die ist nicht Polizei im heutigen Sinne. — Durch Polizeiverordnung der els.-lothr. Bezirkspräsi- denten war den Haushaltungsvorständen geboten worden, jeden Neuankommen-

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht01_1895/290>, abgerufen am 19.04.2024.