Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895.

Bild:
<< vorherige Seite
§ 2. Verwaltungsrecht und Verwaltungsrechtswissenschaft.

III. Wir fassen unsere Ausführungen zusammen: Verwaltung
ist Thätigkeit des Staates zur Verwirklichung seiner
Zwecke unter seiner Rechtsordnung
. Den Zusatz "ausser-
halb von Gesetzgebung und Justiz" können wir dabei wohl ent-
behren; das "unter seiner Rechtsordnung" ersetzt ihn. Denn in der
Gesetzgebung, wie wir sie verstanden, steht der Staat über seiner
Rechtsordnung; in der Justiz geschieht alles für die Rechtsordnung.
Das Verhältnis der Verwaltung zur Rechtsordnung, unter der sie
vor sich geht, ist ein freieres. Welcher Art es ist, das bildet gerade
unser erstes Problem.

Innerhalb der Verwaltung werden wieder Unterabteilungen ge-
macht; man unterscheidet Verwaltungszweige. Die Gruppen
sind zusammengefasst nach Rücksichten zweckmässiger Geschäftsver-
teilung. Die bekannte Fünfzahl der Ministerien: für Äusseres,
Krieg, Justiz, Finanzen, Inneres
giebt die Grundlinien.

Dabei haben die drei ersten Verwaltungszweige, wie schon der
Name sagt, das Eigentümliche, dass sie zum Kerne, um den sie sich
schliessen, jeweils eine bestimmte Art von Thätigkeit haben, die ihrer-
seits vom Begriff der Verwaltung ausgeschlossen ist; die entsprechende
Verwaltung ist immer nur, was dahinter und daneben geschieht.

Finanzverwaltung und Verwaltung des Inneren sind dem gegen-
über die reinen Verwaltungen.

Der Name Innere Verwaltung erklärt sich nur aus dem Gegensatz
zur Verwaltung des Äusseren und aus dem Selbständigwerden der
anderen Zweige. Auch ihre rechtliche Natur lässt sich nicht wohl
anders bestimmen, als dass sie eben Verwaltung ist und alles um-
fasst, was keinem der besonders ausgebildeten Verwaltungszweige
zugeteilt ist19.

§ 2.
Verwaltungsrecht und Verwaltungsrechtswissenschaft.

Verwaltungsrecht ist dem einfachen Wortsinne nach ein auf die
Verwaltung bezügliches, ihr zugehöriges Recht.

Recht setzt menschliche Machtverhältnisse voraus, die es ordnet,
Rechtssubjekte, welche sich gegenüber stehen und zwischen welchen
die Linie ihrer beiderseitigen Machtgrenzen gezogen werden soll.

19 So mit Recht Loening, V.R. S. 3. Man kann der Inneren Verwaltung ja
mancherlei Eigenschaften nachsagen; namentlich pflegt man gern gewisse Merkmale
aus der alten Polizeilehre herüber zu nehmen (v. Stein, V.Lehre II S. 46, ders.,
Handb. I S. 406 ff.; v. Stengel, V.R. S. 4; G. Meyer, V.R. I S. 70; Merkel,
Encyklopädie S. 184). Das nützt nichts und schadet nichts.
§ 2. Verwaltungsrecht und Verwaltungsrechtswissenschaft.

III. Wir fassen unsere Ausführungen zusammen: Verwaltung
ist Thätigkeit des Staates zur Verwirklichung seiner
Zwecke unter seiner Rechtsordnung
. Den Zusatz „auſser-
halb von Gesetzgebung und Justiz“ können wir dabei wohl ent-
behren; das „unter seiner Rechtsordnung“ ersetzt ihn. Denn in der
Gesetzgebung, wie wir sie verstanden, steht der Staat über seiner
Rechtsordnung; in der Justiz geschieht alles für die Rechtsordnung.
Das Verhältnis der Verwaltung zur Rechtsordnung, unter der sie
vor sich geht, ist ein freieres. Welcher Art es ist, das bildet gerade
unser erstes Problem.

Innerhalb der Verwaltung werden wieder Unterabteilungen ge-
macht; man unterscheidet Verwaltungszweige. Die Gruppen
sind zusammengefaſst nach Rücksichten zweckmäſsiger Geschäftsver-
teilung. Die bekannte Fünfzahl der Ministerien: für Äuſseres,
Krieg, Justiz, Finanzen, Inneres
giebt die Grundlinien.

Dabei haben die drei ersten Verwaltungszweige, wie schon der
Name sagt, das Eigentümliche, daſs sie zum Kerne, um den sie sich
schlieſsen, jeweils eine bestimmte Art von Thätigkeit haben, die ihrer-
seits vom Begriff der Verwaltung ausgeschlossen ist; die entsprechende
Verwaltung ist immer nur, was dahinter und daneben geschieht.

Finanzverwaltung und Verwaltung des Inneren sind dem gegen-
über die reinen Verwaltungen.

Der Name Innere Verwaltung erklärt sich nur aus dem Gegensatz
zur Verwaltung des Äuſseren und aus dem Selbständigwerden der
anderen Zweige. Auch ihre rechtliche Natur läſst sich nicht wohl
anders bestimmen, als daſs sie eben Verwaltung ist und alles um-
faſst, was keinem der besonders ausgebildeten Verwaltungszweige
zugeteilt ist19.

§ 2.
Verwaltungsrecht und Verwaltungsrechtswissenschaft.

Verwaltungsrecht ist dem einfachen Wortsinne nach ein auf die
Verwaltung bezügliches, ihr zugehöriges Recht.

Recht setzt menschliche Machtverhältnisse voraus, die es ordnet,
Rechtssubjekte, welche sich gegenüber stehen und zwischen welchen
die Linie ihrer beiderseitigen Machtgrenzen gezogen werden soll.

19 So mit Recht Loening, V.R. S. 3. Man kann der Inneren Verwaltung ja
mancherlei Eigenschaften nachsagen; namentlich pflegt man gern gewisse Merkmale
aus der alten Polizeilehre herüber zu nehmen (v. Stein, V.Lehre II S. 46, ders.,
Handb. I S. 406 ff.; v. Stengel, V.R. S. 4; G. Meyer, V.R. I S. 70; Merkel,
Encyklopädie S. 184). Das nützt nichts und schadet nichts.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0033" n="13"/>
          <fw place="top" type="header">§ 2. Verwaltungsrecht und Verwaltungsrechtswissenschaft.</fw><lb/>
          <p>III. Wir fassen unsere Ausführungen zusammen: <hi rendition="#g">Verwaltung<lb/>
ist Thätigkeit des Staates zur Verwirklichung seiner<lb/>
Zwecke unter seiner Rechtsordnung</hi>. Den Zusatz &#x201E;au&#x017F;ser-<lb/>
halb von Gesetzgebung und Justiz&#x201C; können wir dabei wohl ent-<lb/>
behren; das &#x201E;unter seiner Rechtsordnung&#x201C; ersetzt ihn. Denn in der<lb/>
Gesetzgebung, wie wir sie verstanden, steht der Staat <hi rendition="#g">über</hi> seiner<lb/>
Rechtsordnung; in der Justiz geschieht alles <hi rendition="#g">für</hi> die Rechtsordnung.<lb/>
Das Verhältnis der Verwaltung zur Rechtsordnung, <hi rendition="#g">unter</hi> der sie<lb/>
vor sich geht, ist ein freieres. Welcher Art es ist, das bildet gerade<lb/>
unser erstes Problem.</p><lb/>
          <p>Innerhalb der Verwaltung werden wieder Unterabteilungen ge-<lb/>
macht; man unterscheidet <hi rendition="#g">Verwaltungszweige</hi>. Die Gruppen<lb/>
sind zusammengefa&#x017F;st nach Rücksichten zweckmä&#x017F;siger Geschäftsver-<lb/>
teilung. Die bekannte Fünfzahl der Ministerien: für <hi rendition="#g">Äu&#x017F;seres,<lb/>
Krieg, Justiz, Finanzen, Inneres</hi> giebt die Grundlinien.</p><lb/>
          <p>Dabei haben die drei ersten Verwaltungszweige, wie schon der<lb/>
Name sagt, das Eigentümliche, da&#x017F;s sie zum Kerne, um den sie sich<lb/>
schlie&#x017F;sen, jeweils eine bestimmte Art von Thätigkeit haben, die ihrer-<lb/>
seits vom Begriff der Verwaltung ausgeschlossen ist; die entsprechende<lb/>
Verwaltung ist immer nur, was dahinter und daneben geschieht.</p><lb/>
          <p>Finanzverwaltung und Verwaltung des Inneren sind dem gegen-<lb/>
über die <hi rendition="#g">reinen</hi> Verwaltungen.</p><lb/>
          <p>Der Name Innere Verwaltung erklärt sich nur aus dem Gegensatz<lb/>
zur Verwaltung des Äu&#x017F;seren und aus dem Selbständigwerden der<lb/>
anderen Zweige. Auch ihre rechtliche Natur lä&#x017F;st sich nicht wohl<lb/>
anders bestimmen, als da&#x017F;s sie eben Verwaltung ist und alles um-<lb/>
fa&#x017F;st, was keinem der besonders ausgebildeten Verwaltungszweige<lb/>
zugeteilt ist<note place="foot" n="19">So mit Recht <hi rendition="#g">Loening,</hi> V.R. S. 3. Man kann der Inneren Verwaltung ja<lb/>
mancherlei Eigenschaften nachsagen; namentlich pflegt man gern gewisse Merkmale<lb/>
aus der alten Polizeilehre herüber zu nehmen (v. <hi rendition="#g">Stein,</hi> V.Lehre II S. 46, ders.,<lb/>
Handb. I S. 406 ff.; v. <hi rendition="#g">Stengel,</hi> V.R. S. 4; G. <hi rendition="#g">Meyer,</hi> V.R. I S. 70; <hi rendition="#g">Merkel,</hi><lb/>
Encyklopädie S. 184). Das nützt nichts und schadet nichts.</note>.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>§ 2.<lb/><hi rendition="#b">Verwaltungsrecht und Verwaltungsrechtswissenschaft.</hi></head><lb/>
          <p>Verwaltungsrecht ist dem einfachen Wortsinne nach ein auf die<lb/>
Verwaltung bezügliches, ihr zugehöriges Recht.</p><lb/>
          <p>Recht setzt menschliche Machtverhältnisse voraus, die es ordnet,<lb/>
Rechtssubjekte, welche sich gegenüber stehen und zwischen welchen<lb/>
die Linie ihrer beiderseitigen Machtgrenzen gezogen werden soll.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[13/0033] § 2. Verwaltungsrecht und Verwaltungsrechtswissenschaft. III. Wir fassen unsere Ausführungen zusammen: Verwaltung ist Thätigkeit des Staates zur Verwirklichung seiner Zwecke unter seiner Rechtsordnung. Den Zusatz „auſser- halb von Gesetzgebung und Justiz“ können wir dabei wohl ent- behren; das „unter seiner Rechtsordnung“ ersetzt ihn. Denn in der Gesetzgebung, wie wir sie verstanden, steht der Staat über seiner Rechtsordnung; in der Justiz geschieht alles für die Rechtsordnung. Das Verhältnis der Verwaltung zur Rechtsordnung, unter der sie vor sich geht, ist ein freieres. Welcher Art es ist, das bildet gerade unser erstes Problem. Innerhalb der Verwaltung werden wieder Unterabteilungen ge- macht; man unterscheidet Verwaltungszweige. Die Gruppen sind zusammengefaſst nach Rücksichten zweckmäſsiger Geschäftsver- teilung. Die bekannte Fünfzahl der Ministerien: für Äuſseres, Krieg, Justiz, Finanzen, Inneres giebt die Grundlinien. Dabei haben die drei ersten Verwaltungszweige, wie schon der Name sagt, das Eigentümliche, daſs sie zum Kerne, um den sie sich schlieſsen, jeweils eine bestimmte Art von Thätigkeit haben, die ihrer- seits vom Begriff der Verwaltung ausgeschlossen ist; die entsprechende Verwaltung ist immer nur, was dahinter und daneben geschieht. Finanzverwaltung und Verwaltung des Inneren sind dem gegen- über die reinen Verwaltungen. Der Name Innere Verwaltung erklärt sich nur aus dem Gegensatz zur Verwaltung des Äuſseren und aus dem Selbständigwerden der anderen Zweige. Auch ihre rechtliche Natur läſst sich nicht wohl anders bestimmen, als daſs sie eben Verwaltung ist und alles um- faſst, was keinem der besonders ausgebildeten Verwaltungszweige zugeteilt ist 19. § 2. Verwaltungsrecht und Verwaltungsrechtswissenschaft. Verwaltungsrecht ist dem einfachen Wortsinne nach ein auf die Verwaltung bezügliches, ihr zugehöriges Recht. Recht setzt menschliche Machtverhältnisse voraus, die es ordnet, Rechtssubjekte, welche sich gegenüber stehen und zwischen welchen die Linie ihrer beiderseitigen Machtgrenzen gezogen werden soll. 19 So mit Recht Loening, V.R. S. 3. Man kann der Inneren Verwaltung ja mancherlei Eigenschaften nachsagen; namentlich pflegt man gern gewisse Merkmale aus der alten Polizeilehre herüber zu nehmen (v. Stein, V.Lehre II S. 46, ders., Handb. I S. 406 ff.; v. Stengel, V.R. S. 4; G. Meyer, V.R. I S. 70; Merkel, Encyklopädie S. 184). Das nützt nichts und schadet nichts.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht01_1895
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht01_1895/33
Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht01_1895/33>, abgerufen am 23.04.2024.