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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895.

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§ 27. Die Steuerauflage.

Es ist aber leicht zu erkennen, dass die Sache ganz anders liegt.
In dem gesetzlichen Befehl, zu einem gewissen Akte Stempel von
einem gewissen Wertbetrage zu verwenden, ist eine Steuerauflage ent-
halten. Steuerpflichtig ist derjenige, der den bezeichneten Akt vor-
nimmt. Die Verwendung des Stempels ist die Steuerentrichtung. Der
Stempel ist gesetzliches Zahlungsmittel für diesen Zweck21.

Das Wort Zahlungsmittel ist eigentlich nicht ganz entsprechend.
Der Stempel wird nicht vom Schuldner dem Gläubiger oder überhaupt
irgend jemandem für ihn zum Zweck der Zahlung gegeben. Er wird
nur unbrauchbar gemacht für seinen Zweck, d. h. unbrauchbar, zur
Versteuerung eines solchen Aktes noch einmal zu dienen. Das wird
durch Beschreiben, Durchkreuzen, Aufkleben, Kassieren des Stempels
erreicht. In solcher Vernichtung des Stempels liegt aber jedesmal
eine Bereicherung des Staates um den ganzen Stempelbetrag. Denn
durch den Verkauf der Stempel hat er sich in die Lage gesetzt,
für seine entfallenden Steuerforderungen die ganz wertlose Vernichtung
dieser Papierstücke als Tilgung annehmen zu müssen. Jedes Stück,
das verschwindet, macht den entsprechenden Betrag der künftigen
Steuerforderungen wieder frei und deckungsbedürftig und führt dem
Staat den Kaufpreis für das notwendige Deckungsmittel wieder zu.
Die Erfindung des Stempelsystems giebt durch den Zusammenhang
der ganzen Veranstaltung ein Mittel, den Stempelverkäufer mit der
einseitigen Vornahme der Stempelvernichtung um den auf dem Stempel
angegebenen Betrag zu bereichern. Der Staat nimmt und verlangt
zur Entrichtung der Stempelsteuer eine solche Bereicherung an Zahlungs-
statt. Das ist die Natur des Rechtsvorganges22.

dahin gebracht haben werden, dass Kauf und Steuererhebung sich reimen, dann
wird vieles sehr vereinfacht sein.
21 Jacob in Wörterbuch II S. 544.
22 Der in der Stempelsteuer zum Ausdruck gekommene Gedanke hat seine
Seitenstücke im Civilrecht. Die Ablieferung eines Theater-Dutzend-Billets behufs
der Vernichtung des wertlosen Zettels hat keine andere Natur. Im öffentlichen
Recht findet er fast in derselben Gestalt wie bei den Stempelsteuern auch ausser-
halb der Steuer Verwendung, z. B. bei der Invaliditäts- und Altersversicherung.
Auch die Briefmarke hat Verwandtschaft. -- Die Stempelsteuer hat ihr Haupt-
gebiet thatsächlich an solchen Steuern, welche an Schriftstücke oder Drucksachen
anknüpfen; in Deutschland finden wir sie nur bei solchen. Es wäre aber ein Irr-
tum, anzunehmen, dass eine Urkunde oder Drucksache als Steuergegenstand wesent-
lich sei für diese Erhebungsart; G. Meyer, V.R. II S. 187; Schaal in Schoen-
berg, Handbuch II S. 89. Ein Beispiel bietet die russische Tabaksteuer nach dem
Banderolesystem. Der Staat verkauft gestempelte Papierstreifen, mit welchen
die Ware umwickelt werden muss, wenn sie feilgehalten wird. In der Zerreissung
des Streifens durch den Verkäufer liegt die Steuerentrichtung.
§ 27. Die Steuerauflage.

Es ist aber leicht zu erkennen, daſs die Sache ganz anders liegt.
In dem gesetzlichen Befehl, zu einem gewissen Akte Stempel von
einem gewissen Wertbetrage zu verwenden, ist eine Steuerauflage ent-
halten. Steuerpflichtig ist derjenige, der den bezeichneten Akt vor-
nimmt. Die Verwendung des Stempels ist die Steuerentrichtung. Der
Stempel ist gesetzliches Zahlungsmittel für diesen Zweck21.

Das Wort Zahlungsmittel ist eigentlich nicht ganz entsprechend.
Der Stempel wird nicht vom Schuldner dem Gläubiger oder überhaupt
irgend jemandem für ihn zum Zweck der Zahlung gegeben. Er wird
nur unbrauchbar gemacht für seinen Zweck, d. h. unbrauchbar, zur
Versteuerung eines solchen Aktes noch einmal zu dienen. Das wird
durch Beschreiben, Durchkreuzen, Aufkleben, Kassieren des Stempels
erreicht. In solcher Vernichtung des Stempels liegt aber jedesmal
eine Bereicherung des Staates um den ganzen Stempelbetrag. Denn
durch den Verkauf der Stempel hat er sich in die Lage gesetzt,
für seine entfallenden Steuerforderungen die ganz wertlose Vernichtung
dieser Papierstücke als Tilgung annehmen zu müssen. Jedes Stück,
das verschwindet, macht den entsprechenden Betrag der künftigen
Steuerforderungen wieder frei und deckungsbedürftig und führt dem
Staat den Kaufpreis für das notwendige Deckungsmittel wieder zu.
Die Erfindung des Stempelsystems giebt durch den Zusammenhang
der ganzen Veranstaltung ein Mittel, den Stempelverkäufer mit der
einseitigen Vornahme der Stempelvernichtung um den auf dem Stempel
angegebenen Betrag zu bereichern. Der Staat nimmt und verlangt
zur Entrichtung der Stempelsteuer eine solche Bereicherung an Zahlungs-
statt. Das ist die Natur des Rechtsvorganges22.

dahin gebracht haben werden, daſs Kauf und Steuererhebung sich reimen, dann
wird vieles sehr vereinfacht sein.
21 Jacob in Wörterbuch II S. 544.
22 Der in der Stempelsteuer zum Ausdruck gekommene Gedanke hat seine
Seitenstücke im Civilrecht. Die Ablieferung eines Theater-Dutzend-Billets behufs
der Vernichtung des wertlosen Zettels hat keine andere Natur. Im öffentlichen
Recht findet er fast in derselben Gestalt wie bei den Stempelsteuern auch auſser-
halb der Steuer Verwendung, z. B. bei der Invaliditäts- und Altersversicherung.
Auch die Briefmarke hat Verwandtschaft. — Die Stempelsteuer hat ihr Haupt-
gebiet thatsächlich an solchen Steuern, welche an Schriftstücke oder Drucksachen
anknüpfen; in Deutschland finden wir sie nur bei solchen. Es wäre aber ein Irr-
tum, anzunehmen, daſs eine Urkunde oder Drucksache als Steuergegenstand wesent-
lich sei für diese Erhebungsart; G. Meyer, V.R. II S. 187; Schaal in Schoen-
berg, Handbuch II S. 89. Ein Beispiel bietet die russische Tabaksteuer nach dem
Banderolesystem. Der Staat verkauft gestempelte Papierstreifen, mit welchen
die Ware umwickelt werden muſs, wenn sie feilgehalten wird. In der Zerreiſsung
des Streifens durch den Verkäufer liegt die Steuerentrichtung.
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[405/0425] § 27. Die Steuerauflage. Es ist aber leicht zu erkennen, daſs die Sache ganz anders liegt. In dem gesetzlichen Befehl, zu einem gewissen Akte Stempel von einem gewissen Wertbetrage zu verwenden, ist eine Steuerauflage ent- halten. Steuerpflichtig ist derjenige, der den bezeichneten Akt vor- nimmt. Die Verwendung des Stempels ist die Steuerentrichtung. Der Stempel ist gesetzliches Zahlungsmittel für diesen Zweck 21. Das Wort Zahlungsmittel ist eigentlich nicht ganz entsprechend. Der Stempel wird nicht vom Schuldner dem Gläubiger oder überhaupt irgend jemandem für ihn zum Zweck der Zahlung gegeben. Er wird nur unbrauchbar gemacht für seinen Zweck, d. h. unbrauchbar, zur Versteuerung eines solchen Aktes noch einmal zu dienen. Das wird durch Beschreiben, Durchkreuzen, Aufkleben, Kassieren des Stempels erreicht. In solcher Vernichtung des Stempels liegt aber jedesmal eine Bereicherung des Staates um den ganzen Stempelbetrag. Denn durch den Verkauf der Stempel hat er sich in die Lage gesetzt, für seine entfallenden Steuerforderungen die ganz wertlose Vernichtung dieser Papierstücke als Tilgung annehmen zu müssen. Jedes Stück, das verschwindet, macht den entsprechenden Betrag der künftigen Steuerforderungen wieder frei und deckungsbedürftig und führt dem Staat den Kaufpreis für das notwendige Deckungsmittel wieder zu. Die Erfindung des Stempelsystems giebt durch den Zusammenhang der ganzen Veranstaltung ein Mittel, den Stempelverkäufer mit der einseitigen Vornahme der Stempelvernichtung um den auf dem Stempel angegebenen Betrag zu bereichern. Der Staat nimmt und verlangt zur Entrichtung der Stempelsteuer eine solche Bereicherung an Zahlungs- statt. Das ist die Natur des Rechtsvorganges 22. 20 21 Jacob in Wörterbuch II S. 544. 22 Der in der Stempelsteuer zum Ausdruck gekommene Gedanke hat seine Seitenstücke im Civilrecht. Die Ablieferung eines Theater-Dutzend-Billets behufs der Vernichtung des wertlosen Zettels hat keine andere Natur. Im öffentlichen Recht findet er fast in derselben Gestalt wie bei den Stempelsteuern auch auſser- halb der Steuer Verwendung, z. B. bei der Invaliditäts- und Altersversicherung. Auch die Briefmarke hat Verwandtschaft. — Die Stempelsteuer hat ihr Haupt- gebiet thatsächlich an solchen Steuern, welche an Schriftstücke oder Drucksachen anknüpfen; in Deutschland finden wir sie nur bei solchen. Es wäre aber ein Irr- tum, anzunehmen, daſs eine Urkunde oder Drucksache als Steuergegenstand wesent- lich sei für diese Erhebungsart; G. Meyer, V.R. II S. 187; Schaal in Schoen- berg, Handbuch II S. 89. Ein Beispiel bietet die russische Tabaksteuer nach dem Banderolesystem. Der Staat verkauft gestempelte Papierstreifen, mit welchen die Ware umwickelt werden muſs, wenn sie feilgehalten wird. In der Zerreiſsung des Streifens durch den Verkäufer liegt die Steuerentrichtung. 20 dahin gebracht haben werden, daſs Kauf und Steuererhebung sich reimen, dann wird vieles sehr vereinfacht sein.

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895, S. 405. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht01_1895/425>, abgerufen am 18.04.2024.