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Meinhold, Wilhelm: Maria Schweidler die Bernsteinhexe. Berlin, 1843.

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gen und sich dorten in der Sehe gebadet, dieweil es eine
große Hitze gewest und sie Niemand nit gesehen. Könnte
doch Sr. Majestät nun morgen, wie sie kurzweilig fort¬
fuhre, duppelt als eine reine Jungfer unter die Augen
treten. Mir gefiel solches gleich nicht, und sahe ich ehr¬
bar aus doch sagete ich Nichtes.

Am andern Morgen ware das Volk schon umb 6 Uh¬
ren umb den Hühnenstein, Männer, Weiber, Kinder,
Summa: was nur gehen kunnte, das hatte sich einge¬
funden. Auch war mein Töchterlein schon umb 8 Uh¬
ren ganz in ihrem Schmuck, nämblich eim blau seidin
Kleid, gelbem Schurzfleck, gelbem Tüchlein und einer gel¬
ben Haarhauben, so genetzet ware, und worauf sie das
Kränzlein von blau und gelben Blümeken setzte. Wäh¬
rete nit lange so war mein Junker auch wieder da, gleich¬
falls sauber und ausstaffiret, wie eim Edelmann zuste¬
het. Hätte doch Kundschaft einziehen wöllen, wannen¬
her ich mit meinem Töchterlein nach dem Stein ginge,
angesehen sein Herr Vater, Hans von Nienkerken item
Wittich Appelmann wie die Lepels vom Gnitze auch noch
kämen, auch viel Volks überall auf der Landstraßen lief,
als wenn es heute allhie Jahrmarkt hätte. Aber ich
sahe sogleich, daß es ihme nur umb die Jungfer zu thun
war, anerwogen er gleich wieder sein Wesen mit ihr
hatte, und alsofort auch das lateinische Geschwätze, an¬
hub. Sie mußte ihm ihr Carmen an Se. Majestät
aufsagen, worauf er den König fürstellend, ihr antwor¬
tete: dulcissima et venustissima puella, quae mihi

gen und ſich dorten in der Sehe gebadet, dieweil es eine
große Hitze geweſt und ſie Niemand nit geſehen. Könnte
doch Sr. Majeſtät nun morgen, wie ſie kurzweilig fort¬
fuhre, duppelt als eine reine Jungfer unter die Augen
treten. Mir gefiel ſolches gleich nicht, und ſahe ich ehr¬
bar aus doch ſagete ich Nichtes.

Am andern Morgen ware das Volk ſchon umb 6 Uh¬
ren umb den Hühnenſtein, Männer, Weiber, Kinder,
Summa: was nur gehen kunnte, das hatte ſich einge¬
funden. Auch war mein Töchterlein ſchon umb 8 Uh¬
ren ganz in ihrem Schmuck, nämblich eim blau ſeidin
Kleid, gelbem Schurzfleck, gelbem Tüchlein und einer gel¬
ben Haarhauben, ſo genetzet ware, und worauf ſie das
Kränzlein von blau und gelben Blümeken ſetzte. Wäh¬
rete nit lange ſo war mein Junker auch wieder da, gleich¬
falls ſauber und ausſtaffiret, wie eim Edelmann zuſte¬
het. Hätte doch Kundſchaft einziehen wöllen, wannen¬
her ich mit meinem Töchterlein nach dem Stein ginge,
angeſehen ſein Herr Vater, Hans von Nienkerken item
Wittich Appelmann wie die Lepels vom Gnitze auch noch
kämen, auch viel Volks überall auf der Landſtraßen lief,
als wenn es heute allhie Jahrmarkt hätte. Aber ich
ſahe ſogleich, daß es ihme nur umb die Jungfer zu thun
war, anerwogen er gleich wieder ſein Weſen mit ihr
hatte, und alſofort auch das lateiniſche Geſchwätze, an¬
hub. Sie mußte ihm ihr Carmen an Se. Majeſtät
aufſagen, worauf er den König fürſtellend, ihr antwor¬
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[107/0123] gen und ſich dorten in der Sehe gebadet, dieweil es eine große Hitze geweſt und ſie Niemand nit geſehen. Könnte doch Sr. Majeſtät nun morgen, wie ſie kurzweilig fort¬ fuhre, duppelt als eine reine Jungfer unter die Augen treten. Mir gefiel ſolches gleich nicht, und ſahe ich ehr¬ bar aus doch ſagete ich Nichtes. Am andern Morgen ware das Volk ſchon umb 6 Uh¬ ren umb den Hühnenſtein, Männer, Weiber, Kinder, Summa: was nur gehen kunnte, das hatte ſich einge¬ funden. Auch war mein Töchterlein ſchon umb 8 Uh¬ ren ganz in ihrem Schmuck, nämblich eim blau ſeidin Kleid, gelbem Schurzfleck, gelbem Tüchlein und einer gel¬ ben Haarhauben, ſo genetzet ware, und worauf ſie das Kränzlein von blau und gelben Blümeken ſetzte. Wäh¬ rete nit lange ſo war mein Junker auch wieder da, gleich¬ falls ſauber und ausſtaffiret, wie eim Edelmann zuſte¬ het. Hätte doch Kundſchaft einziehen wöllen, wannen¬ her ich mit meinem Töchterlein nach dem Stein ginge, angeſehen ſein Herr Vater, Hans von Nienkerken item Wittich Appelmann wie die Lepels vom Gnitze auch noch kämen, auch viel Volks überall auf der Landſtraßen lief, als wenn es heute allhie Jahrmarkt hätte. Aber ich ſahe ſogleich, daß es ihme nur umb die Jungfer zu thun war, anerwogen er gleich wieder ſein Weſen mit ihr hatte, und alſofort auch das lateiniſche Geſchwätze, an¬ hub. Sie mußte ihm ihr Carmen an Se. Majeſtät aufſagen, worauf er den König fürſtellend, ihr antwor¬ tete: dulcissima et venustissima puella, quae mihi

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Zitationshilfe: Meinhold, Wilhelm: Maria Schweidler die Bernsteinhexe. Berlin, 1843, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meinhold_bernsteinhexe_1843/123>, abgerufen am 16.04.2024.