Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Meinhold, Wilhelm: Maria Schweidler die Bernsteinhexe. Berlin, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

herbei, und stellete ihr für: daß sie morgen frühe zu gu¬
ter Zeit sich nach der Liepen aufmachen möchte, dieweil
es dorten noch zu essen hätte, und sie hier verhungern
würd, angesehen wir selber vielleicht schon morgen den
Kapsel und das Land verlaufen würden. Dankete ihr
auch für ihre bewiesene Liebe und Treue, und bate sie
endlich unter lautem Schluchzen meiner armen Tochter,
sie wölle lieber nur sogleich heimblich hinweggehen, und
uns beiden nicht das Herze durch ihren Abschied noch
schwerer machen, angesehen der alte Paassch die Nacht
auf dem Achterwasser wöllte fischen ziehen, wie er mir
gesaget, und sie gewis gerne in Grüßow an das Land
setzete, wo sie ja auch ihre Freundschaft hätte, und sich
noch heute satt essen könnte. Aber sie kunnte vor vie¬
lem Weinen kein Wörtlein herfürbringen; doch da sie
sahe, daß es mein Ernst war, ging sie aus der Stu¬
ben. Nit lange darauf hörten wir auch die Hausthüre
zuklinken, worauf mein Töchterlein wimmerte: sie geht
schon und flugs an das Fenster rannte, ihr nachzuschauen
"Ja, schrie sie", als sie durch die Scheiblein geblicket,
"sie geht schon!" und rang die Hände und wollte sich
nit trösten lassen. Endiglichen gab sie sich doch, als ich
auf die Magd Hagar kam so Abraham auch verstoßen,
und deren gleichwohl der Herr sich in der Wüsten er¬
barmet und darauf befahlen wir uns dem Herrn, und
streckten uns auf unser Mooslager.


herbei, und ſtellete ihr für: daß ſie morgen frühe zu gu¬
ter Zeit ſich nach der Liepen aufmachen möchte, dieweil
es dorten noch zu eſſen hätte, und ſie hier verhungern
würd, angeſehen wir ſelber vielleicht ſchon morgen den
Kapſel und das Land verlaufen würden. Dankete ihr
auch für ihre bewieſene Liebe und Treue, und bate ſie
endlich unter lautem Schluchzen meiner armen Tochter,
ſie wölle lieber nur ſogleich heimblich hinweggehen, und
uns beiden nicht das Herze durch ihren Abſchied noch
ſchwerer machen, angeſehen der alte Paaſsch die Nacht
auf dem Achterwaſſer wöllte fiſchen ziehen, wie er mir
geſaget, und ſie gewis gerne in Grüßow an das Land
ſetzete, wo ſie ja auch ihre Freundſchaft hätte, und ſich
noch heute ſatt eſſen könnte. Aber ſie kunnte vor vie¬
lem Weinen kein Wörtlein herfürbringen; doch da ſie
ſahe, daß es mein Ernſt war, ging ſie aus der Stu¬
ben. Nit lange darauf hörten wir auch die Hausthüre
zuklinken, worauf mein Töchterlein wimmerte: ſie geht
ſchon und flugs an das Fenſter rannte, ihr nachzuſchauen
„Ja, ſchrie ſie“, als ſie durch die Scheiblein geblicket,
„ſie geht ſchon!“ und rang die Hände und wollte ſich
nit tröſten laſſen. Endiglichen gab ſie ſich doch, als ich
auf die Magd Hagar kam ſo Abraham auch verſtoßen,
und deren gleichwohl der Herr ſich in der Wüſten er¬
barmet und darauf befahlen wir uns dem Herrn, und
ſtreckten uns auf unſer Mooslager.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0058" n="42"/>
herbei, und &#x017F;tellete ihr für: daß &#x017F;ie morgen frühe zu gu¬<lb/>
ter Zeit &#x017F;ich nach der Liepen aufmachen möchte, dieweil<lb/>
es dorten noch zu e&#x017F;&#x017F;en hätte, und &#x017F;ie hier verhungern<lb/>
würd, ange&#x017F;ehen wir &#x017F;elber vielleicht &#x017F;chon morgen den<lb/>
Kap&#x017F;el und das Land verlaufen würden. Dankete ihr<lb/>
auch für ihre bewie&#x017F;ene Liebe und Treue, und bate &#x017F;ie<lb/>
endlich unter lautem Schluchzen meiner armen Tochter,<lb/>
&#x017F;ie wölle lieber nur &#x017F;ogleich heimblich hinweggehen, und<lb/>
uns beiden nicht das Herze durch ihren Ab&#x017F;chied noch<lb/>
&#x017F;chwerer machen, ange&#x017F;ehen der alte Paa&#x017F;sch die Nacht<lb/>
auf dem Achterwa&#x017F;&#x017F;er wöllte fi&#x017F;chen ziehen, wie er mir<lb/>
ge&#x017F;aget, und &#x017F;ie gewis gerne in Grüßow an das Land<lb/>
&#x017F;etzete, wo &#x017F;ie ja auch ihre Freund&#x017F;chaft hätte, und &#x017F;ich<lb/>
noch heute &#x017F;att e&#x017F;&#x017F;en könnte. Aber &#x017F;ie kunnte vor vie¬<lb/>
lem Weinen kein Wörtlein herfürbringen; doch da &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;ahe, daß es mein Ern&#x017F;t war, ging &#x017F;ie aus der Stu¬<lb/>
ben. Nit lange darauf hörten wir auch die Hausthüre<lb/>
zuklinken, worauf mein Töchterlein wimmerte: &#x017F;ie geht<lb/>
&#x017F;chon und flugs an das Fen&#x017F;ter rannte, ihr nachzu&#x017F;chauen<lb/>
&#x201E;Ja, &#x017F;chrie &#x017F;ie&#x201C;, als &#x017F;ie durch die Scheiblein geblicket,<lb/>
&#x201E;&#x017F;ie geht &#x017F;chon!&#x201C; und rang die Hände und wollte &#x017F;ich<lb/>
nit trö&#x017F;ten la&#x017F;&#x017F;en. Endiglichen gab &#x017F;ie &#x017F;ich doch, als ich<lb/>
auf die Magd Hagar kam &#x017F;o Abraham auch ver&#x017F;toßen,<lb/>
und deren gleichwohl der Herr &#x017F;ich in der Wü&#x017F;ten er¬<lb/>
barmet und darauf befahlen wir uns dem Herrn, und<lb/>
&#x017F;treckten uns auf un&#x017F;er Mooslager.</p><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[42/0058] herbei, und ſtellete ihr für: daß ſie morgen frühe zu gu¬ ter Zeit ſich nach der Liepen aufmachen möchte, dieweil es dorten noch zu eſſen hätte, und ſie hier verhungern würd, angeſehen wir ſelber vielleicht ſchon morgen den Kapſel und das Land verlaufen würden. Dankete ihr auch für ihre bewieſene Liebe und Treue, und bate ſie endlich unter lautem Schluchzen meiner armen Tochter, ſie wölle lieber nur ſogleich heimblich hinweggehen, und uns beiden nicht das Herze durch ihren Abſchied noch ſchwerer machen, angeſehen der alte Paaſsch die Nacht auf dem Achterwaſſer wöllte fiſchen ziehen, wie er mir geſaget, und ſie gewis gerne in Grüßow an das Land ſetzete, wo ſie ja auch ihre Freundſchaft hätte, und ſich noch heute ſatt eſſen könnte. Aber ſie kunnte vor vie¬ lem Weinen kein Wörtlein herfürbringen; doch da ſie ſahe, daß es mein Ernſt war, ging ſie aus der Stu¬ ben. Nit lange darauf hörten wir auch die Hausthüre zuklinken, worauf mein Töchterlein wimmerte: ſie geht ſchon und flugs an das Fenſter rannte, ihr nachzuſchauen „Ja, ſchrie ſie“, als ſie durch die Scheiblein geblicket, „ſie geht ſchon!“ und rang die Hände und wollte ſich nit tröſten laſſen. Endiglichen gab ſie ſich doch, als ich auf die Magd Hagar kam ſo Abraham auch verſtoßen, und deren gleichwohl der Herr ſich in der Wüſten er¬ barmet und darauf befahlen wir uns dem Herrn, und ſtreckten uns auf unſer Mooslager.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/meinhold_bernsteinhexe_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/meinhold_bernsteinhexe_1843/58
Zitationshilfe: Meinhold, Wilhelm: Maria Schweidler die Bernsteinhexe. Berlin, 1843, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meinhold_bernsteinhexe_1843/58>, abgerufen am 25.04.2024.