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Meisel-Heß, Grete: Weiberhaß und Weiberverachtung. Eine Erwiderung auf die in Dr. Otto Weiningers Buche »Geschlecht und Charakter« geäußerten Anschauungen über »Die Frau und ihre Frage«. Wien, 1904.

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sich Raum verschafft haben, auch die Frauen - oft mit
wenig Talent, oft aber auch mit geradezu elementarem
Talent und wahrhaft unerschrockenem Mut - sich daran
beteiligt haben, daß gerade über diesen Gegenstand von
Seite von Ärztinnen, Dichterinnen, Sozialreformerinnen und
Nationalökonominnen bereits eine kleine Literatur vorliegt,
scheint er gar nicht zu wissen.

Ebenso fest fundiert ist auch die andere Antwort, die
auf die Frage, woher die Möglichkeit solcher Enthüllungen
dem Manne kommen solle, gegeben wird: aus dem, was in
den Männern selbst an "W" ist!

Nun, gerade über das Phänomen der Schwangerschaft
dürfte sich von diesem "W" (im "M") kaum Verläßliches
aussagen lassen!

Und auf Grund dieses erbrachten "Befähigungsnachweises"
wird nun in der Tat "ausgesagt".

Vor allem wird der "psychologische Unterschied
zwischen M und W" nach weitschweifigen Auseinandersetzungen
über deren physiologische "Unterschiede" -
kurz und bündig, ohne Beweise, wohl aber mit einer Fülle
falscher Behauptungen - damit erklärt, W gehe vollständig
im Geschlechtsleben, "in der Sphäre der Begattung" auf,
während M noch für eine Menge anderer Dinge Interesse
habe: "für Kampf und Spiel, Geselligkeit und Gelage, Diskussion
und Wissenschaft, Geschäft und Politik, Religion
und Kunst."

So?! Nur "M" hat für diese Dinge Interesse?! Und
wenn ich als Frau (mit tausenden anderen Frauen) auf
diese kühne Behauptung, die allein die Trägerin der These
sein soll, W sei ganz und gar Sexualität und sonst nichts,
- wenn ich nun daherkomme - und aussage und beweise,
daß ich ebenfalls "ausgefüllt und eingenommen bin" von
all diesen Dingen, ja gerade von diesen Dingen, von

sich Raum verschafft haben, auch die Frauen – oft mit
wenig Talent, oft aber auch mit geradezu elementarem
Talent und wahrhaft unerschrockenem Mut – sich daran
beteiligt haben, daß gerade über diesen Gegenstand von
Seite von Ärztinnen, Dichterinnen, Sozialreformerinnen und
Nationalökonominnen bereits eine kleine Literatur vorliegt,
scheint er gar nicht zu wissen.

Ebenso fest fundiert ist auch die andere Antwort, die
auf die Frage, woher die Möglichkeit solcher Enthüllungen
dem Manne kommen solle, gegeben wird: aus dem, was in
den Männern selbst an »W« ist!

Nun, gerade über das Phänomen der Schwangerschaft
dürfte sich von diesem »W« (im »M«) kaum Verläßliches
aussagen lassen!

Und auf Grund dieses erbrachten »Befähigungsnachweises«
wird nun in der Tat »ausgesagt«.

Vor allem wird der »psychologische Unterschied
zwischen M und W« nach weitschweifigen Auseinandersetzungen
über deren physiologische »Unterschiede« –
kurz und bündig, ohne Beweise, wohl aber mit einer Fülle
falscher Behauptungen – damit erklärt, W gehe vollständig
im Geschlechtsleben, »in der Sphäre der Begattung« auf,
während M noch für eine Menge anderer Dinge Interesse
habe: »für Kampf und Spiel, Geselligkeit und Gelage, Diskussion
und Wissenschaft, Geschäft und Politik, Religion
und Kunst.«

So?! Nur »M« hat für diese Dinge Interesse?! Und
wenn ich als Frau (mit tausenden anderen Frauen) auf
diese kühne Behauptung, die allein die Trägerin der These
sein soll, W sei ganz und gar Sexualität und sonst nichts,
– wenn ich nun daherkomme – und aussage und beweise,
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[25/0031] sich Raum verschafft haben, auch die Frauen – oft mit wenig Talent, oft aber auch mit geradezu elementarem Talent und wahrhaft unerschrockenem Mut – sich daran beteiligt haben, daß gerade über diesen Gegenstand von Seite von Ärztinnen, Dichterinnen, Sozialreformerinnen und Nationalökonominnen bereits eine kleine Literatur vorliegt, scheint er gar nicht zu wissen. Ebenso fest fundiert ist auch die andere Antwort, die auf die Frage, woher die Möglichkeit solcher Enthüllungen dem Manne kommen solle, gegeben wird: aus dem, was in den Männern selbst an »W« ist! Nun, gerade über das Phänomen der Schwangerschaft dürfte sich von diesem »W« (im »M«) kaum Verläßliches aussagen lassen! Und auf Grund dieses erbrachten »Befähigungsnachweises« wird nun in der Tat »ausgesagt«. Vor allem wird der »psychologische Unterschied zwischen M und W« nach weitschweifigen Auseinandersetzungen über deren physiologische »Unterschiede« – kurz und bündig, ohne Beweise, wohl aber mit einer Fülle falscher Behauptungen – damit erklärt, W gehe vollständig im Geschlechtsleben, »in der Sphäre der Begattung« auf, während M noch für eine Menge anderer Dinge Interesse habe: »für Kampf und Spiel, Geselligkeit und Gelage, Diskussion und Wissenschaft, Geschäft und Politik, Religion und Kunst.« So?! Nur »M« hat für diese Dinge Interesse?! Und wenn ich als Frau (mit tausenden anderen Frauen) auf diese kühne Behauptung, die allein die Trägerin der These sein soll, W sei ganz und gar Sexualität und sonst nichts, – wenn ich nun daherkomme – und aussage und beweise, daß ich ebenfalls »ausgefüllt und eingenommen bin« von all diesen Dingen, ja gerade von diesen Dingen, von

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Zitationshilfe: Meisel-Heß, Grete: Weiberhaß und Weiberverachtung. Eine Erwiderung auf die in Dr. Otto Weiningers Buche »Geschlecht und Charakter« geäußerten Anschauungen über »Die Frau und ihre Frage«. Wien, 1904, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meiselhess_weiberhass_1904/31>, abgerufen am 16.04.2024.