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Meißner, Alfred: Der Müller vom Höft. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 177–274. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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sie die Kugel des Oberarms aus den Höhlen hervorzerren? Redet nicht von Dingen, die Euch Nichts angehen und von denen Ihr Nichts versteht. Ich bin nur dem Müller Antwort schuldig, nicht Euch.

Wendelin biß sich in die Lippen und rückte mit dem Stuhle. Der Müller war noch in die Erzählung vertieft und sagte: Nun weiß ich noch weniger als je, ob ich einen Unschuldigen gerettet oder einen Verbrecher befreit habe. Doch meiner Handlungsweise sei das gleich. Ich traf Euch und wurde Euer Retter, und bereue Nichts. Ihr habt dem Tode ins Gesicht gesehen und seid ohne Zweifel Willens, ein anderer Mensch zu werden. Ich wäre kein Christ, wenn ich Euch dazu nicht nach Möglichkeit behülflich sein wollte.

Und was denkt Ihr mit mir zu thun? fragte Kornergeorg. Wenn sie mich finden, sie lassen sich nicht die Mühe verdrießen, mich noch einmal zu hängen!

Mein Entschluß ist gefaßt, erwiderte der Müller. Morgen gegen Abend bringe ich Euch nach Bremen. Ich weiß, daß ein Schiff dieser Tage die Anker nach den ostindischen Besitzungen der Holländer lichtet, um Angeworbene dorthin zu transportiren. Ich bin mit dem Steuermann bekannt. Es kostet mich nur ein Wort, und Ihr kriegt ein Handgeld und werdet holländischer Soldat. Da ist für Euch gesorgt, da kennt Euch Niemand. --

Der Kornergeorg kratzte sich heftig den schwarzen kraushaarigen Kopf und leerte hastig das Glas.

sie die Kugel des Oberarms aus den Höhlen hervorzerren? Redet nicht von Dingen, die Euch Nichts angehen und von denen Ihr Nichts versteht. Ich bin nur dem Müller Antwort schuldig, nicht Euch.

Wendelin biß sich in die Lippen und rückte mit dem Stuhle. Der Müller war noch in die Erzählung vertieft und sagte: Nun weiß ich noch weniger als je, ob ich einen Unschuldigen gerettet oder einen Verbrecher befreit habe. Doch meiner Handlungsweise sei das gleich. Ich traf Euch und wurde Euer Retter, und bereue Nichts. Ihr habt dem Tode ins Gesicht gesehen und seid ohne Zweifel Willens, ein anderer Mensch zu werden. Ich wäre kein Christ, wenn ich Euch dazu nicht nach Möglichkeit behülflich sein wollte.

Und was denkt Ihr mit mir zu thun? fragte Kornergeorg. Wenn sie mich finden, sie lassen sich nicht die Mühe verdrießen, mich noch einmal zu hängen!

Mein Entschluß ist gefaßt, erwiderte der Müller. Morgen gegen Abend bringe ich Euch nach Bremen. Ich weiß, daß ein Schiff dieser Tage die Anker nach den ostindischen Besitzungen der Holländer lichtet, um Angeworbene dorthin zu transportiren. Ich bin mit dem Steuermann bekannt. Es kostet mich nur ein Wort, und Ihr kriegt ein Handgeld und werdet holländischer Soldat. Da ist für Euch gesorgt, da kennt Euch Niemand. —

Der Kornergeorg kratzte sich heftig den schwarzen kraushaarigen Kopf und leerte hastig das Glas.

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T14:41:19Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T14:41:19Z)

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Zitationshilfe: Meißner, Alfred: Der Müller vom Höft. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 177–274. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_hoeft_1910/29>, abgerufen am 29.03.2024.