Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

den Vater. Dieser setzte sich gerade aufs
Bette hin, blieb eine geraume Zeit drauf siz-
zen, und ging endlich, nach mancher langen
Erzählung, die seine Tochter ihm gern geschenkt
hätte, ohne etwas zu merken, hinweg. Das
Mädchen eilte nun sofort ihren Liebhaber zu
befreien. Die Eilfertigkeit, mit welcher sie
die Federbetten hinwegriß, kann man leicht
sich vorstellen; aber kaum das Schrecken, mit
welchem sie ihn todt, todt durch ihre Schuld
erfand. Denn der Vater hatte sich gerade auf
den Kopf dieses Unglücklichen gesetzt. Mit ei-
ner Standhaftigkeit, die wohl Heldenmuth
genannt zu werden verdient, hatte dieser Leztere,
selbst in den Todesängsten, sich nicht gerührt,
und war erstickt. -- Ein solcher Anblick war
schrecklich, oder vielmehr tödtend beinahe für
das arme Mädchen. Nichts ließ sie unversucht,
ihren Geliebten ins Leben zurückzurufen; alles
umsonst. Und was nun mit dem Leichname an-
fangen? Sich iezt der Härte eines Vaters
ausgesezt, einer gerichtlichen Untersuchung

den Vater. Dieſer ſetzte ſich gerade aufs
Bette hin, blieb eine geraume Zeit drauf ſiz-
zen, und ging endlich, nach mancher langen
Erzaͤhlung, die ſeine Tochter ihm gern geſchenkt
haͤtte, ohne etwas zu merken, hinweg. Das
Maͤdchen eilte nun ſofort ihren Liebhaber zu
befreien. Die Eilfertigkeit, mit welcher ſie
die Federbetten hinwegriß, kann man leicht
ſich vorſtellen; aber kaum das Schrecken, mit
welchem ſie ihn todt, todt durch ihre Schuld
erfand. Denn der Vater hatte ſich gerade auf
den Kopf dieſes Ungluͤcklichen geſetzt. Mit ei-
ner Standhaftigkeit, die wohl Heldenmuth
genannt zu werden verdient, hatte dieſer Leztere,
ſelbſt in den Todesaͤngſten, ſich nicht geruͤhrt,
und war erſtickt. — Ein ſolcher Anblick war
ſchrecklich, oder vielmehr toͤdtend beinahe fuͤr
das arme Maͤdchen. Nichts ließ ſie unverſucht,
ihren Geliebten ins Leben zuruͤckzurufen; alles
umſonſt. Und was nun mit dem Leichname an-
fangen? Sich iezt der Haͤrte eines Vaters
ausgeſezt, einer gerichtlichen Unterſuchung

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0020" n="12"/>
den Vater. Die&#x017F;er &#x017F;etzte &#x017F;ich gerade aufs<lb/>
Bette hin, blieb eine geraume Zeit drauf &#x017F;iz-<lb/>
zen, und ging endlich, nach mancher langen<lb/>
Erza&#x0364;hlung, die &#x017F;eine Tochter ihm gern ge&#x017F;chenkt<lb/>
ha&#x0364;tte, ohne etwas zu merken, hinweg. Das<lb/>
Ma&#x0364;dchen eilte nun &#x017F;ofort ihren Liebhaber zu<lb/>
befreien. Die Eilfertigkeit, mit welcher &#x017F;ie<lb/>
die Federbetten hinwegriß, kann man leicht<lb/>
&#x017F;ich vor&#x017F;tellen; aber kaum das Schrecken, mit<lb/>
welchem &#x017F;ie ihn todt, todt durch ihre Schuld<lb/>
erfand. Denn der Vater hatte &#x017F;ich gerade auf<lb/>
den Kopf die&#x017F;es Unglu&#x0364;cklichen ge&#x017F;etzt. Mit ei-<lb/>
ner Standhaftigkeit, die wohl Heldenmuth<lb/>
genannt zu werden verdient, hatte die&#x017F;er Leztere,<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t in den Todesa&#x0364;ng&#x017F;ten, &#x017F;ich nicht geru&#x0364;hrt,<lb/>
und war er&#x017F;tickt. &#x2014; Ein &#x017F;olcher Anblick war<lb/>
&#x017F;chrecklich, oder vielmehr to&#x0364;dtend beinahe fu&#x0364;r<lb/>
das arme Ma&#x0364;dchen. Nichts ließ &#x017F;ie unver&#x017F;ucht,<lb/>
ihren Geliebten ins Leben zuru&#x0364;ckzurufen; alles<lb/>
um&#x017F;on&#x017F;t. Und was nun mit dem Leichname an-<lb/>
fangen? Sich iezt der Ha&#x0364;rte eines Vaters<lb/>
ausge&#x017F;ezt, einer gerichtlichen Unter&#x017F;uchung<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[12/0020] den Vater. Dieſer ſetzte ſich gerade aufs Bette hin, blieb eine geraume Zeit drauf ſiz- zen, und ging endlich, nach mancher langen Erzaͤhlung, die ſeine Tochter ihm gern geſchenkt haͤtte, ohne etwas zu merken, hinweg. Das Maͤdchen eilte nun ſofort ihren Liebhaber zu befreien. Die Eilfertigkeit, mit welcher ſie die Federbetten hinwegriß, kann man leicht ſich vorſtellen; aber kaum das Schrecken, mit welchem ſie ihn todt, todt durch ihre Schuld erfand. Denn der Vater hatte ſich gerade auf den Kopf dieſes Ungluͤcklichen geſetzt. Mit ei- ner Standhaftigkeit, die wohl Heldenmuth genannt zu werden verdient, hatte dieſer Leztere, ſelbſt in den Todesaͤngſten, ſich nicht geruͤhrt, und war erſtickt. — Ein ſolcher Anblick war ſchrecklich, oder vielmehr toͤdtend beinahe fuͤr das arme Maͤdchen. Nichts ließ ſie unverſucht, ihren Geliebten ins Leben zuruͤckzurufen; alles umſonſt. Und was nun mit dem Leichname an- fangen? Sich iezt der Haͤrte eines Vaters ausgeſezt, einer gerichtlichen Unterſuchung

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/20
Zitationshilfe: Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/20>, abgerufen am 13.10.2024.