den, etwas abstechend von der übrigen aus. Sein Edelmann, ein ziemlich strenger Herr, hatte desfalls schon vorm Jahre einen der- ben Verweis ihm ertheilt; hatte die Drohung einer harten Behandlung, wenn dieses noch einmal sich zutrüge, hinzugefügt. Jezt, als er wieder das ausgesetzte Garn ihm über- brachte, und der Grundherr solches (was doch falsch war) noch schlechter als vordem zu fin- den glaubte, setzt' er die Drohung ins Werk, und behandelte seinen Unterthan mit harten Schlägen.
Eine solche Begegnung schmerzte die ohne- dem empfindliche Seele des armen Landmanns unendlich. Er ging mit bitterm Murren über Junker, Unterthanspflicht und Schick- sal seiner Heimath zu. Doch eh er noch da- hin gelangte, kam ihm, mit Händeringen, mit rothgeweinten Augen, mit schluchzender Stimme seine Geliebte entgegen. -- "Jezt, sagte sie, wäre auf Gottes weiter Erde keine unglücklichere Person als sie. Jhre Mutter
den, etwas abſtechend von der uͤbrigen aus. Sein Edelmann, ein ziemlich ſtrenger Herr, hatte desfalls ſchon vorm Jahre einen der- ben Verweis ihm ertheilt; hatte die Drohung einer harten Behandlung, wenn dieſes noch einmal ſich zutruͤge, hinzugefuͤgt. Jezt, als er wieder das ausgeſetzte Garn ihm uͤber- brachte, und der Grundherr ſolches (was doch falſch war) noch ſchlechter als vordem zu fin- den glaubte, ſetzt' er die Drohung ins Werk, und behandelte ſeinen Unterthan mit harten Schlaͤgen.
Eine ſolche Begegnung ſchmerzte die ohne- dem empfindliche Seele des armen Landmanns unendlich. Er ging mit bitterm Murren uͤber Junker, Unterthanspflicht und Schick- ſal ſeiner Heimath zu. Doch eh er noch da- hin gelangte, kam ihm, mit Haͤnderingen, mit rothgeweinten Augen, mit ſchluchzender Stimme ſeine Geliebte entgegen. — „Jezt, ſagte ſie, waͤre auf Gottes weiter Erde keine ungluͤcklichere Perſon als ſie. Jhre Mutter
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den, etwas abſtechend von der uͤbrigen aus.
Sein Edelmann, ein ziemlich ſtrenger Herr,
hatte desfalls ſchon vorm Jahre einen der-
ben Verweis ihm ertheilt; hatte die Drohung
einer harten Behandlung, wenn dieſes noch
einmal ſich zutruͤge, hinzugefuͤgt. Jezt, als
er wieder das ausgeſetzte Garn ihm uͤber-
brachte, und der Grundherr ſolches (was doch
falſch war) noch ſchlechter als vordem zu fin-
den glaubte, ſetzt' er die Drohung ins Werk,
und behandelte ſeinen Unterthan mit harten
Schlaͤgen.
Eine ſolche Begegnung ſchmerzte die ohne-
dem empfindliche Seele des armen Landmanns
unendlich. Er ging mit bitterm Murren
uͤber Junker, Unterthanspflicht und Schick-
ſal ſeiner Heimath zu. Doch eh er noch da-
hin gelangte, kam ihm, mit Haͤnderingen,
mit rothgeweinten Augen, mit ſchluchzender
Stimme ſeine Geliebte entgegen. — „Jezt,
ſagte ſie, waͤre auf Gottes weiter Erde keine
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Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/46>, abgerufen am 13.10.2024.
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