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Mendelssohn, Moses: Jerusalem oder über religiöse Macht und Judenthum. Berlin, 1783.

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mung angehen. Warum uns einander in den
wichtigsten Angelegenheiten unsers Lebens durch
Mummerey unkenntlich machen, da Gott einem
jeden nicht umsonst seine eigenen Gesichtszüge ein-
geprägt hat? Heißt dieses nicht, so viel an uns
liegt, sich der Vorsehung widersetzen, den Zweck
der Schöpfung, wenn es möglich ist, vereiteln;
unserm Beruf; unserer Bestimmung in diesem
und jenem Leben geflissentlich zuwider handeln?
-- Regenten der Erde! wenn es einem unbe-
deutenden Mitbewohner derselben vergönnt ist,
seine Stimme bis zu euch zu erheben; trauet
den Räthen nicht, die euch mit glatten Worten
zu einem so schädlichen Beginnen verleiten wol-
len. Sie sind entweder selbst verblendet, und sehen
den Feind der Menschheit nicht, der im Hinter-
halt lauret, oder suchen euch zu verblenden.
Es ist gethan, um unser edelstes Kleinod, um
die Freiheit zu denken, wenn ihr ihnen Gehör
gebet! Um eurer und unserer aller Glückselig-
keit willen, Glaubensvereinigung ist nicht To-
leranz; ist der wahren Duldung grade entge-
gen! Um eurer und unserer Glückseligkeit wil-
len, gebet euer vielvermögendes Ansehen nicht

her,

mung angehen. Warum uns einander in den
wichtigſten Angelegenheiten unſers Lebens durch
Mummerey unkenntlich machen, da Gott einem
jeden nicht umſonſt ſeine eigenen Geſichtszuͤge ein-
gepraͤgt hat? Heißt dieſes nicht, ſo viel an uns
liegt, ſich der Vorſehung widerſetzen, den Zweck
der Schoͤpfung, wenn es moͤglich iſt, vereiteln;
unſerm Beruf; unſerer Beſtimmung in dieſem
und jenem Leben gefliſſentlich zuwider handeln?
— Regenten der Erde! wenn es einem unbe-
deutenden Mitbewohner derſelben vergoͤnnt iſt,
ſeine Stimme bis zu euch zu erheben; trauet
den Raͤthen nicht, die euch mit glatten Worten
zu einem ſo ſchaͤdlichen Beginnen verleiten wol-
len. Sie ſind entweder ſelbſt verblendet, und ſehen
den Feind der Menſchheit nicht, der im Hinter-
halt lauret, oder ſuchen euch zu verblenden.
Es iſt gethan, um unſer edelſtes Kleinod, um
die Freiheit zu denken, wenn ihr ihnen Gehoͤr
gebet! Um eurer und unſerer aller Gluͤckſelig-
keit willen, Glaubensvereinigung iſt nicht To-
leranz; iſt der wahren Duldung grade entge-
gen! Um eurer und unſerer Gluͤckſeligkeit wil-
len, gebet euer vielvermoͤgendes Anſehen nicht

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[139/0241] mung angehen. Warum uns einander in den wichtigſten Angelegenheiten unſers Lebens durch Mummerey unkenntlich machen, da Gott einem jeden nicht umſonſt ſeine eigenen Geſichtszuͤge ein- gepraͤgt hat? Heißt dieſes nicht, ſo viel an uns liegt, ſich der Vorſehung widerſetzen, den Zweck der Schoͤpfung, wenn es moͤglich iſt, vereiteln; unſerm Beruf; unſerer Beſtimmung in dieſem und jenem Leben gefliſſentlich zuwider handeln? — Regenten der Erde! wenn es einem unbe- deutenden Mitbewohner derſelben vergoͤnnt iſt, ſeine Stimme bis zu euch zu erheben; trauet den Raͤthen nicht, die euch mit glatten Worten zu einem ſo ſchaͤdlichen Beginnen verleiten wol- len. Sie ſind entweder ſelbſt verblendet, und ſehen den Feind der Menſchheit nicht, der im Hinter- halt lauret, oder ſuchen euch zu verblenden. Es iſt gethan, um unſer edelſtes Kleinod, um die Freiheit zu denken, wenn ihr ihnen Gehoͤr gebet! Um eurer und unſerer aller Gluͤckſelig- keit willen, Glaubensvereinigung iſt nicht To- leranz; iſt der wahren Duldung grade entge- gen! Um eurer und unſerer Gluͤckſeligkeit wil- len, gebet euer vielvermoͤgendes Anſehen nicht her,

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Zitationshilfe: Mendelssohn, Moses: Jerusalem oder über religiöse Macht und Judenthum. Berlin, 1783, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mendelssohn_jerusalem_1783/241>, abgerufen am 19.04.2024.