Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mesmer, Franz Anton: Abhandlung über die Entdeckung des thierischen Magnetismus. Carlsruhe, 1781.

Bild:
<< vorherige Seite

das verrichtet, was wir sehr unbestimmt der Kunst
und der Natur zuschreiben. Dergleichen Be-
trachtungen entfernten mich nach und nach von
der alltäglichen Strasse. Jch unterwarf meine
Jdeen einer zwölfjährigen Erfahrung, die ich
den genauesten Beobachtungen aller Arten von
Krankheiten widmete, und hatte endlich das Ver-
gnügen, die von mir vermuthete Grundsätze oh-
ne Ausnahme bestättigt zu sehen.

Vorzüglich übernahm ich in den Jahren 1773
und 1774 die Besorgung der 29 jährigen Jung-
fer Oesterlin, welche schon viele Jahre von den
Gichtern geplagt wurde. Die schlimmsten Zu-
fälle bey ihr waren, daß das Blut ungestümm
in den Kopf drang, und die fürchterlichste Zahn-
und Ohren-Schmerzen verursachte, welche mit
Wahnwitz, Wuth, Erbrechen und Ohnmachten
verbunden waren. Diß war für mich die
beste Gelegenheit, mit der größten Genauigkeit
die Art von Ebbe und Fluth, welche der thieri-
sche Magnetismus
im menschlichen Körper
verursachet, zu beobachten. Oft zeigten sich
bey der Kranken sehr heilsame Crisen, wor-
auf beträchtliche Erleichterung folgte, aber sie
dauerten nur einige Augenblicke, und blieben im-
mer unvollkommen. Die Begierde den Grund
dieser Unvollkommenheit zu entdecken, und mei-

das verrichtet, was wir ſehr unbeſtimmt der Kunſt
und der Natur zuſchreiben. Dergleichen Be-
trachtungen entfernten mich nach und nach von
der alltaͤglichen Straſſe. Jch unterwarf meine
Jdeen einer zwoͤlfjaͤhrigen Erfahrung, die ich
den genaueſten Beobachtungen aller Arten von
Krankheiten widmete, und hatte endlich das Ver-
gnuͤgen, die von mir vermuthete Grundſaͤtze oh-
ne Ausnahme beſtaͤttigt zu ſehen.

Vorzuͤglich uͤbernahm ich in den Jahren 1773
und 1774 die Beſorgung der 29 jaͤhrigen Jung-
fer Oeſterlin, welche ſchon viele Jahre von den
Gichtern geplagt wurde. Die ſchlimmſten Zu-
faͤlle bey ihr waren, daß das Blut ungeſtuͤmm
in den Kopf drang, und die fuͤrchterlichſte Zahn-
und Ohren-Schmerzen verurſachte, welche mit
Wahnwitz, Wuth, Erbrechen und Ohnmachten
verbunden waren. Diß war fuͤr mich die
beſte Gelegenheit, mit der groͤßten Genauigkeit
die Art von Ebbe und Fluth, welche der thieri-
ſche Magnetismus
im menſchlichen Koͤrper
verurſachet, zu beobachten. Oft zeigten ſich
bey der Kranken ſehr heilſame Criſen, wor-
auf betraͤchtliche Erleichterung folgte, aber ſie
dauerten nur einige Augenblicke, und blieben im-
mer unvollkommen. Die Begierde den Grund
dieſer Unvollkommenheit zu entdecken, und mei-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0017" n="13"/>
das verrichtet, was wir &#x017F;ehr unbe&#x017F;timmt der Kun&#x017F;t<lb/>
und der Natur zu&#x017F;chreiben. Dergleichen Be-<lb/>
trachtungen entfernten mich nach und nach von<lb/>
der allta&#x0364;glichen Stra&#x017F;&#x017F;e. Jch unterwarf meine<lb/>
Jdeen einer zwo&#x0364;lfja&#x0364;hrigen Erfahrung, die ich<lb/>
den genaue&#x017F;ten Beobachtungen aller Arten von<lb/>
Krankheiten widmete, und hatte endlich das Ver-<lb/>
gnu&#x0364;gen, die von mir vermuthete Grund&#x017F;a&#x0364;tze oh-<lb/>
ne Ausnahme be&#x017F;ta&#x0364;ttigt zu &#x017F;ehen.</p><lb/>
        <p>Vorzu&#x0364;glich u&#x0364;bernahm ich in den Jahren 1773<lb/>
und 1774 die Be&#x017F;orgung der 29 ja&#x0364;hrigen Jung-<lb/>
fer <hi rendition="#fr">Oe&#x017F;terlin,</hi> welche &#x017F;chon viele Jahre von den<lb/>
Gichtern geplagt wurde. Die &#x017F;chlimm&#x017F;ten Zu-<lb/>
fa&#x0364;lle bey ihr waren, daß das Blut unge&#x017F;tu&#x0364;mm<lb/>
in <choice><sic>ben</sic><corr>den</corr></choice> Kopf drang, und die fu&#x0364;rchterlich&#x017F;te Zahn-<lb/>
und Ohren-Schmerzen verur&#x017F;achte, welche mit<lb/>
Wahnwitz, Wuth, Erbrechen und Ohnmachten<lb/>
verbunden waren. Diß war fu&#x0364;r mich die<lb/>
be&#x017F;te Gelegenheit, mit der gro&#x0364;ßten Genauigkeit<lb/>
die Art von Ebbe und Fluth, welche der <hi rendition="#fr">thieri-<lb/>
&#x017F;che Magnetismus</hi> im men&#x017F;chlichen Ko&#x0364;rper<lb/>
verur&#x017F;achet, zu beobachten. Oft zeigten &#x017F;ich<lb/>
bey der Kranken &#x017F;ehr heil&#x017F;ame Cri&#x017F;en, wor-<lb/>
auf betra&#x0364;chtliche Erleichterung folgte, aber &#x017F;ie<lb/>
dauerten nur einige Augenblicke, und blieben im-<lb/>
mer unvollkommen. Die Begierde den Grund<lb/>
die&#x017F;er Unvollkommenheit zu entdecken, und mei-
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[13/0017] das verrichtet, was wir ſehr unbeſtimmt der Kunſt und der Natur zuſchreiben. Dergleichen Be- trachtungen entfernten mich nach und nach von der alltaͤglichen Straſſe. Jch unterwarf meine Jdeen einer zwoͤlfjaͤhrigen Erfahrung, die ich den genaueſten Beobachtungen aller Arten von Krankheiten widmete, und hatte endlich das Ver- gnuͤgen, die von mir vermuthete Grundſaͤtze oh- ne Ausnahme beſtaͤttigt zu ſehen. Vorzuͤglich uͤbernahm ich in den Jahren 1773 und 1774 die Beſorgung der 29 jaͤhrigen Jung- fer Oeſterlin, welche ſchon viele Jahre von den Gichtern geplagt wurde. Die ſchlimmſten Zu- faͤlle bey ihr waren, daß das Blut ungeſtuͤmm in den Kopf drang, und die fuͤrchterlichſte Zahn- und Ohren-Schmerzen verurſachte, welche mit Wahnwitz, Wuth, Erbrechen und Ohnmachten verbunden waren. Diß war fuͤr mich die beſte Gelegenheit, mit der groͤßten Genauigkeit die Art von Ebbe und Fluth, welche der thieri- ſche Magnetismus im menſchlichen Koͤrper verurſachet, zu beobachten. Oft zeigten ſich bey der Kranken ſehr heilſame Criſen, wor- auf betraͤchtliche Erleichterung folgte, aber ſie dauerten nur einige Augenblicke, und blieben im- mer unvollkommen. Die Begierde den Grund dieſer Unvollkommenheit zu entdecken, und mei-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

lebendige-ethik.net: Bereitstellung der Texttranskription von lebendige-ethik.net. (2013-01-16T10:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme entsprechen muss.
Bayerische Staatsbibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-01-16T10:54:31Z)
Frederike Neuber, Susanne Wind, Matthias Boenig, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Konvertierung nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2016-12-07T10:54:31Z)



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mesmer_magnetismus_1781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mesmer_magnetismus_1781/17
Zitationshilfe: Mesmer, Franz Anton: Abhandlung über die Entdeckung des thierischen Magnetismus. Carlsruhe, 1781, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mesmer_magnetismus_1781/17>, abgerufen am 25.04.2024.