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Mesmer, Franz Anton: Abhandlung über die Entdeckung des thierischen Magnetismus. Carlsruhe, 1781.

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sich vorzüglich mit Augenkrankheiten und dem
Staarstechen beschäfftigte. Er selbst hatte
zweymal die Jungfer Paradis für sehend erklärt.
Aber aus Neid erkühnte Er sich im Publicum
auszustreuen: Sie sey noch blind, er habe
sich selbst davon überzeugt, und unterstützte
diß Vorgeben dadurch: Weil sie die Namen
der ihr vorgelegten Dinge oft nicht wußte, oft
verwechselte. Jedermann antwortete ihm: Er
vergässe hier den nothwendigen Unterschied, den
man zwischen Blindgebohrnen, oder die wenig-
stens in ihrer zarten Kindheit blind geworden
wären, und zwischen Blinden, die erst nach
mehrern Jahren vom Staar befallen, nach-
her aber durch die Kunst ihr Gesicht wieder
erlangt hätten, machen müßte. Jene könnten
unmöglich die Kenntnisse wie diese haben. Wie
ists möglich, sagte man, daß ein Mann von
Jhrem Handwerk so einen groben Jrrthum be-
gehen kann? Aber seine Unverschämtheit be-
hauptete von allem gerade das Gegentheil. Das
ganze Publicum mochte ihm noch so oft tausend
Zeugen ihrer völligen Genesung anführen, er al-
lein leugnete alles weg, und schlug sich also zu
dem schon oben angeführten Herrn Jngenhaus.

Diese beyde Männer, welche anfäng-
lich, von rechtschaffenen, vernünftigen Personen

ſich vorzuͤglich mit Augenkrankheiten und dem
Staarſtechen beſchaͤfftigte. Er ſelbſt hatte
zweymal die Jungfer Paradis fuͤr ſehend erklaͤrt.
Aber aus Neid erkuͤhnte Er ſich im Publicum
auszuſtreuen: Sie ſey noch blind, er habe
ſich ſelbſt davon uͤberzeugt, und unterſtuͤtzte
diß Vorgeben dadurch: Weil ſie die Namen
der ihr vorgelegten Dinge oft nicht wußte, oft
verwechſelte. Jedermann antwortete ihm: Er
vergaͤſſe hier den nothwendigen Unterſchied, den
man zwiſchen Blindgebohrnen, oder die wenig-
ſtens in ihrer zarten Kindheit blind geworden
waͤren, und zwiſchen Blinden, die erſt nach
mehrern Jahren vom Staar befallen, nach-
her aber durch die Kunſt ihr Geſicht wieder
erlangt haͤtten, machen muͤßte. Jene koͤnnten
unmoͤglich die Kenntniſſe wie dieſe haben. Wie
iſts moͤglich, ſagte man, daß ein Mann von
Jhrem Handwerk ſo einen groben Jrrthum be-
gehen kann? Aber ſeine Unverſchaͤmtheit be-
hauptete von allem gerade das Gegentheil. Das
ganze Publicum mochte ihm noch ſo oft tauſend
Zeugen ihrer voͤlligen Geneſung anfuͤhren, er al-
lein leugnete alles weg, und ſchlug ſich alſo zu
dem ſchon oben angefuͤhrten Herrn Jngenhaus.

Diese beyde Maͤnner, welche anfaͤng-
lich, von rechtſchaffenen, vernuͤnftigen Perſonen

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[36/0040] ſich vorzuͤglich mit Augenkrankheiten und dem Staarſtechen beſchaͤfftigte. Er ſelbſt hatte zweymal die Jungfer Paradis fuͤr ſehend erklaͤrt. Aber aus Neid erkuͤhnte Er ſich im Publicum auszuſtreuen: Sie ſey noch blind, er habe ſich ſelbſt davon uͤberzeugt, und unterſtuͤtzte diß Vorgeben dadurch: Weil ſie die Namen der ihr vorgelegten Dinge oft nicht wußte, oft verwechſelte. Jedermann antwortete ihm: Er vergaͤſſe hier den nothwendigen Unterſchied, den man zwiſchen Blindgebohrnen, oder die wenig- ſtens in ihrer zarten Kindheit blind geworden waͤren, und zwiſchen Blinden, die erſt nach mehrern Jahren vom Staar befallen, nach- her aber durch die Kunſt ihr Geſicht wieder erlangt haͤtten, machen muͤßte. Jene koͤnnten unmoͤglich die Kenntniſſe wie dieſe haben. Wie iſts moͤglich, ſagte man, daß ein Mann von Jhrem Handwerk ſo einen groben Jrrthum be- gehen kann? Aber ſeine Unverſchaͤmtheit be- hauptete von allem gerade das Gegentheil. Das ganze Publicum mochte ihm noch ſo oft tauſend Zeugen ihrer voͤlligen Geneſung anfuͤhren, er al- lein leugnete alles weg, und ſchlug ſich alſo zu dem ſchon oben angefuͤhrten Herrn Jngenhaus. Diese beyde Maͤnner, welche anfaͤng- lich, von rechtſchaffenen, vernuͤnftigen Perſonen

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Zitationshilfe: Mesmer, Franz Anton: Abhandlung über die Entdeckung des thierischen Magnetismus. Carlsruhe, 1781, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mesmer_magnetismus_1781/40>, abgerufen am 24.04.2024.