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Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876.

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"Die edle Familie Pesaro," erläuterte in gedämpf¬
tem singenden Tone der Küster, während um seine Füße
schmeichelnd ein weißes Lieblingskätzchen strich, das,
ebenso heimisch im Dom wie sein Meister und ebenso
scheinheilig wie er, ihm auf Schritt und Tritt folgte,
"die edle Familie Pesaro, der allerheiligsten Madonna
vorgestellt durch die Schutzpatrone St. Franziskus, St.
Petrus und St. Georg. --" Hier verbeugte er sich
gegen die Heiligen und machte eine ehrerbietige Pause.
Dann bat er im Flüstertone, auf das dem Beschauer
zugewandte lieblich blasse Köpfchen der jüngsten, höch¬
stens zwölfjährigen Pesaro hinweisend, den aufmerksamen
Herrn Waser, eine wundersame Eigenschaft ihrer durch¬
sichtigen braunen Augen nicht außer Acht zu lassen.
"... Diese zaubervollen Blicke, Herr, richten sich un¬
verwandt auf mich, von woher ich immer das süße
kleine Fräulein beschaue. Sie begrüßen mich, wenn ich
zum Altar trete, und wohin ich immer geschäftig
mich wende, die leuchtenden Sterne verlassen mich
niemals".

Während Herr Waser seine Stellung zu wieder¬
holten Malen wechselte, begierig zu erfahren, ob sich
diese Behauptung auch zu seinen Gunsten erprobe,
wurde das Interesse der jungen Edelleute, welche sich,
um die Herzogin ungestört ihrem Kunstgenuße zu über¬

„Die edle Familie Peſaro,“ erläuterte in gedämpf¬
tem ſingenden Tone der Küſter, während um ſeine Füße
ſchmeichelnd ein weißes Lieblingskätzchen ſtrich, das,
ebenſo heimiſch im Dom wie ſein Meiſter und ebenſo
ſcheinheilig wie er, ihm auf Schritt und Tritt folgte,
„die edle Familie Peſaro, der allerheiligſten Madonna
vorgeſtellt durch die Schutzpatrone St. Franziskus, St.
Petrus und St. Georg. —“ Hier verbeugte er ſich
gegen die Heiligen und machte eine ehrerbietige Pauſe.
Dann bat er im Flüſtertone, auf das dem Beſchauer
zugewandte lieblich blaſſe Köpfchen der jüngſten, höch¬
ſtens zwölfjährigen Peſaro hinweiſend, den aufmerkſamen
Herrn Waſer, eine wunderſame Eigenſchaft ihrer durch¬
ſichtigen braunen Augen nicht außer Acht zu laſſen.
„... Dieſe zaubervollen Blicke, Herr, richten ſich un¬
verwandt auf mich, von woher ich immer das ſüße
kleine Fräulein beſchaue. Sie begrüßen mich, wenn ich
zum Altar trete, und wohin ich immer geſchäftig
mich wende, die leuchtenden Sterne verlaſſen mich
niemals“.

Während Herr Waſer ſeine Stellung zu wieder¬
holten Malen wechſelte, begierig zu erfahren, ob ſich
dieſe Behauptung auch zu ſeinen Gunſten erprobe,
wurde das Intereſſe der jungen Edelleute, welche ſich,
um die Herzogin ungeſtört ihrem Kunſtgenuße zu über¬

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[141/0151] „Die edle Familie Peſaro,“ erläuterte in gedämpf¬ tem ſingenden Tone der Küſter, während um ſeine Füße ſchmeichelnd ein weißes Lieblingskätzchen ſtrich, das, ebenſo heimiſch im Dom wie ſein Meiſter und ebenſo ſcheinheilig wie er, ihm auf Schritt und Tritt folgte, „die edle Familie Peſaro, der allerheiligſten Madonna vorgeſtellt durch die Schutzpatrone St. Franziskus, St. Petrus und St. Georg. —“ Hier verbeugte er ſich gegen die Heiligen und machte eine ehrerbietige Pauſe. Dann bat er im Flüſtertone, auf das dem Beſchauer zugewandte lieblich blaſſe Köpfchen der jüngſten, höch¬ ſtens zwölfjährigen Peſaro hinweiſend, den aufmerkſamen Herrn Waſer, eine wunderſame Eigenſchaft ihrer durch¬ ſichtigen braunen Augen nicht außer Acht zu laſſen. „... Dieſe zaubervollen Blicke, Herr, richten ſich un¬ verwandt auf mich, von woher ich immer das ſüße kleine Fräulein beſchaue. Sie begrüßen mich, wenn ich zum Altar trete, und wohin ich immer geſchäftig mich wende, die leuchtenden Sterne verlaſſen mich niemals“. Während Herr Waſer ſeine Stellung zu wieder¬ holten Malen wechſelte, begierig zu erfahren, ob ſich dieſe Behauptung auch zu ſeinen Gunſten erprobe, wurde das Intereſſe der jungen Edelleute, welche ſich, um die Herzogin ungeſtört ihrem Kunſtgenuße zu über¬

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Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876/151>, abgerufen am 16.04.2024.