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Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876.

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einsamen Pfaden in ein italiänisches Kloster, wo sie sich
in den schönen Künsten üben soll. Und Ihr? Wohin
geht Euer Weg?"

"Eine Ferienreise, Herr Pompejus, um den Akten¬
staub abzuschütteln und die rhätische Flora kennen zu
lernen. Seit unser Landsmann Conrad Geßner die
Wissenschaft der Botanik begründet hat, treiben wir sie
eifrig an unserm Carolinum. Ueberdieß schuldet mir
das Schicksal eine geringe Schadloshaltung für ein ge¬
scheitertes Reiseprojekt. Ich sollte nämlich," fuhr er
etwas schüchtern, aber nicht ohne geheime Eitelkeit fort,
"nach Prag an den Hof seiner böhmischen Majestät
gehen, wo mir durch besondere Gunst eine Pagenstelle
zugesichert war."

"Ihr thatet klug daran, es bleiben zu lassen,"
höhnte Herr Pompejus. "Dieser klägliche König wird
in Kurzem ein Ende nehmen mit Schrecken und Schande.
Und jetzt," fuhr er lauernd fort, "wenn Ihr mit der
rhätischen Flora vertraut seid, wollt Ihr nicht auch die
des Veltlins studiren? So böte sich Euch Gelegenheit,
bei Euerm Studienfreunde Jenatsch auf seiner Straf¬
pfarre einzukehren."

"Angenommen es fügte sich so, ich hielte es für
kein Verbrechen," versetzte der Zürcher, dem dies rück¬

einſamen Pfaden in ein italiäniſches Kloſter, wo ſie ſich
in den ſchönen Künſten üben ſoll. Und Ihr? Wohin
geht Euer Weg?“

„Eine Ferienreiſe, Herr Pompejus, um den Akten¬
ſtaub abzuſchütteln und die rhätiſche Flora kennen zu
lernen. Seit unſer Landsmann Conrad Geßner die
Wiſſenſchaft der Botanik begründet hat, treiben wir ſie
eifrig an unſerm Carolinum. Ueberdieß ſchuldet mir
das Schickſal eine geringe Schadloshaltung für ein ge¬
ſcheitertes Reiſeprojekt. Ich ſollte nämlich,“ fuhr er
etwas ſchüchtern, aber nicht ohne geheime Eitelkeit fort,
„nach Prag an den Hof ſeiner böhmiſchen Majeſtät
gehen, wo mir durch beſondere Gunſt eine Pagenſtelle
zugeſichert war.“

„Ihr thatet klug daran, es bleiben zu laſſen,“
höhnte Herr Pompejus. „Dieſer klägliche König wird
in Kurzem ein Ende nehmen mit Schrecken und Schande.
Und jetzt,“ fuhr er lauernd fort, „wenn Ihr mit der
rhätiſchen Flora vertraut ſeid, wollt Ihr nicht auch die
des Veltlins ſtudiren? So böte ſich Euch Gelegenheit,
bei Euerm Studienfreunde Jenatſch auf ſeiner Straf¬
pfarre einzukehren.“

„Angenommen es fügte ſich ſo, ich hielte es für
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[11/0021] einſamen Pfaden in ein italiäniſches Kloſter, wo ſie ſich in den ſchönen Künſten üben ſoll. Und Ihr? Wohin geht Euer Weg?“ „Eine Ferienreiſe, Herr Pompejus, um den Akten¬ ſtaub abzuſchütteln und die rhätiſche Flora kennen zu lernen. Seit unſer Landsmann Conrad Geßner die Wiſſenſchaft der Botanik begründet hat, treiben wir ſie eifrig an unſerm Carolinum. Ueberdieß ſchuldet mir das Schickſal eine geringe Schadloshaltung für ein ge¬ ſcheitertes Reiſeprojekt. Ich ſollte nämlich,“ fuhr er etwas ſchüchtern, aber nicht ohne geheime Eitelkeit fort, „nach Prag an den Hof ſeiner böhmiſchen Majeſtät gehen, wo mir durch beſondere Gunſt eine Pagenſtelle zugeſichert war.“ „Ihr thatet klug daran, es bleiben zu laſſen,“ höhnte Herr Pompejus. „Dieſer klägliche König wird in Kurzem ein Ende nehmen mit Schrecken und Schande. Und jetzt,“ fuhr er lauernd fort, „wenn Ihr mit der rhätiſchen Flora vertraut ſeid, wollt Ihr nicht auch die des Veltlins ſtudiren? So böte ſich Euch Gelegenheit, bei Euerm Studienfreunde Jenatſch auf ſeiner Straf¬ pfarre einzukehren.“ „Angenommen es fügte ſich ſo, ich hielte es für kein Verbrechen,“ verſetzte der Zürcher, dem dies rück¬

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Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876/21>, abgerufen am 16.04.2024.