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Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876.

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und hier fuhr ein Blitz des Hasses aus den Augen des
Freiherrn, "muß Blut fließen, Robustelli, so vergeßt
mir wenigstens ihn nicht!"

"Den Giorgio Jenatsch!" lachte der Italiäner wild
und stieß sein Messer in einen neben ihm liegenden
kleinen Brotlaib, den er Herrn Pompejus vorhielt wie
einen gespießten Kopf an einer Pike.

Bei dieser nicht zu mißverstehenden symbolischen
Antwort kehrte der Italiäner die Hälfte seines rohen
Gesichtes dem Lauscher in nächster Nähe zu. Dieser
fuhr zurück und fand es gerathen, sich geräuschlos auf
seine Lagerstätte zurückzuziehen. Die Scene gab ihm
viel zu denken und bestärkte ihn in seinem Vorsatze, auf
dem nächsten Wege in das Veltlin zu eilen und seinen
Freund zu warnen. Wie er es ausführen könne, ohne
sich selbst in diese hochgefährlichen Dinge zu verwickeln,
dies überlegend entschlummerte er, von Müdigkeit über¬
wältigt.

Das erste Morgenlicht dämmerte durch ein schmales
Fensterlein, das eher eine Schießscharte zu nennen war,
als Waser durch ein Klopfen an der Fallthüre geweckt
wurde. Er fuhr in seine Kleider und machte sich reise¬
fertig. Die Alte trug ihm Grüße an ihren Sohn auf,
hing ihm sorgfältig das Pulverhorn um, das sie als
eine werthvolle Familienreliquie zu verehren schien, und

und hier fuhr ein Blitz des Haſſes aus den Augen des
Freiherrn, „muß Blut fließen, Robuſtelli, ſo vergeßt
mir wenigſtens ihn nicht!“

„Den Giorgio Jenatſch!“ lachte der Italiäner wild
und ſtieß ſein Meſſer in einen neben ihm liegenden
kleinen Brotlaib, den er Herrn Pompejus vorhielt wie
einen geſpießten Kopf an einer Pike.

Bei dieſer nicht zu mißverſtehenden ſymboliſchen
Antwort kehrte der Italiäner die Hälfte ſeines rohen
Geſichtes dem Lauſcher in nächſter Nähe zu. Dieſer
fuhr zurück und fand es gerathen, ſich geräuſchlos auf
ſeine Lagerſtätte zurückzuziehen. Die Scene gab ihm
viel zu denken und beſtärkte ihn in ſeinem Vorſatze, auf
dem nächſten Wege in das Veltlin zu eilen und ſeinen
Freund zu warnen. Wie er es ausführen könne, ohne
ſich ſelbſt in dieſe hochgefährlichen Dinge zu verwickeln,
dies überlegend entſchlummerte er, von Müdigkeit über¬
wältigt.

Das erſte Morgenlicht dämmerte durch ein ſchmales
Fenſterlein, das eher eine Schießſcharte zu nennen war,
als Waſer durch ein Klopfen an der Fallthüre geweckt
wurde. Er fuhr in ſeine Kleider und machte ſich reiſe¬
fertig. Die Alte trug ihm Grüße an ihren Sohn auf,
hing ihm ſorgfältig das Pulverhorn um, das ſie als
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[40/0050] und hier fuhr ein Blitz des Haſſes aus den Augen des Freiherrn, „muß Blut fließen, Robuſtelli, ſo vergeßt mir wenigſtens ihn nicht!“ „Den Giorgio Jenatſch!“ lachte der Italiäner wild und ſtieß ſein Meſſer in einen neben ihm liegenden kleinen Brotlaib, den er Herrn Pompejus vorhielt wie einen geſpießten Kopf an einer Pike. Bei dieſer nicht zu mißverſtehenden ſymboliſchen Antwort kehrte der Italiäner die Hälfte ſeines rohen Geſichtes dem Lauſcher in nächſter Nähe zu. Dieſer fuhr zurück und fand es gerathen, ſich geräuſchlos auf ſeine Lagerſtätte zurückzuziehen. Die Scene gab ihm viel zu denken und beſtärkte ihn in ſeinem Vorſatze, auf dem nächſten Wege in das Veltlin zu eilen und ſeinen Freund zu warnen. Wie er es ausführen könne, ohne ſich ſelbſt in dieſe hochgefährlichen Dinge zu verwickeln, dies überlegend entſchlummerte er, von Müdigkeit über¬ wältigt. Das erſte Morgenlicht dämmerte durch ein ſchmales Fenſterlein, das eher eine Schießſcharte zu nennen war, als Waſer durch ein Klopfen an der Fallthüre geweckt wurde. Er fuhr in ſeine Kleider und machte ſich reiſe¬ fertig. Die Alte trug ihm Grüße an ihren Sohn auf, hing ihm ſorgfältig das Pulverhorn um, das ſie als eine werthvolle Familienreliquie zu verehren ſchien, und

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Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876/50>, abgerufen am 24.04.2024.