Modestinus, Theophilus: Freymüthige Doch Bescheidene Unterredungen Von Kirchen- Religions- Politischen- und Natur-Sachen. Frankfurt (Main) u. a., 1737.und wenn einer auch noch so viel Schein-Tugenden von sich blicken liesse/ und ermangelte der Auffrich- tigkeit und Treue; so hält ihn auch selbst die honete Welt nicht einmahl vor einen ehrlichen rechtschaffe- nen Biedermann. Wie sollte ein solcher denn vor einen rechtschaffenen Christen paßiren können. Wei- len es aber späth/ beschlossen sie vor diesesmahl ih- ren Discurs, und schieden von einander. Dritte Conversation. Nachdem nun unsere Freunde wieder zusam- Modestin. Jhme auff seine Frage bescheidentlich, deut- und gründlich zu antworten; müssen wir fest setzen: 1) Daß es gute und auch böse Geister und Genios gebe. 2) Daß dergleichen Geister mit dem Menschen eine Gemeinschafft und eine Würckung haben können; und auch öffters in der That haben/ wie solches viele glaubwürdige Geschichte bezeugen. Woraus meines Erachtens Sonnen-klar der Un- terscheid erscheinen wird/ welcher da ist: eines theils, zwi- E 4
und wenn einer auch noch ſo viel Schein-Tugenden von ſich blicken lieſſe/ und ermangelte der Auffrich- tigkeit und Treue; ſo haͤlt ihn auch ſelbſt die honete Welt nicht einmahl vor einen ehrlichen rechtſchaffe- nen Biedermann. Wie ſollte ein ſolcher denn vor einen rechtſchaffenen Chriſten paßiren koͤnnen. Wei- len es aber ſpaͤth/ beſchloſſen ſie vor dieſesmahl ih- ren Diſcurs, und ſchieden von einander. Dritte Converſation. Nachdem nun unſere Freunde wieder zuſam- Modeſtin. Jhme auff ſeine Frage beſcheidentlich, deut- und gruͤndlich zu antworten; muͤſſen wir feſt ſetzen: 1) Daß es gute und auch boͤſe Geiſter und Genios gebe. 2) Daß dergleichen Geiſter mit dem Menſchen eine Gemeinſchafft und eine Wuͤrckung haben koͤnnen; und auch oͤffters in der That haben/ wie ſolches viele glaubwuͤrdige Geſchichte bezeugen. Woraus meines Erachtens Sonnen-klar der Un- terſcheid erſcheinen wird/ welcher da iſt: eines theils, zwi- E 4
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von ſich blicken lieſſe/ und ermangelte der Auffrich-
tigkeit und Treue; ſo haͤlt ihn auch ſelbſt die honete
Welt nicht einmahl vor einen ehrlichen rechtſchaffe-
nen Biedermann. Wie ſollte ein ſolcher denn vor
einen rechtſchaffenen Chriſten paßiren koͤnnen. Wei-
len es aber ſpaͤth/ beſchloſſen ſie vor dieſesmahl ih-
ren Diſcurs, und ſchieden von einander.
Dritte Converſation.
Nachdem nun unſere Freunde wieder zuſam-
men gekommen waren/ finge Herr Nicander
den Diſcurs an und ſprach: Mein werther
Herr Modeſtin, ich habe ſo wohl in einigen alten/
als neuerer Zeiten Schrifften vieles von einem En-
thuſiasmo geleſen und gehoͤret. Jch moͤchte hier-
uͤber deſſen Gedancken vernehmen; was er von ſol-
chen auſſerordentlichen Bewuͤrckungen halte? Denn
mir kommen ſolche Sachen ſeltſam/ oder wo ich es
teutſch ſagen darff: recht thoͤricht vor.
Modeſtin. Jhme auff ſeine Frage beſcheidentlich,
deut- und gruͤndlich zu antworten; muͤſſen wir feſt
ſetzen: 1) Daß es gute und auch boͤſe Geiſter und
Genios gebe. 2) Daß dergleichen Geiſter mit dem
Menſchen eine Gemeinſchafft und eine Wuͤrckung
haben koͤnnen; und auch oͤffters in der That haben/
wie ſolches viele glaubwuͤrdige Geſchichte bezeugen.
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Zitationshilfe: | Modestinus, Theophilus: Freymüthige Doch Bescheidene Unterredungen Von Kirchen- Religions- Politischen- und Natur-Sachen. Frankfurt (Main) u. a., 1737. , S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/modestinus_unterredungen_1737/77>, abgerufen am 16.08.2022. |