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Mörike, Eduard: Gedichte. Stuttgart, 1838.

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Wie an der Seite der Dirne, der vielgesprächigen, sachte
Im bewegten Gemüth brünstig der Wunsch mich be¬
schlich:

Wär' ich ein Jäger, ein Hirt, wär' ich ein Bauer geboren,
Trüg' ich Knüttel und Beil, wärst, Margarete, mein
Weib!

Nie beklagt' ich die Hitze des Tags, ich wollte mich herzlich
Auch der rauheren Kost, wenn du sie brächtest, erfreun.
O wie herrlich würde mir jeder Morgen begegnen,
Und das Abendroth über dem reifenden Feld!
Balsam würde mein Blut im frischen Kusse des Weibes,
Kraftvoll blühte mein Haus, doppelt, in Kindern
empor.

Aber im Winter, zu Nacht, am Ofen und auf der Schnitz¬
bank

Rief' ich, o Muse, dich auch, mährchenerfindende, an!


Wie an der Seite der Dirne, der vielgeſpraͤchigen, ſachte
Im bewegten Gemuͤth bruͤnſtig der Wunſch mich be¬
ſchlich:

Waͤr' ich ein Jaͤger, ein Hirt, waͤr' ich ein Bauer geboren,
Truͤg' ich Knuͤttel und Beil, waͤrſt, Margarete, mein
Weib!

Nie beklagt' ich die Hitze des Tags, ich wollte mich herzlich
Auch der rauheren Koſt, wenn du ſie braͤchteſt, erfreun.
O wie herrlich wuͤrde mir jeder Morgen begegnen,
Und das Abendroth uͤber dem reifenden Feld!
Balſam wuͤrde mein Blut im friſchen Kuſſe des Weibes,
Kraftvoll bluͤhte mein Haus, doppelt, in Kindern
empor.

Aber im Winter, zu Nacht, am Ofen und auf der Schnitz¬
bank

Rief' ich, o Muſe, dich auch, maͤhrchenerfindende, an!


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[100/0116] Wie an der Seite der Dirne, der vielgeſpraͤchigen, ſachte Im bewegten Gemuͤth bruͤnſtig der Wunſch mich be¬ ſchlich: Waͤr' ich ein Jaͤger, ein Hirt, waͤr' ich ein Bauer geboren, Truͤg' ich Knuͤttel und Beil, waͤrſt, Margarete, mein Weib! Nie beklagt' ich die Hitze des Tags, ich wollte mich herzlich Auch der rauheren Koſt, wenn du ſie braͤchteſt, erfreun. O wie herrlich wuͤrde mir jeder Morgen begegnen, Und das Abendroth uͤber dem reifenden Feld! Balſam wuͤrde mein Blut im friſchen Kuſſe des Weibes, Kraftvoll bluͤhte mein Haus, doppelt, in Kindern empor. Aber im Winter, zu Nacht, am Ofen und auf der Schnitz¬ bank Rief' ich, o Muſe, dich auch, maͤhrchenerfindende, an!

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Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Gedichte. Stuttgart, 1838, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_gedichte_1838/116>, abgerufen am 28.03.2024.