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Mörike, Eduard: Gedichte. Stuttgart, 1838.

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Wahrlich und schon mit Entzücken
Ist der Gott in vollem Lauf,
Schließt vor den erwärmten Blicken
Seine goldnen Himmel auf.
Amor auch hat nichts dawider,
Wenn sich Wang' an Wange neigt,
Und der Mund, im Takt der Lieder,
Sich dem Mund entgegen beugt.
Mädchen! schlingt die wildsten Tänze!
Reißt nur euren Kranz entzwei!
Ohne Furcht, denn solche Kränze
Flicht man immer wieder neu;
Doch den andern, den ich meine,
Nehmt, ihr Zärtlichen, in Acht!
Und zumal im Mondenscheine,
Und zumal in solcher Nacht.
Laßt mir doch den Alten machen,
Der sich dort zum Korbe bückt
Und den Krug mit hellem Lachen
Kindisch an die Wange drückt!
Wie sein kleiner Sohn geschäftig
Sorge um den Zecher trägt
Und ihm mit der Fackel kräftig
Den gekrümmten Rücken schlägt!
Aber schaut nach dem Gebüsche,
Wo gedrungner Epheu webt,
Wie sich dort das träumerische
Marmorbild des Gottes hebt!
Lasset uns ihm näher treten,
Schließt mit Fackeln einen Kreis!
Flehet zu ihm in Gebeten,
Doch geheimnißvoll und leis'.
Wahrlich und ſchon mit Entzuͤcken
Iſt der Gott in vollem Lauf,
Schließt vor den erwaͤrmten Blicken
Seine goldnen Himmel auf.
Amor auch hat nichts dawider,
Wenn ſich Wang' an Wange neigt,
Und der Mund, im Takt der Lieder,
Sich dem Mund entgegen beugt.
Maͤdchen! ſchlingt die wildſten Taͤnze!
Reißt nur euren Kranz entzwei!
Ohne Furcht, denn ſolche Kraͤnze
Flicht man immer wieder neu;
Doch den andern, den ich meine,
Nehmt, ihr Zaͤrtlichen, in Acht!
Und zumal im Mondenſcheine,
Und zumal in ſolcher Nacht.
Laßt mir doch den Alten machen,
Der ſich dort zum Korbe buͤckt
Und den Krug mit hellem Lachen
Kindiſch an die Wange druͤckt!
Wie ſein kleiner Sohn geſchaͤftig
Sorge um den Zecher traͤgt
Und ihm mit der Fackel kraͤftig
Den gekruͤmmten Ruͤcken ſchlaͤgt!
Aber ſchaut nach dem Gebuͤſche,
Wo gedrungner Epheu webt,
Wie ſich dort das traͤumeriſche
Marmorbild des Gottes hebt!
Laſſet uns ihm naͤher treten,
Schließt mit Fackeln einen Kreis!
Flehet zu ihm in Gebeten,
Doch geheimnißvoll und leiſ'.
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[105/0121] Wahrlich und ſchon mit Entzuͤcken Iſt der Gott in vollem Lauf, Schließt vor den erwaͤrmten Blicken Seine goldnen Himmel auf. Amor auch hat nichts dawider, Wenn ſich Wang' an Wange neigt, Und der Mund, im Takt der Lieder, Sich dem Mund entgegen beugt. Maͤdchen! ſchlingt die wildſten Taͤnze! Reißt nur euren Kranz entzwei! Ohne Furcht, denn ſolche Kraͤnze Flicht man immer wieder neu; Doch den andern, den ich meine, Nehmt, ihr Zaͤrtlichen, in Acht! Und zumal im Mondenſcheine, Und zumal in ſolcher Nacht. Laßt mir doch den Alten machen, Der ſich dort zum Korbe buͤckt Und den Krug mit hellem Lachen Kindiſch an die Wange druͤckt! Wie ſein kleiner Sohn geſchaͤftig Sorge um den Zecher traͤgt Und ihm mit der Fackel kraͤftig Den gekruͤmmten Ruͤcken ſchlaͤgt! Aber ſchaut nach dem Gebuͤſche, Wo gedrungner Epheu webt, Wie ſich dort das traͤumeriſche Marmorbild des Gottes hebt! Laſſet uns ihm naͤher treten, Schließt mit Fackeln einen Kreis! Flehet zu ihm in Gebeten, Doch geheimnißvoll und leiſ'.

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Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Gedichte. Stuttgart, 1838, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_gedichte_1838/121>, abgerufen am 01.05.2024.