Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mörike, Eduard: Mozart auf der Reise nach Prag. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 263–362. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

ich an meinem Ofen sitzen, nahm meine Katze auf den Schooß und aß meine Kaldausche; und so die folgenden paar Male auch. Jetzt aber, stellen sie sich vor, Tarar auf der Berliner Opernbühne, das Werk seines Todfeinds, von Mozart dirigirt! -- Da müssen Sie schon drein! rief er gleich in der ersten Viertelstunde, und wär's auch nur, daß Sie den Wienern sagen können, ob ich dem Knaben Absalon ein Härchen krümmen ließ. Ich wünschte, er wär' selbst dabei, der Erzneidhammel sollte sehen, daß ich nicht nöthig hab', einem Andern sein Zeug zu verhunzen, damit ich immerfort der bleiben möge, der ich bin!

Brava! bravissima! rief Mozart überlaut und nahm sein Weibchen bei den Ohren, verküßte, herzte, kitzelte sie, so daß sich dieses Spiel mit bunten Seifenblasen einer erträumten Zukunft, die leider niemals, auch nicht im bescheidensten Maße erfüllt werden sollte, zuletzt in hellen Muthwillen, Lärm und Gelächter auflös'te.

Sie waren unterdessen längst ins Thal herab gekommen und näherten sich einem Dorf, das ihnen bereits auf der Höhe bemerklich gewesen und hinter welchem sich unmittelbar ein kleines Schloß von modernem Ansehen, der Wohnsitz eines Grafen von Schinzberg, in der freundlichen Ebene zeigte. Es sollte in dem Ort gefüttert, gerastet und Mittag gehalten werden. Der Gasthof, wo sie hielten, lag vereinzelt am Ende des Dorfs bei der Straße, von welcher seit-

ich an meinem Ofen sitzen, nahm meine Katze auf den Schooß und aß meine Kaldausche; und so die folgenden paar Male auch. Jetzt aber, stellen sie sich vor, Tarar auf der Berliner Opernbühne, das Werk seines Todfeinds, von Mozart dirigirt! — Da müssen Sie schon drein! rief er gleich in der ersten Viertelstunde, und wär's auch nur, daß Sie den Wienern sagen können, ob ich dem Knaben Absalon ein Härchen krümmen ließ. Ich wünschte, er wär' selbst dabei, der Erzneidhammel sollte sehen, daß ich nicht nöthig hab', einem Andern sein Zeug zu verhunzen, damit ich immerfort der bleiben möge, der ich bin!

Brava! bravissima! rief Mozart überlaut und nahm sein Weibchen bei den Ohren, verküßte, herzte, kitzelte sie, so daß sich dieses Spiel mit bunten Seifenblasen einer erträumten Zukunft, die leider niemals, auch nicht im bescheidensten Maße erfüllt werden sollte, zuletzt in hellen Muthwillen, Lärm und Gelächter auflös'te.

Sie waren unterdessen längst ins Thal herab gekommen und näherten sich einem Dorf, das ihnen bereits auf der Höhe bemerklich gewesen und hinter welchem sich unmittelbar ein kleines Schloß von modernem Ansehen, der Wohnsitz eines Grafen von Schinzberg, in der freundlichen Ebene zeigte. Es sollte in dem Ort gefüttert, gerastet und Mittag gehalten werden. Der Gasthof, wo sie hielten, lag vereinzelt am Ende des Dorfs bei der Straße, von welcher seit-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0028"/>
ich      an meinem Ofen sitzen, nahm meine Katze auf den Schooß und aß meine Kaldausche; und so die      folgenden paar Male auch. Jetzt aber, stellen sie sich vor, Tarar auf der Berliner Opernbühne,      das Werk seines Todfeinds, von Mozart dirigirt! &#x2014; Da müssen Sie schon drein! rief er gleich in      der ersten Viertelstunde, und wär's auch nur, daß Sie den Wienern sagen können, ob ich dem      Knaben Absalon ein Härchen krümmen ließ. Ich wünschte, er wär' selbst dabei, der Erzneidhammel      sollte sehen, daß ich nicht nöthig hab', einem Andern sein Zeug zu verhunzen, damit ich      immerfort der bleiben möge, der ich bin! </p><lb/>
        <p>Brava! bravissima! rief Mozart überlaut und nahm sein Weibchen bei den Ohren, verküßte,      herzte, kitzelte sie, so daß sich dieses Spiel mit bunten Seifenblasen einer erträumten      Zukunft, die leider niemals, auch nicht im bescheidensten Maße erfüllt werden sollte, zuletzt      in hellen Muthwillen, Lärm und Gelächter auflös'te.</p><lb/>
        <p>Sie waren unterdessen längst ins Thal herab gekommen und näherten sich einem Dorf, das ihnen      bereits auf der Höhe bemerklich gewesen und hinter welchem sich unmittelbar ein kleines Schloß      von modernem Ansehen, der Wohnsitz eines Grafen von Schinzberg, in der freundlichen Ebene      zeigte. Es sollte in dem Ort gefüttert, gerastet und Mittag gehalten werden. Der Gasthof, wo      sie hielten, lag vereinzelt am Ende des Dorfs bei der Straße, von welcher seit-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0028] ich an meinem Ofen sitzen, nahm meine Katze auf den Schooß und aß meine Kaldausche; und so die folgenden paar Male auch. Jetzt aber, stellen sie sich vor, Tarar auf der Berliner Opernbühne, das Werk seines Todfeinds, von Mozart dirigirt! — Da müssen Sie schon drein! rief er gleich in der ersten Viertelstunde, und wär's auch nur, daß Sie den Wienern sagen können, ob ich dem Knaben Absalon ein Härchen krümmen ließ. Ich wünschte, er wär' selbst dabei, der Erzneidhammel sollte sehen, daß ich nicht nöthig hab', einem Andern sein Zeug zu verhunzen, damit ich immerfort der bleiben möge, der ich bin! Brava! bravissima! rief Mozart überlaut und nahm sein Weibchen bei den Ohren, verküßte, herzte, kitzelte sie, so daß sich dieses Spiel mit bunten Seifenblasen einer erträumten Zukunft, die leider niemals, auch nicht im bescheidensten Maße erfüllt werden sollte, zuletzt in hellen Muthwillen, Lärm und Gelächter auflös'te. Sie waren unterdessen längst ins Thal herab gekommen und näherten sich einem Dorf, das ihnen bereits auf der Höhe bemerklich gewesen und hinter welchem sich unmittelbar ein kleines Schloß von modernem Ansehen, der Wohnsitz eines Grafen von Schinzberg, in der freundlichen Ebene zeigte. Es sollte in dem Ort gefüttert, gerastet und Mittag gehalten werden. Der Gasthof, wo sie hielten, lag vereinzelt am Ende des Dorfs bei der Straße, von welcher seit-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T14:56:24Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T14:56:24Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_mozart_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_mozart_1910/28
Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Mozart auf der Reise nach Prag. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 263–362. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_mozart_1910/28>, abgerufen am 16.04.2024.