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Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832.

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lassen, für die weiblichen aber und für die Kinderkeh-
len sollte mir doch Eins und das andre der Fräulein
zur Seite stehen und mit mir aus der Rolle lesen.
Welche von den Damen würde wohl die Gefälligkeit
haben? Sie, Fräulein von R. und von G. erfreuten
uns schon auf dem Liebhabertheater, an Sie richt' ich
meine Bitte im Namen Aller."

Die Schönen mußten sich's gefallen lassen, sie traten
mit dem dargereichten Hefte beiseit, es vorläufig zu
durchsehen, während Larkens sich von der Gräfin
einen geheizten Saal mit weißen Wänden ausbat und
seine Einrichtung traf.

Nach kurzer Zeit ertönte sein Glöckchen, das die
Gesellschaft hinüber lud in den verdunkelten Saal.
Hinter einer spanischen Wand, die nach einer Seite
offen war, befanden sich Larkens und seine Gehülfinnen
neben der magischen Laterne, welche inzwischen nur
einen runden hellen Schein an die Zimmerdecke warf.
Man nahm im Halbkreise Platz, und Nolten hatte
sich so gesezt, daß er Constanzen in's Auge fassen
konnte.

Nachdem Alles stille geworden, begann hinter der
Gardine eine einleitende Symphonie auf dem Klavier
von einem Mitgliede der Gesellschaft gespielt und von
Larkens mit dem Violoncello begleitet. Unter den
lezten Akkorden erschien an der breitesten, völlig freien
Wandseite des Saales in bedeutender Größe die An-
sicht einer fremdartigen Stadt und Burg, im Mond-

laſſen, für die weiblichen aber und für die Kinderkeh-
len ſollte mir doch Eins und das andre der Fräulein
zur Seite ſtehen und mit mir aus der Rolle leſen.
Welche von den Damen würde wohl die Gefälligkeit
haben? Sie, Fräulein von R. und von G. erfreuten
uns ſchon auf dem Liebhabertheater, an Sie richt’ ich
meine Bitte im Namen Aller.“

Die Schönen mußten ſich’s gefallen laſſen, ſie traten
mit dem dargereichten Hefte beiſeit, es vorläufig zu
durchſehen, während Larkens ſich von der Gräfin
einen geheizten Saal mit weißen Wänden ausbat und
ſeine Einrichtung traf.

Nach kurzer Zeit ertönte ſein Glöckchen, das die
Geſellſchaft hinüber lud in den verdunkelten Saal.
Hinter einer ſpaniſchen Wand, die nach einer Seite
offen war, befanden ſich Larkens und ſeine Gehülfinnen
neben der magiſchen Laterne, welche inzwiſchen nur
einen runden hellen Schein an die Zimmerdecke warf.
Man nahm im Halbkreiſe Platz, und Nolten hatte
ſich ſo geſezt, daß er Conſtanzen in’s Auge faſſen
konnte.

Nachdem Alles ſtille geworden, begann hinter der
Gardine eine einleitende Symphonie auf dem Klavier
von einem Mitgliede der Geſellſchaft geſpielt und von
Larkens mit dem Violoncello begleitet. Unter den
lezten Akkorden erſchien an der breiteſten, völlig freien
Wandſeite des Saales in bedeutender Größe die An-
ſicht einer fremdartigen Stadt und Burg, im Mond-

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[147/0155] laſſen, für die weiblichen aber und für die Kinderkeh- len ſollte mir doch Eins und das andre der Fräulein zur Seite ſtehen und mit mir aus der Rolle leſen. Welche von den Damen würde wohl die Gefälligkeit haben? Sie, Fräulein von R. und von G. erfreuten uns ſchon auf dem Liebhabertheater, an Sie richt’ ich meine Bitte im Namen Aller.“ Die Schönen mußten ſich’s gefallen laſſen, ſie traten mit dem dargereichten Hefte beiſeit, es vorläufig zu durchſehen, während Larkens ſich von der Gräfin einen geheizten Saal mit weißen Wänden ausbat und ſeine Einrichtung traf. Nach kurzer Zeit ertönte ſein Glöckchen, das die Geſellſchaft hinüber lud in den verdunkelten Saal. Hinter einer ſpaniſchen Wand, die nach einer Seite offen war, befanden ſich Larkens und ſeine Gehülfinnen neben der magiſchen Laterne, welche inzwiſchen nur einen runden hellen Schein an die Zimmerdecke warf. Man nahm im Halbkreiſe Platz, und Nolten hatte ſich ſo geſezt, daß er Conſtanzen in’s Auge faſſen konnte. Nachdem Alles ſtille geworden, begann hinter der Gardine eine einleitende Symphonie auf dem Klavier von einem Mitgliede der Geſellſchaft geſpielt und von Larkens mit dem Violoncello begleitet. Unter den lezten Akkorden erſchien an der breiteſten, völlig freien Wandſeite des Saales in bedeutender Größe die An- ſicht einer fremdartigen Stadt und Burg, im Mond-

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Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten01_1832/155>, abgerufen am 20.04.2024.