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Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832.

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streiften bis zur Sonnenkeile, so trieb und plagte
mich's immer, den Stein mit dem Finger zu berühren,
weil ein Glauben in mir war, daß er den warmen
Strahl der Sonne angeschluckt, wie ein Schwamm,
und Funken fahren lasse, welches im Mondschein so
wunderlich aussehen müsse.
Löwener.
Hört, was weiß man denn auch neuerdings von
dem Königsgespenst, das an der Nordküste umgeht?
Suntrard.
Kein Gespenst! wie ich dir schon oft versicherte.
Es ist der tausendjährige König, welcher dieser Insel
einst Gesetze gab. Der Tod ging ihn vorbei; man
sagt, die Götter wollten ihn in dieser langen Probe-
zeit und Einsamkeit geschickt machen, daß er nachher
ihrer einer würde, wegen seiner sonstigen großen Tu-
gend und Tapferkeit. Ich weiß das nicht; doch er
ist Fleisch und Bein, wie wir.
Löwener.
Glaub' das nicht, Fischer.
Suntrard.
Ich hab' es sicher und gewiß, daß ihn der Koll-
mer, der Richter ist in Elnedorf, jeweilig insgeheim
besucht; sonst sieht ihn kein sterblicher Mensch.
Knabe.
Gelt, Vater, er trägt einen Mantel und trägt
ein eisern spitzig Krönlein in den Haaren?
ſtreiften bis zur Sonnenkeile, ſo trieb und plagte
mich’s immer, den Stein mit dem Finger zu berühren,
weil ein Glauben in mir war, daß er den warmen
Strahl der Sonne angeſchluckt, wie ein Schwamm,
und Funken fahren laſſe, welches im Mondſchein ſo
wunderlich ausſehen müſſe.
Löwener.
Hört, was weiß man denn auch neuerdings von
dem Königsgeſpenſt, das an der Nordküſte umgeht?
Suntrard.
Kein Geſpenſt! wie ich dir ſchon oft verſicherte.
Es iſt der tauſendjährige König, welcher dieſer Inſel
einſt Geſetze gab. Der Tod ging ihn vorbei; man
ſagt, die Götter wollten ihn in dieſer langen Probe-
zeit und Einſamkeit geſchickt machen, daß er nachher
ihrer einer würde, wegen ſeiner ſonſtigen großen Tu-
gend und Tapferkeit. Ich weiß das nicht; doch er
iſt Fleiſch und Bein, wie wir.
Löwener.
Glaub’ das nicht, Fiſcher.
Suntrard.
Ich hab’ es ſicher und gewiß, daß ihn der Koll-
mer, der Richter iſt in Elnedorf, jeweilig insgeheim
beſucht; ſonſt ſieht ihn kein ſterblicher Menſch.
Knabe.
Gelt, Vater, er trägt einen Mantel und trägt
ein eiſern ſpitzig Krönlein in den Haaren?
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[152/0160] ſtreiften bis zur Sonnenkeile, ſo trieb und plagte mich’s immer, den Stein mit dem Finger zu berühren, weil ein Glauben in mir war, daß er den warmen Strahl der Sonne angeſchluckt, wie ein Schwamm, und Funken fahren laſſe, welches im Mondſchein ſo wunderlich ausſehen müſſe. Löwener. Hört, was weiß man denn auch neuerdings von dem Königsgeſpenſt, das an der Nordküſte umgeht? Suntrard. Kein Geſpenſt! wie ich dir ſchon oft verſicherte. Es iſt der tauſendjährige König, welcher dieſer Inſel einſt Geſetze gab. Der Tod ging ihn vorbei; man ſagt, die Götter wollten ihn in dieſer langen Probe- zeit und Einſamkeit geſchickt machen, daß er nachher ihrer einer würde, wegen ſeiner ſonſtigen großen Tu- gend und Tapferkeit. Ich weiß das nicht; doch er iſt Fleiſch und Bein, wie wir. Löwener. Glaub’ das nicht, Fiſcher. Suntrard. Ich hab’ es ſicher und gewiß, daß ihn der Koll- mer, der Richter iſt in Elnedorf, jeweilig insgeheim beſucht; ſonſt ſieht ihn kein ſterblicher Menſch. Knabe. Gelt, Vater, er trägt einen Mantel und trägt ein eiſern ſpitzig Krönlein in den Haaren?

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Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten01_1832/160>, abgerufen am 19.04.2024.