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Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832.

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Als müßt' ich's zählen auf der Stell', durchleben
In Einem Athemzug -- Hinweg! man wird zum Narren!

Hm, tausend Jahr; ein König einst! -- o eine Zeit
So langsam, als man sagt, daß Steine wachsen.
Vergangenheit und Gegenwart und Zukunft, --
Gäb' es für die Vernunft ein Drittes noch,
So müßt' er dort verweilen in Gedanken.

Sind's aber einmal tausend, ja, so können
Unzählige noch kommen; sagt man nicht,
Daß auch ein Ball, geworfen über die Grenze
Der Luft, bis wo der Erde Athem nicht mehr hinreicht,
Nicht wieder rückwärts fallen könne, nein,
Er müsse kreisen, ewig, wie ein Stern.
So, fürcht' ich, ist es hier.

Auch spricht man von der Inselgöttin Weyla,
Daß sie ein Blümlein liebgewann von seltner
Und nie geseh'ner Art, ein einzig Wunder,
Dieß schloß die Göttin in das klare Wasser
Des härt'sten Diamant's ein, daß es daure
Mit Farben und Gestalt; wahrhaftig nein,
Ich möchte so geliebt nicht seyn von Weyla,
Doch diesem König hat sie's angethan.

Oft ahnte mir, er selber sey ein Gott,
So anmuthsvoll ist sein verfinstert Antlitz;
Das ist sein größtes Unglück, darum ward,
Wie ich wohl deutlich merke, eine Fee
Von heißer Liebe gegen ihn entzündet,
Und er kann ihrem Dienste nicht entgehn,
Als müßt’ ich’s zählen auf der Stell’, durchleben
In Einem Athemzug — Hinweg! man wird zum Narren!

Hm, tauſend Jahr; ein König einſt! — o eine Zeit
So langſam, als man ſagt, daß Steine wachſen.
Vergangenheit und Gegenwart und Zukunft, —
Gäb’ es für die Vernunft ein Drittes noch,
So müßt’ er dort verweilen in Gedanken.

Sind’s aber einmal tauſend, ja, ſo können
Unzählige noch kommen; ſagt man nicht,
Daß auch ein Ball, geworfen über die Grenze
Der Luft, bis wo der Erde Athem nicht mehr hinreicht,
Nicht wieder rückwärts fallen könne, nein,
Er müſſe kreiſen, ewig, wie ein Stern.
So, fürcht’ ich, iſt es hier.

Auch ſpricht man von der Inſelgöttin Weyla,
Daß ſie ein Blümlein liebgewann von ſeltner
Und nie geſeh’ner Art, ein einzig Wunder,
Dieß ſchloß die Göttin in das klare Waſſer
Des härt’ſten Diamant’s ein, daß es daure
Mit Farben und Geſtalt; wahrhaftig nein,
Ich möchte ſo geliebt nicht ſeyn von Weyla,
Doch dieſem König hat ſie’s angethan.

Oft ahnte mir, er ſelber ſey ein Gott,
So anmuthsvoll iſt ſein verfinſtert Antlitz;
Das iſt ſein größtes Unglück, darum ward,
Wie ich wohl deutlich merke, eine Fee
Von heißer Liebe gegen ihn entzündet,
Und er kann ihrem Dienſte nicht entgehn,
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[154/0162] Als müßt’ ich’s zählen auf der Stell’, durchleben In Einem Athemzug — Hinweg! man wird zum Narren! Hm, tauſend Jahr; ein König einſt! — o eine Zeit So langſam, als man ſagt, daß Steine wachſen. Vergangenheit und Gegenwart und Zukunft, — Gäb’ es für die Vernunft ein Drittes noch, So müßt’ er dort verweilen in Gedanken. Sind’s aber einmal tauſend, ja, ſo können Unzählige noch kommen; ſagt man nicht, Daß auch ein Ball, geworfen über die Grenze Der Luft, bis wo der Erde Athem nicht mehr hinreicht, Nicht wieder rückwärts fallen könne, nein, Er müſſe kreiſen, ewig, wie ein Stern. So, fürcht’ ich, iſt es hier. Auch ſpricht man von der Inſelgöttin Weyla, Daß ſie ein Blümlein liebgewann von ſeltner Und nie geſeh’ner Art, ein einzig Wunder, Dieß ſchloß die Göttin in das klare Waſſer Des härt’ſten Diamant’s ein, daß es daure Mit Farben und Geſtalt; wahrhaftig nein, Ich möchte ſo geliebt nicht ſeyn von Weyla, Doch dieſem König hat ſie’s angethan. Oft ahnte mir, er ſelber ſey ein Gott, So anmuthsvoll iſt ſein verfinſtert Antlitz; Das iſt ſein größtes Unglück, darum ward, Wie ich wohl deutlich merke, eine Fee Von heißer Liebe gegen ihn entzündet, Und er kann ihrem Dienſte nicht entgehn,

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Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten01_1832/162>, abgerufen am 24.04.2024.