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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775.

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die Hollandsgänger betreffend.

Anstatt also wie jener 11 Fl. übrig zu haben, kömmt er um
13 Fl. 14 Stüber zu kurz.

Sie werden mir sagen; der Mann soll sein Garn nicht
roh verkaufen, sondern Linnen daraus machen. Allein wer
da weis, wie mancher Tag zum Garnkochen, Bleichen,
Trocknen, Bocken, Winden, Schieren und Weben erfor-
dert wird; wie vieles Asche und Potasche kosten; und wie
manche Eßstunde der letzte Schlag der Weberin vom Haspel
entfernet ist, der weis auch, daß es weit vortheilhafter sey,
Garn roh zu verkaufen, als Linnen daraus zu machen,
und daß diejenigen, welche letzters erwählen, solches blos aus
der Ursache thun, weil sie die Gelegenheit nicht haben, das
das Garn roh zu verkaufen; oder weil das Linnen auf ein-
mal ein besser Stück Geld bringt; oder aber, weil sie nicht
so viel Flachs haben, um ihre Weibsleute den Winter über
mit Spinnen zu beschäftigen, und sie daher Weben lassen
müssen, damit sie die Kost, welche ihren Gang gehet, in et-
wa bezahlen. Mancher versteht es auch nicht besser; oder
folgt dem Herkommen; oder gedenkt sein bisgen Hede besser
zu nutzen.

Dies wäre nun die erste Bilanz. Aber wie steht es
jetzt um die 24 Fl. welche sie dem Hollandsgänger für Scha-
den am Lande an seinem Gewinnst abziehen? Wenn der fleis-
sige Mann zu Hause 40 Wochen am Rade gesessen, oder Tag-
lohn verdienet hat: so kann er ebenfalls nicht auf seinem Acker
gewesen seyn. Diese fallen also aus ihrer Rechnung heraus;
oder wir müssen sie dem andern auch anrechnen. Wir wollen
das erste thun, und so hat der Hollandsgänger 35 Fl. übrig;
und der Heuermann zu Hause bleibt 13 Fl. 14 Stüber
schuldig.

Ueberhaupt aber sind die 24 Fl. welche der Hollands-
gänger am Ackerbau Schaden leiden soll, zu hoch berechnet.

Er
Mösers patr. Phantas. I. Th. H
die Hollandsgaͤnger betreffend.

Anſtatt alſo wie jener 11 Fl. uͤbrig zu haben, koͤmmt er um
13 Fl. 14 Stuͤber zu kurz.

Sie werden mir ſagen; der Mann ſoll ſein Garn nicht
roh verkaufen, ſondern Linnen daraus machen. Allein wer
da weis, wie mancher Tag zum Garnkochen, Bleichen,
Trocknen, Bocken, Winden, Schieren und Weben erfor-
dert wird; wie vieles Aſche und Potaſche koſten; und wie
manche Eßſtunde der letzte Schlag der Weberin vom Haſpel
entfernet iſt, der weis auch, daß es weit vortheilhafter ſey,
Garn roh zu verkaufen, als Linnen daraus zu machen,
und daß diejenigen, welche letzters erwaͤhlen, ſolches blos aus
der Urſache thun, weil ſie die Gelegenheit nicht haben, das
das Garn roh zu verkaufen; oder weil das Linnen auf ein-
mal ein beſſer Stuͤck Geld bringt; oder aber, weil ſie nicht
ſo viel Flachs haben, um ihre Weibsleute den Winter uͤber
mit Spinnen zu beſchaͤftigen, und ſie daher Weben laſſen
muͤſſen, damit ſie die Koſt, welche ihren Gang gehet, in et-
wa bezahlen. Mancher verſteht es auch nicht beſſer; oder
folgt dem Herkommen; oder gedenkt ſein bisgen Hede beſſer
zu nutzen.

Dies waͤre nun die erſte Bilanz. Aber wie ſteht es
jetzt um die 24 Fl. welche ſie dem Hollandsgaͤnger fuͤr Scha-
den am Lande an ſeinem Gewinnſt abziehen? Wenn der fleiſ-
ſige Mann zu Hauſe 40 Wochen am Rade geſeſſen, oder Tag-
lohn verdienet hat: ſo kann er ebenfalls nicht auf ſeinem Acker
geweſen ſeyn. Dieſe fallen alſo aus ihrer Rechnung heraus;
oder wir muͤſſen ſie dem andern auch anrechnen. Wir wollen
das erſte thun, und ſo hat der Hollandsgaͤnger 35 Fl. uͤbrig;
und der Heuermann zu Hauſe bleibt 13 Fl. 14 Stuͤber
ſchuldig.

Ueberhaupt aber ſind die 24 Fl. welche der Hollands-
gaͤnger am Ackerbau Schaden leiden ſoll, zu hoch berechnet.

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[113/0131] die Hollandsgaͤnger betreffend. Anſtatt alſo wie jener 11 Fl. uͤbrig zu haben, koͤmmt er um 13 Fl. 14 Stuͤber zu kurz. Sie werden mir ſagen; der Mann ſoll ſein Garn nicht roh verkaufen, ſondern Linnen daraus machen. Allein wer da weis, wie mancher Tag zum Garnkochen, Bleichen, Trocknen, Bocken, Winden, Schieren und Weben erfor- dert wird; wie vieles Aſche und Potaſche koſten; und wie manche Eßſtunde der letzte Schlag der Weberin vom Haſpel entfernet iſt, der weis auch, daß es weit vortheilhafter ſey, Garn roh zu verkaufen, als Linnen daraus zu machen, und daß diejenigen, welche letzters erwaͤhlen, ſolches blos aus der Urſache thun, weil ſie die Gelegenheit nicht haben, das das Garn roh zu verkaufen; oder weil das Linnen auf ein- mal ein beſſer Stuͤck Geld bringt; oder aber, weil ſie nicht ſo viel Flachs haben, um ihre Weibsleute den Winter uͤber mit Spinnen zu beſchaͤftigen, und ſie daher Weben laſſen muͤſſen, damit ſie die Koſt, welche ihren Gang gehet, in et- wa bezahlen. Mancher verſteht es auch nicht beſſer; oder folgt dem Herkommen; oder gedenkt ſein bisgen Hede beſſer zu nutzen. Dies waͤre nun die erſte Bilanz. Aber wie ſteht es jetzt um die 24 Fl. welche ſie dem Hollandsgaͤnger fuͤr Scha- den am Lande an ſeinem Gewinnſt abziehen? Wenn der fleiſ- ſige Mann zu Hauſe 40 Wochen am Rade geſeſſen, oder Tag- lohn verdienet hat: ſo kann er ebenfalls nicht auf ſeinem Acker geweſen ſeyn. Dieſe fallen alſo aus ihrer Rechnung heraus; oder wir muͤſſen ſie dem andern auch anrechnen. Wir wollen das erſte thun, und ſo hat der Hollandsgaͤnger 35 Fl. uͤbrig; und der Heuermann zu Hauſe bleibt 13 Fl. 14 Stuͤber ſchuldig. Ueberhaupt aber ſind die 24 Fl. welche der Hollands- gaͤnger am Ackerbau Schaden leiden ſoll, zu hoch berechnet. Er Möſers patr. Phantaſ. I. Th. H

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/131>, abgerufen am 24.04.2024.