Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775.

Bild:
<< vorherige Seite

an ihre Freundin auf dem Lande.
der Mythologie, der Geschichte, der Dichtkunst, der Mahle-
rey, der Heraldik und überhaupt in allen nur immer mögli-
chen Künsten und Wissenschaften weit erfahrner als mancher
Hofmeister, der doch sonst auch alles wissen muß, und es müßte
Schade seyn, wenn sie nicht eine Belagerung besser ausbacken
könnten als der größte Feldmarschall.

Urtheilen Sie also, was ich bey Ihnen auf dem Lande
gelitten habe, wo ihre Krebse nichts als Krebs, und ihre gros-
sen Karpen nichts als Karpen waren. Wie ist es aber mög-
lich, daß Sie ihre Zeit so abgeschmackt zubringen, und ihren
Verstand so wenig üben können. Noch ist es Zeit sich zu be-
kehren. Sie haben erst zwanzig Jahr, und eine Figur die
wenigstens etwas verspricht. Kommen Sie also zu uns. Ich
will Ihnen die Manier und den Weg zur Bewunderung in
einem Monate zeigen, und so können Sie vielleicht noch eine
kleine Rolle am Hofe mitspielen. ......



XXVII.
Gedanken über die vielen Lotterien. Bey dem
Anfange der Osnabrückischen Lotterie.

Sie haben recht, mein guter Crito, die vielen Lotterien,
und der große Beyfall, den sie überall finden, ist ein
Merkmal unser höchstverdorbenen Sitten. Die Menschen,
und sogar auch diejenigen unter ihnen, denen die weise Vor-
sehung nichts ohne Mühe zugedacht hat, wollen alle plötzlich
reich werden, und fallen in Versuchung und Stricke; und
viel reitzendere Stricke als die Lotterien giebt es, den Stein
der Weisen ausgenommen, gewiß nicht. Die Neigung zu

leicht-
Mösers patr. Phantas. I. Th. L

an ihre Freundin auf dem Lande.
der Mythologie, der Geſchichte, der Dichtkunſt, der Mahle-
rey, der Heraldik und uͤberhaupt in allen nur immer moͤgli-
chen Kuͤnſten und Wiſſenſchaften weit erfahrner als mancher
Hofmeiſter, der doch ſonſt auch alles wiſſen muß, und es muͤßte
Schade ſeyn, wenn ſie nicht eine Belagerung beſſer ausbacken
koͤnnten als der groͤßte Feldmarſchall.

Urtheilen Sie alſo, was ich bey Ihnen auf dem Lande
gelitten habe, wo ihre Krebſe nichts als Krebs, und ihre groſ-
ſen Karpen nichts als Karpen waren. Wie iſt es aber moͤg-
lich, daß Sie ihre Zeit ſo abgeſchmackt zubringen, und ihren
Verſtand ſo wenig uͤben koͤnnen. Noch iſt es Zeit ſich zu be-
kehren. Sie haben erſt zwanzig Jahr, und eine Figur die
wenigſtens etwas verſpricht. Kommen Sie alſo zu uns. Ich
will Ihnen die Manier und den Weg zur Bewunderung in
einem Monate zeigen, und ſo koͤnnen Sie vielleicht noch eine
kleine Rolle am Hofe mitſpielen. ......



XXVII.
Gedanken uͤber die vielen Lotterien. Bey dem
Anfange der Oſnabruͤckiſchen Lotterie.

Sie haben recht, mein guter Crito, die vielen Lotterien,
und der große Beyfall, den ſie uͤberall finden, iſt ein
Merkmal unſer hoͤchſtverdorbenen Sitten. Die Menſchen,
und ſogar auch diejenigen unter ihnen, denen die weiſe Vor-
ſehung nichts ohne Muͤhe zugedacht hat, wollen alle ploͤtzlich
reich werden, und fallen in Verſuchung und Stricke; und
viel reitzendere Stricke als die Lotterien giebt es, den Stein
der Weiſen ausgenommen, gewiß nicht. Die Neigung zu

leicht-
Möſers patr. Phantaſ. I. Th. L
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0179" n="161"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">an ihre Freundin auf dem Lande.</hi></fw><lb/>
der Mythologie, der Ge&#x017F;chichte, der Dichtkun&#x017F;t, der Mahle-<lb/>
rey, der Heraldik und u&#x0364;berhaupt in allen nur immer mo&#x0364;gli-<lb/>
chen Ku&#x0364;n&#x017F;ten und Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaften weit erfahrner als mancher<lb/>
Hofmei&#x017F;ter, der doch &#x017F;on&#x017F;t auch alles wi&#x017F;&#x017F;en muß, und es mu&#x0364;ßte<lb/>
Schade &#x017F;eyn, wenn &#x017F;ie nicht eine Belagerung be&#x017F;&#x017F;er ausbacken<lb/>
ko&#x0364;nnten als der gro&#x0364;ßte Feldmar&#x017F;chall.</p><lb/>
        <p>Urtheilen Sie al&#x017F;o, was ich bey Ihnen auf dem Lande<lb/>
gelitten habe, wo ihre Kreb&#x017F;e nichts als Krebs, und ihre gro&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en Karpen nichts als Karpen waren. Wie i&#x017F;t es aber mo&#x0364;g-<lb/>
lich, daß Sie ihre Zeit &#x017F;o abge&#x017F;chmackt zubringen, und ihren<lb/>
Ver&#x017F;tand &#x017F;o wenig u&#x0364;ben ko&#x0364;nnen. Noch i&#x017F;t es Zeit &#x017F;ich zu be-<lb/>
kehren. Sie haben er&#x017F;t zwanzig Jahr, und eine Figur die<lb/>
wenig&#x017F;tens etwas ver&#x017F;pricht. Kommen Sie al&#x017F;o zu uns. Ich<lb/>
will Ihnen die Manier und den Weg zur Bewunderung in<lb/>
einem Monate zeigen, und &#x017F;o ko&#x0364;nnen Sie vielleicht noch eine<lb/>
kleine Rolle am Hofe mit&#x017F;pielen. ......</p>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">XXVII.</hi><lb/>
Gedanken u&#x0364;ber die vielen Lotterien. Bey dem<lb/>
Anfange der O&#x017F;nabru&#x0364;cki&#x017F;chen Lotterie.</hi> </head><lb/>
        <p>Sie haben recht, mein guter Crito, die vielen Lotterien,<lb/>
und der große Beyfall, den &#x017F;ie u&#x0364;berall finden, i&#x017F;t ein<lb/>
Merkmal un&#x017F;er ho&#x0364;ch&#x017F;tverdorbenen Sitten. Die Men&#x017F;chen,<lb/>
und &#x017F;ogar auch diejenigen unter ihnen, denen die wei&#x017F;e Vor-<lb/>
&#x017F;ehung nichts ohne Mu&#x0364;he zugedacht hat, wollen alle plo&#x0364;tzlich<lb/>
reich werden, und fallen in Ver&#x017F;uchung und Stricke; und<lb/>
viel reitzendere Stricke als die Lotterien giebt es, den Stein<lb/>
der Wei&#x017F;en ausgenommen, gewiß nicht. Die Neigung zu<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#fr">&#x017F;ers patr. Phanta&#x017F;.</hi><hi rendition="#aq">I.</hi><hi rendition="#fr">Th.</hi> L</fw><fw place="bottom" type="catch">leicht-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[161/0179] an ihre Freundin auf dem Lande. der Mythologie, der Geſchichte, der Dichtkunſt, der Mahle- rey, der Heraldik und uͤberhaupt in allen nur immer moͤgli- chen Kuͤnſten und Wiſſenſchaften weit erfahrner als mancher Hofmeiſter, der doch ſonſt auch alles wiſſen muß, und es muͤßte Schade ſeyn, wenn ſie nicht eine Belagerung beſſer ausbacken koͤnnten als der groͤßte Feldmarſchall. Urtheilen Sie alſo, was ich bey Ihnen auf dem Lande gelitten habe, wo ihre Krebſe nichts als Krebs, und ihre groſ- ſen Karpen nichts als Karpen waren. Wie iſt es aber moͤg- lich, daß Sie ihre Zeit ſo abgeſchmackt zubringen, und ihren Verſtand ſo wenig uͤben koͤnnen. Noch iſt es Zeit ſich zu be- kehren. Sie haben erſt zwanzig Jahr, und eine Figur die wenigſtens etwas verſpricht. Kommen Sie alſo zu uns. Ich will Ihnen die Manier und den Weg zur Bewunderung in einem Monate zeigen, und ſo koͤnnen Sie vielleicht noch eine kleine Rolle am Hofe mitſpielen. ...... XXVII. Gedanken uͤber die vielen Lotterien. Bey dem Anfange der Oſnabruͤckiſchen Lotterie. Sie haben recht, mein guter Crito, die vielen Lotterien, und der große Beyfall, den ſie uͤberall finden, iſt ein Merkmal unſer hoͤchſtverdorbenen Sitten. Die Menſchen, und ſogar auch diejenigen unter ihnen, denen die weiſe Vor- ſehung nichts ohne Muͤhe zugedacht hat, wollen alle ploͤtzlich reich werden, und fallen in Verſuchung und Stricke; und viel reitzendere Stricke als die Lotterien giebt es, den Stein der Weiſen ausgenommen, gewiß nicht. Die Neigung zu leicht- Möſers patr. Phantaſ. I. Th. L

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/179
Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/179>, abgerufen am 28.03.2024.