Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775.

Bild:
<< vorherige Seite

Trostgründe bey den zunehmenden
auf sichtbaren Gründen beruhete, und der Staat duldete es
nicht, daß der Acker mit jährlichen Abgiften zum Vortheil
der abgehenden Kinder, beschweret wurde.

Ehe du kamest, entschieden Klugheit und Stärke diese
wahren Vorzüge der Thiere und Menschen das Schicksal der
Völker. Die Krämer herrschten nicht mit ihrem Gelde über
die Tapfersten; und der Zugang zu den geheimsten Staats-
räthen konnte für eine Tonne Pöckelfleisch nicht so leise als
für eine Tonne Goldes in Wechseln eröfnet werden.

Glückselige Zeiten! denen wir uns nunmehr wieder
nähern können, da die mächtige Zauberin zusehends verschwin-
det. Wie mäßig, wie ruhig, wie sicher werden wir leben,
wenn wir ohne Geld alles mit Korn wieder bezahlen können;
wenn der Steuereinnehmer, der Gutsherr, der Richter und
der Gläubiger nicht mehr nehmen mögen, als sie mit Ge-
walt verzehren, und für Würmer bewahren können! wenn
der Bettler mit seinem täglichen Brodte zufrieden seyn muß,
und keine Pfänder mehr verkaufet werden können!

Bedauret demnach edle Mitbürger den Mangel des
Geldes nicht. Bemühet euch vielmehr den Rest dieses Uebels
vollends los zu werden! Werft eure Reichthümer ins Meer
oder schickt sie den bösen Nationen zur Strafe zu, die euch
mit Wein, Coffee und neuen Moden versorgen. Hungert
die Einwohner der Städte, die ohne Ackerbau, blos von
eurer Thorheit leben, völlig aus, und zwingt sie, euch bey
eurer Mäßigkeit zu lassen. Ihr braucht alsdenn nichts wie
Mausefallen, um euch für die gefährlichste Art von Feinden
und Dieben sicher zu stellen.

Johann Jacob. ....

N. S.

Ich hoffe, meine geneigten Leser, werden dem Sophi-
sten zu gefallen, wenn sie auch dessen Gründe nicht beantwor-

ten

Troſtgruͤnde bey den zunehmenden
auf ſichtbaren Gruͤnden beruhete, und der Staat duldete es
nicht, daß der Acker mit jaͤhrlichen Abgiften zum Vortheil
der abgehenden Kinder, beſchweret wurde.

Ehe du kameſt, entſchieden Klugheit und Staͤrke dieſe
wahren Vorzuͤge der Thiere und Menſchen das Schickſal der
Voͤlker. Die Kraͤmer herrſchten nicht mit ihrem Gelde uͤber
die Tapferſten; und der Zugang zu den geheimſten Staats-
raͤthen konnte fuͤr eine Tonne Poͤckelfleiſch nicht ſo leiſe als
fuͤr eine Tonne Goldes in Wechſeln eroͤfnet werden.

Gluͤckſelige Zeiten! denen wir uns nunmehr wieder
naͤhern koͤnnen, da die maͤchtige Zauberin zuſehends verſchwin-
det. Wie maͤßig, wie ruhig, wie ſicher werden wir leben,
wenn wir ohne Geld alles mit Korn wieder bezahlen koͤnnen;
wenn der Steuereinnehmer, der Gutsherr, der Richter und
der Glaͤubiger nicht mehr nehmen moͤgen, als ſie mit Ge-
walt verzehren, und fuͤr Wuͤrmer bewahren koͤnnen! wenn
der Bettler mit ſeinem taͤglichen Brodte zufrieden ſeyn muß,
und keine Pfaͤnder mehr verkaufet werden koͤnnen!

Bedauret demnach edle Mitbuͤrger den Mangel des
Geldes nicht. Bemuͤhet euch vielmehr den Reſt dieſes Uebels
vollends los zu werden! Werft eure Reichthuͤmer ins Meer
oder ſchickt ſie den boͤſen Nationen zur Strafe zu, die euch
mit Wein, Coffee und neuen Moden verſorgen. Hungert
die Einwohner der Staͤdte, die ohne Ackerbau, blos von
eurer Thorheit leben, voͤllig aus, und zwingt ſie, euch bey
eurer Maͤßigkeit zu laſſen. Ihr braucht alsdenn nichts wie
Mauſefallen, um euch fuͤr die gefaͤhrlichſte Art von Feinden
und Dieben ſicher zu ſtellen.

Johann Jacob. ....

N. S.

Ich hoffe, meine geneigten Leſer, werden dem Sophi-
ſten zu gefallen, wenn ſie auch deſſen Gruͤnde nicht beantwor-

ten
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0188" n="170"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Tro&#x017F;tgru&#x0364;nde bey den zunehmenden</hi></fw><lb/>
auf &#x017F;ichtbaren Gru&#x0364;nden beruhete, und der Staat duldete es<lb/>
nicht, daß der Acker mit ja&#x0364;hrlichen Abgiften zum Vortheil<lb/>
der abgehenden Kinder, be&#x017F;chweret wurde.</p><lb/>
        <p>Ehe du kame&#x017F;t, ent&#x017F;chieden Klugheit und Sta&#x0364;rke die&#x017F;e<lb/>
wahren Vorzu&#x0364;ge der Thiere und Men&#x017F;chen das Schick&#x017F;al der<lb/>
Vo&#x0364;lker. Die Kra&#x0364;mer herr&#x017F;chten nicht mit ihrem Gelde u&#x0364;ber<lb/>
die Tapfer&#x017F;ten; und der Zugang zu den geheim&#x017F;ten Staats-<lb/>
ra&#x0364;then konnte fu&#x0364;r eine Tonne Po&#x0364;ckelflei&#x017F;ch nicht &#x017F;o lei&#x017F;e als<lb/>
fu&#x0364;r eine Tonne Goldes in Wech&#x017F;eln ero&#x0364;fnet werden.</p><lb/>
        <p>Glu&#x0364;ck&#x017F;elige Zeiten! denen wir uns nunmehr wieder<lb/>
na&#x0364;hern ko&#x0364;nnen, da die ma&#x0364;chtige Zauberin zu&#x017F;ehends ver&#x017F;chwin-<lb/>
det. Wie ma&#x0364;ßig, wie ruhig, wie &#x017F;icher werden wir leben,<lb/>
wenn wir ohne Geld alles mit Korn wieder bezahlen ko&#x0364;nnen;<lb/>
wenn der Steuereinnehmer, der Gutsherr, der Richter und<lb/>
der Gla&#x0364;ubiger nicht mehr nehmen mo&#x0364;gen, als &#x017F;ie mit Ge-<lb/>
walt verzehren, und fu&#x0364;r Wu&#x0364;rmer bewahren ko&#x0364;nnen! wenn<lb/>
der Bettler mit &#x017F;einem ta&#x0364;glichen Brodte zufrieden &#x017F;eyn muß,<lb/>
und keine Pfa&#x0364;nder mehr verkaufet werden ko&#x0364;nnen!</p><lb/>
        <p>Bedauret demnach edle Mitbu&#x0364;rger den Mangel des<lb/>
Geldes nicht. Bemu&#x0364;het euch vielmehr den Re&#x017F;t die&#x017F;es Uebels<lb/>
vollends los zu werden! Werft eure Reichthu&#x0364;mer ins Meer<lb/>
oder &#x017F;chickt &#x017F;ie den bo&#x0364;&#x017F;en Nationen zur Strafe zu, die euch<lb/>
mit Wein, Coffee und neuen Moden ver&#x017F;orgen. Hungert<lb/>
die Einwohner der Sta&#x0364;dte, die ohne Ackerbau, blos von<lb/>
eurer Thorheit leben, vo&#x0364;llig aus, und zwingt &#x017F;ie, euch bey<lb/>
eurer Ma&#x0364;ßigkeit zu la&#x017F;&#x017F;en. Ihr braucht alsdenn nichts wie<lb/>
Mau&#x017F;efallen, um euch fu&#x0364;r die gefa&#x0364;hrlich&#x017F;te Art von Feinden<lb/>
und Dieben &#x017F;icher zu &#x017F;tellen.</p><lb/>
        <closer>
          <salute> <hi rendition="#et"><hi rendition="#fr">Johann Jacob.</hi> ....</hi> </salute>
        </closer><lb/>
        <postscript>
          <p> <hi rendition="#et">N. S.</hi> </p><lb/>
          <p>Ich hoffe, meine geneigten Le&#x017F;er, werden dem Sophi-<lb/>
&#x017F;ten zu gefallen, wenn &#x017F;ie auch de&#x017F;&#x017F;en Gru&#x0364;nde nicht beantwor-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ten</fw><lb/></p>
        </postscript>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[170/0188] Troſtgruͤnde bey den zunehmenden auf ſichtbaren Gruͤnden beruhete, und der Staat duldete es nicht, daß der Acker mit jaͤhrlichen Abgiften zum Vortheil der abgehenden Kinder, beſchweret wurde. Ehe du kameſt, entſchieden Klugheit und Staͤrke dieſe wahren Vorzuͤge der Thiere und Menſchen das Schickſal der Voͤlker. Die Kraͤmer herrſchten nicht mit ihrem Gelde uͤber die Tapferſten; und der Zugang zu den geheimſten Staats- raͤthen konnte fuͤr eine Tonne Poͤckelfleiſch nicht ſo leiſe als fuͤr eine Tonne Goldes in Wechſeln eroͤfnet werden. Gluͤckſelige Zeiten! denen wir uns nunmehr wieder naͤhern koͤnnen, da die maͤchtige Zauberin zuſehends verſchwin- det. Wie maͤßig, wie ruhig, wie ſicher werden wir leben, wenn wir ohne Geld alles mit Korn wieder bezahlen koͤnnen; wenn der Steuereinnehmer, der Gutsherr, der Richter und der Glaͤubiger nicht mehr nehmen moͤgen, als ſie mit Ge- walt verzehren, und fuͤr Wuͤrmer bewahren koͤnnen! wenn der Bettler mit ſeinem taͤglichen Brodte zufrieden ſeyn muß, und keine Pfaͤnder mehr verkaufet werden koͤnnen! Bedauret demnach edle Mitbuͤrger den Mangel des Geldes nicht. Bemuͤhet euch vielmehr den Reſt dieſes Uebels vollends los zu werden! Werft eure Reichthuͤmer ins Meer oder ſchickt ſie den boͤſen Nationen zur Strafe zu, die euch mit Wein, Coffee und neuen Moden verſorgen. Hungert die Einwohner der Staͤdte, die ohne Ackerbau, blos von eurer Thorheit leben, voͤllig aus, und zwingt ſie, euch bey eurer Maͤßigkeit zu laſſen. Ihr braucht alsdenn nichts wie Mauſefallen, um euch fuͤr die gefaͤhrlichſte Art von Feinden und Dieben ſicher zu ſtellen. Johann Jacob. .... N. S. Ich hoffe, meine geneigten Leſer, werden dem Sophi- ſten zu gefallen, wenn ſie auch deſſen Gruͤnde nicht beantwor- ten

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/188
Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/188>, abgerufen am 29.03.2024.