In den mehresten Provinzien Deutschlandes giebt es auf dem Lande Zwangbrauereyen und Zwangkrüge. Die Städte, welche sich von diesem Zwange losgemacht, haben ihre besondern Ordnungen, und sie werden entweder durch eine eigne Bierprobe oder aber durch beeidete Braumeister und andre Anstalten zur Beobachtung einer sichern Regel im Brauen angehalten. Gleichwohl sagt man, daß daselbst das Bier immer schlechter und bey weiten nicht so gut als ehedem gemacht werde.
Hier im Stifte weis man von keinem Zwange; die Bierprobe ist längst in Vergessenheit gerathen, und beeidete Braumeister sind wohl niemals vorhanden gewesen. Auf dem Lande braut und schenkt wer Lust und Mittel dazu hat. In den Städten ist kein Reihebrauen, kein Brauhaus und keine eigentliche Braugerechtigkeit. Man genießt also einer unumschränkten Freyheit. Dennoch sagt und sieht man, daß das Bier überall schlechter und lange nicht so gut als in den vorigen Zeiten gebrauet werde.
Es haben also so wenig Zwang als Freyheit den Ver- fall der Braunahrung verhindern können. Indessen scheinet es doch das sicherste zu seyn, das Brauwesen eher mit als ohne Ordnung fortgehen zu lassen.
Unstreitig sind ehedem und zwar zur Zeit als jedes Kirch- spiel noch ein eignes Amt unter seinem Kaspelherrn ausmachte, gute Anstalten vorhanden gewesen; die aber mit einander ver- lohren gegangen, als man jene kleine Kaspelämter und Nie-
der-
Von Verbeſſerung der Brauanſtalten.
XXX. Von Verbeſſerung der Brauanſtalten.
In den mehreſten Provinzien Deutſchlandes giebt es auf dem Lande Zwangbrauereyen und Zwangkruͤge. Die Staͤdte, welche ſich von dieſem Zwange losgemacht, haben ihre beſondern Ordnungen, und ſie werden entweder durch eine eigne Bierprobe oder aber durch beeidete Braumeiſter und andre Anſtalten zur Beobachtung einer ſichern Regel im Brauen angehalten. Gleichwohl ſagt man, daß daſelbſt das Bier immer ſchlechter und bey weiten nicht ſo gut als ehedem gemacht werde.
Hier im Stifte weis man von keinem Zwange; die Bierprobe iſt laͤngſt in Vergeſſenheit gerathen, und beeidete Braumeiſter ſind wohl niemals vorhanden geweſen. Auf dem Lande braut und ſchenkt wer Luſt und Mittel dazu hat. In den Staͤdten iſt kein Reihebrauen, kein Brauhaus und keine eigentliche Braugerechtigkeit. Man genießt alſo einer unumſchraͤnkten Freyheit. Dennoch ſagt und ſieht man, daß das Bier uͤberall ſchlechter und lange nicht ſo gut als in den vorigen Zeiten gebrauet werde.
Es haben alſo ſo wenig Zwang als Freyheit den Ver- fall der Braunahrung verhindern koͤnnen. Indeſſen ſcheinet es doch das ſicherſte zu ſeyn, das Brauweſen eher mit als ohne Ordnung fortgehen zu laſſen.
Unſtreitig ſind ehedem und zwar zur Zeit als jedes Kirch- ſpiel noch ein eignes Amt unter ſeinem Kaſpelherrn ausmachte, gute Anſtalten vorhanden geweſen; die aber mit einander ver- lohren gegangen, als man jene kleine Kaſpelämter und Nie-
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[176/0194]
Von Verbeſſerung der Brauanſtalten.
XXX.
Von Verbeſſerung der Brauanſtalten.
In den mehreſten Provinzien Deutſchlandes giebt es auf
dem Lande Zwangbrauereyen und Zwangkruͤge. Die
Staͤdte, welche ſich von dieſem Zwange losgemacht, haben
ihre beſondern Ordnungen, und ſie werden entweder durch
eine eigne Bierprobe oder aber durch beeidete Braumeiſter
und andre Anſtalten zur Beobachtung einer ſichern Regel im
Brauen angehalten. Gleichwohl ſagt man, daß daſelbſt das
Bier immer ſchlechter und bey weiten nicht ſo gut als ehedem
gemacht werde.
Hier im Stifte weis man von keinem Zwange; die
Bierprobe iſt laͤngſt in Vergeſſenheit gerathen, und beeidete
Braumeiſter ſind wohl niemals vorhanden geweſen. Auf
dem Lande braut und ſchenkt wer Luſt und Mittel dazu hat.
In den Staͤdten iſt kein Reihebrauen, kein Brauhaus und
keine eigentliche Braugerechtigkeit. Man genießt alſo einer
unumſchraͤnkten Freyheit. Dennoch ſagt und ſieht man, daß
das Bier uͤberall ſchlechter und lange nicht ſo gut als in den
vorigen Zeiten gebrauet werde.
Es haben alſo ſo wenig Zwang als Freyheit den Ver-
fall der Braunahrung verhindern koͤnnen. Indeſſen ſcheinet
es doch das ſicherſte zu ſeyn, das Brauweſen eher mit als
ohne Ordnung fortgehen zu laſſen.
Unſtreitig ſind ehedem und zwar zur Zeit als jedes Kirch-
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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/194>, abgerufen am 29.03.2024.
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