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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775.

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Von dem Verfall des Handwerks
den Vortheil Lehrbursche zu haben, entbehren, und wofern
er einen Gesellen haben will, solchen kostbarlich aus fremden
ausserhalb Reichs gelegenen Orten kommen lassen muß.

Wie aber, wenn Ihro Kayserl. Majestät, nach dem
Beyspiele des jetzigen Königes von Frankreich, in allen gros-
sen deutschen Städten vier Freymeister in jeder Kunst privile-
girten, die miteinander eben wie die zünftigen Meister cor-
respondirten; ihre Lehrburschen zu Freygesellen machten; ihre
Logen oder Krüge zu deren Aufnahme hielten und in allen
eben so aneinander hiengen, als die geschlossenen Zünfte? Wie
wenn es Ihro Kayserl. Majestät gefiele, sich mit England,
Frankreich und Holland darüber zu vereinigen, daß die Haupt-
Freymeisterlogen in jedem Reiche eine gemeine Kundschaft zu-
sammen errichteten und die Freygesellen wechselsweise von ein-
ander annähmen? Solte alsdenn nicht das Recht eines jeden
Landesherrn, nach Gefallen einen Freymeister anzuordnen,
von ganz andrer Würkung seyn? Jetzt ist es ein Schatten;
alsdenn aber würde es das allerkräftigste Mittel werden auf
einmal den größten Wetteifer in ganz Deutschland zu erregen.

In den alten Zeiten waren viele Gesellschaften, und
besonders die von der sogenannten runden Tafel, worinn nie-
mand zugelassen wurde, als der gewisse Ahnen beweisen konn-
te. Diese Gesellschaften hiessen Massoneyen, welches mit
dem holländischen Maetschapy und dem deutschen Mascopey
übereinkömmt. Gegen diese Gesellschaften wurden freye Mas-
soneyen errichtet, worinn jeder ehrlicher Mann ohne Rück-
sicht auf seine Geburt aufgenommen wurde. Ihre Mitglie-
der nennten sich freye Massons, welche lächerlich genung durch
Freymäurer *) übersetzt ist, und in der That nur einen

Frey-
*) Die Erbauung der Paulskirche in London, welche die jetzt so-
genannten Freymäurer durch Beyschüsse an Gelde zu Stan-
de brachten, hat zu jener Mißdeutung und auch dazu Ge-
legenheit gegeben, daß jene Freygesellschaft die Maurer-
Werkzeuge als Ordenszeichen angenommen haben.

Von dem Verfall des Handwerks
den Vortheil Lehrburſche zu haben, entbehren, und wofern
er einen Geſellen haben will, ſolchen koſtbarlich aus fremden
auſſerhalb Reichs gelegenen Orten kommen laſſen muß.

Wie aber, wenn Ihro Kayſerl. Majeſtaͤt, nach dem
Beyſpiele des jetzigen Koͤniges von Frankreich, in allen groſ-
ſen deutſchen Staͤdten vier Freymeiſter in jeder Kunſt privile-
girten, die miteinander eben wie die zuͤnftigen Meiſter cor-
reſpondirten; ihre Lehrburſchen zu Freygeſellen machten; ihre
Logen oder Kruͤge zu deren Aufnahme hielten und in allen
eben ſo aneinander hiengen, als die geſchloſſenen Zuͤnfte? Wie
wenn es Ihro Kayſerl. Majeſtaͤt gefiele, ſich mit England,
Frankreich und Holland daruͤber zu vereinigen, daß die Haupt-
Freymeiſterlogen in jedem Reiche eine gemeine Kundſchaft zu-
ſammen errichteten und die Freygeſellen wechſelsweiſe von ein-
ander annaͤhmen? Solte alsdenn nicht das Recht eines jeden
Landesherrn, nach Gefallen einen Freymeiſter anzuordnen,
von ganz andrer Wuͤrkung ſeyn? Jetzt iſt es ein Schatten;
alsdenn aber wuͤrde es das allerkraͤftigſte Mittel werden auf
einmal den groͤßten Wetteifer in ganz Deutſchland zu erregen.

In den alten Zeiten waren viele Geſellſchaften, und
beſonders die von der ſogenannten runden Tafel, worinn nie-
mand zugelaſſen wurde, als der gewiſſe Ahnen beweiſen konn-
te. Dieſe Geſellſchaften hieſſen Maſſoneyen, welches mit
dem hollaͤndiſchen Maetſchapy und dem deutſchen Maſcopey
uͤbereinkoͤmmt. Gegen dieſe Geſellſchaften wurden freye Maſ-
ſoneyen errichtet, worinn jeder ehrlicher Mann ohne Ruͤck-
ſicht auf ſeine Geburt aufgenommen wurde. Ihre Mitglie-
der nennten ſich freye Maſſons, welche laͤcherlich genung durch
Freymaͤurer *) uͤberſetzt iſt, und in der That nur einen

Frey-
*) Die Erbauung der Paulskirche in London, welche die jetzt ſo-
genannten Freymaͤurer durch Beyſchuͤſſe an Gelde zu Stan-
de brachten, hat zu jener Mißdeutung und auch dazu Ge-
legenheit gegeben, daß jene Freygeſellſchaft die Maurer-
Werkzeuge als Ordenszeichen angenommen haben.
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[208/0226] Von dem Verfall des Handwerks den Vortheil Lehrburſche zu haben, entbehren, und wofern er einen Geſellen haben will, ſolchen koſtbarlich aus fremden auſſerhalb Reichs gelegenen Orten kommen laſſen muß. Wie aber, wenn Ihro Kayſerl. Majeſtaͤt, nach dem Beyſpiele des jetzigen Koͤniges von Frankreich, in allen groſ- ſen deutſchen Staͤdten vier Freymeiſter in jeder Kunſt privile- girten, die miteinander eben wie die zuͤnftigen Meiſter cor- reſpondirten; ihre Lehrburſchen zu Freygeſellen machten; ihre Logen oder Kruͤge zu deren Aufnahme hielten und in allen eben ſo aneinander hiengen, als die geſchloſſenen Zuͤnfte? Wie wenn es Ihro Kayſerl. Majeſtaͤt gefiele, ſich mit England, Frankreich und Holland daruͤber zu vereinigen, daß die Haupt- Freymeiſterlogen in jedem Reiche eine gemeine Kundſchaft zu- ſammen errichteten und die Freygeſellen wechſelsweiſe von ein- ander annaͤhmen? Solte alsdenn nicht das Recht eines jeden Landesherrn, nach Gefallen einen Freymeiſter anzuordnen, von ganz andrer Wuͤrkung ſeyn? Jetzt iſt es ein Schatten; alsdenn aber wuͤrde es das allerkraͤftigſte Mittel werden auf einmal den groͤßten Wetteifer in ganz Deutſchland zu erregen. In den alten Zeiten waren viele Geſellſchaften, und beſonders die von der ſogenannten runden Tafel, worinn nie- mand zugelaſſen wurde, als der gewiſſe Ahnen beweiſen konn- te. Dieſe Geſellſchaften hieſſen Maſſoneyen, welches mit dem hollaͤndiſchen Maetſchapy und dem deutſchen Maſcopey uͤbereinkoͤmmt. Gegen dieſe Geſellſchaften wurden freye Maſ- ſoneyen errichtet, worinn jeder ehrlicher Mann ohne Ruͤck- ſicht auf ſeine Geburt aufgenommen wurde. Ihre Mitglie- der nennten ſich freye Maſſons, welche laͤcherlich genung durch Freymaͤurer *) uͤberſetzt iſt, und in der That nur einen Frey- *) Die Erbauung der Paulskirche in London, welche die jetzt ſo- genannten Freymaͤurer durch Beyſchuͤſſe an Gelde zu Stan- de brachten, hat zu jener Mißdeutung und auch dazu Ge- legenheit gegeben, daß jene Freygeſellſchaft die Maurer- Werkzeuge als Ordenszeichen angenommen haben.

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775, S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/226>, abgerufen am 24.04.2024.