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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775.

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im Stifte Osnabrück.
lichung Gottes angepriesen wird, blos um eine Menge mensch-
liches Vieh anzuziehen, welches sie auf die Schlachtbank lie-
fern können. Allein die Bevölkerung will es wahrlich nicht
ausmachen. Wir ziehen Bettler und Diebe damit an; das
ist es alles, die Voll- und Halberbe bleiben in der Last stecken;
und das Vieh der vielen Neubauer nimmt ihrem Viehe die
beste Weide vor dem Maule weg. Die Weideländer sind
klüger als wir Schlucker auf der Heide. In Ostfriesland
werden mehr Kälber gebohren als Kinder; und sie stehen sich
wohl dabey. Wir hingegen wollen alle Sandhügel bebauen
und bepflanzen, und meynen Wunder was wir gethan haben,
wenn wir zum größten Nachtheil unser Erbländereyen ein
Stück Heide urbar gemacht haben.

Die Gutsherrn sollten sich mit gesammter Hand allem
fernern Anbau widersetzen. In England darf keiner sich un-
terstehen ein neues Haus zu bauen, wenn er nicht drey Mor-
gen Erbland besitzt. Diesem Exempel sollten wir folgen: so
müßte die Menge von Markköttern, die sich, so bald sie ein
Kohlgärtgen erhaschen können, sogleich eine Hütte bauen,
wohl unterbleiben. Unsre Vorfahren sind hierinn klüger ge-
wesen. Sie erlaubten zum höchsten nur zwey Gezimmer auf
jedem Erbe; und eiferten gegen die Menge von Heuerleuten
ja so stark, als die Cameralphilosophen jezt für die Bevölke-
rungen streiten. Die Markkötter sind wie der Krebs, der
rund um sich frißt, und man würde erstaunen, wenn man
eine Nachmessung anstellen wollte, wie vieles diese Leute in
funfzig Jahren von der Mark eingezäunet haben.

Und wie viel Processe entstehen nicht darüber? Alle
unsre Markprotocolle weisen deutlich nach, daß keiner als ein
wahrer Erbmann in der Mark etwas zu sagen hat. Ihre
Einwilligung wurde allein erfordert, wenn etwas zugeschla-

gen
O 2

im Stifte Oſnabruͤck.
lichung Gottes angeprieſen wird, blos um eine Menge menſch-
liches Vieh anzuziehen, welches ſie auf die Schlachtbank lie-
fern koͤnnen. Allein die Bevoͤlkerung will es wahrlich nicht
ausmachen. Wir ziehen Bettler und Diebe damit an; das
iſt es alles, die Voll- und Halberbe bleiben in der Laſt ſtecken;
und das Vieh der vielen Neubauer nimmt ihrem Viehe die
beſte Weide vor dem Maule weg. Die Weidelaͤnder ſind
kluͤger als wir Schlucker auf der Heide. In Oſtfriesland
werden mehr Kaͤlber gebohren als Kinder; und ſie ſtehen ſich
wohl dabey. Wir hingegen wollen alle Sandhuͤgel bebauen
und bepflanzen, und meynen Wunder was wir gethan haben,
wenn wir zum groͤßten Nachtheil unſer Erblaͤndereyen ein
Stuͤck Heide urbar gemacht haben.

Die Gutsherrn ſollten ſich mit geſammter Hand allem
fernern Anbau widerſetzen. In England darf keiner ſich un-
terſtehen ein neues Haus zu bauen, wenn er nicht drey Mor-
gen Erbland beſitzt. Dieſem Exempel ſollten wir folgen: ſo
muͤßte die Menge von Markkoͤttern, die ſich, ſo bald ſie ein
Kohlgaͤrtgen erhaſchen koͤnnen, ſogleich eine Huͤtte bauen,
wohl unterbleiben. Unſre Vorfahren ſind hierinn kluͤger ge-
weſen. Sie erlaubten zum hoͤchſten nur zwey Gezimmer auf
jedem Erbe; und eiferten gegen die Menge von Heuerleuten
ja ſo ſtark, als die Cameralphiloſophen jezt fuͤr die Bevoͤlke-
rungen ſtreiten. Die Markkoͤtter ſind wie der Krebs, der
rund um ſich frißt, und man wuͤrde erſtaunen, wenn man
eine Nachmeſſung anſtellen wollte, wie vieles dieſe Leute in
funfzig Jahren von der Mark eingezaͤunet haben.

Und wie viel Proceſſe entſtehen nicht daruͤber? Alle
unſre Markprotocolle weiſen deutlich nach, daß keiner als ein
wahrer Erbmann in der Mark etwas zu ſagen hat. Ihre
Einwilligung wurde allein erfordert, wenn etwas zugeſchla-

gen
O 2
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[211/0229] im Stifte Oſnabruͤck. lichung Gottes angeprieſen wird, blos um eine Menge menſch- liches Vieh anzuziehen, welches ſie auf die Schlachtbank lie- fern koͤnnen. Allein die Bevoͤlkerung will es wahrlich nicht ausmachen. Wir ziehen Bettler und Diebe damit an; das iſt es alles, die Voll- und Halberbe bleiben in der Laſt ſtecken; und das Vieh der vielen Neubauer nimmt ihrem Viehe die beſte Weide vor dem Maule weg. Die Weidelaͤnder ſind kluͤger als wir Schlucker auf der Heide. In Oſtfriesland werden mehr Kaͤlber gebohren als Kinder; und ſie ſtehen ſich wohl dabey. Wir hingegen wollen alle Sandhuͤgel bebauen und bepflanzen, und meynen Wunder was wir gethan haben, wenn wir zum groͤßten Nachtheil unſer Erblaͤndereyen ein Stuͤck Heide urbar gemacht haben. Die Gutsherrn ſollten ſich mit geſammter Hand allem fernern Anbau widerſetzen. In England darf keiner ſich un- terſtehen ein neues Haus zu bauen, wenn er nicht drey Mor- gen Erbland beſitzt. Dieſem Exempel ſollten wir folgen: ſo muͤßte die Menge von Markkoͤttern, die ſich, ſo bald ſie ein Kohlgaͤrtgen erhaſchen koͤnnen, ſogleich eine Huͤtte bauen, wohl unterbleiben. Unſre Vorfahren ſind hierinn kluͤger ge- weſen. Sie erlaubten zum hoͤchſten nur zwey Gezimmer auf jedem Erbe; und eiferten gegen die Menge von Heuerleuten ja ſo ſtark, als die Cameralphiloſophen jezt fuͤr die Bevoͤlke- rungen ſtreiten. Die Markkoͤtter ſind wie der Krebs, der rund um ſich frißt, und man wuͤrde erſtaunen, wenn man eine Nachmeſſung anſtellen wollte, wie vieles dieſe Leute in funfzig Jahren von der Mark eingezaͤunet haben. Und wie viel Proceſſe entſtehen nicht daruͤber? Alle unſre Markprotocolle weiſen deutlich nach, daß keiner als ein wahrer Erbmann in der Mark etwas zu ſagen hat. Ihre Einwilligung wurde allein erfordert, wenn etwas zugeſchla- gen O 2

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/229>, abgerufen am 29.03.2024.