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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775.

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Es bleibt beym Alten.
geheckt werden, hat man das zu gute gehalten, und es ihnen
als ein Mittel ohne viel Arbeit ihr tägliches Brod zu erwer-
ben, gegönnet, daß sie uns solche Vorwürfe in gedruckten
Büchern, die eben nicht viele von uns lesen, gemachet haben.
Sie müssen doch von etwas schreiben, da sie leben und schrei-
ben müssen, und sonst nichts zu verdienen wissen.

Allein nun fängt auch sogar unser Küster an, unsern
Kindern die bey ihm dann und wann in die Schule gehen,
von einem schrecklichen Gespenste, welches er das Vorurtheil
des Alterthums nennet, etwas vorzuplaudern, und verlangt
sie sollen ihren väterlichen Acker dermaleinst ganz anders pflü-
gen, als wir, unsre Väter, Großväter und Elterväter ihn
gepflüget haben. Er verlangt, sie sollen die Bestellung des-
selben aus großen Büchern lernen, bald bey den Engländern,
bald bey den Franzosen und bald bey den Schweden in die
Schule gehen; und spricht von Projekten, wogegen die Er-
fahrung von zehn Menschenaltern nicht das allermindeste er-
heben soll.

Dies ist in Wahrheit von einem Manne, der kaum
den Sonnenzeiger an unser Kirche recht zu stellen weis, un-
erträglich, und die ganze Gemeinde hat mir aufgetragen, ihm
hiemit öffentlich zu sagen, daß wir für dasjenige, was unsre
Vorfahren, die ihren Acker lange gekannt, und ihn früh und
spät betreten haben, eingeführt, mehrere Ehrfurcht haben,
als für alle Projekte der neuern.

Wie würde es uns armen Leuten gegangen seyn, wenn
wir alle die Vorschläge, die nun seit zehn Jahren zur Verbes-
serung des Ackers gemachet sind, befolget hätten? Wenn wir
alle die Säemaschinen, und alle die Arten von Pflügen an-
geschaffet hätten, welche in dieser Zeit angepriesen und ver-
gessen sind? Wenn wir alle die Futterkräuter gesäet und alle

die
O 5

Es bleibt beym Alten.
geheckt werden, hat man das zu gute gehalten, und es ihnen
als ein Mittel ohne viel Arbeit ihr taͤgliches Brod zu erwer-
ben, gegoͤnnet, daß ſie uns ſolche Vorwuͤrfe in gedruckten
Buͤchern, die eben nicht viele von uns leſen, gemachet haben.
Sie muͤſſen doch von etwas ſchreiben, da ſie leben und ſchrei-
ben muͤſſen, und ſonſt nichts zu verdienen wiſſen.

Allein nun faͤngt auch ſogar unſer Kuͤſter an, unſern
Kindern die bey ihm dann und wann in die Schule gehen,
von einem ſchrecklichen Geſpenſte, welches er das Vorurtheil
des Alterthums nennet, etwas vorzuplaudern, und verlangt
ſie ſollen ihren vaͤterlichen Acker dermaleinſt ganz anders pfluͤ-
gen, als wir, unſre Vaͤter, Großvaͤter und Eltervaͤter ihn
gepfluͤget haben. Er verlangt, ſie ſollen die Beſtellung deſ-
ſelben aus großen Buͤchern lernen, bald bey den Englaͤndern,
bald bey den Franzoſen und bald bey den Schweden in die
Schule gehen; und ſpricht von Projekten, wogegen die Er-
fahrung von zehn Menſchenaltern nicht das allermindeſte er-
heben ſoll.

Dies iſt in Wahrheit von einem Manne, der kaum
den Sonnenzeiger an unſer Kirche recht zu ſtellen weis, un-
ertraͤglich, und die ganze Gemeinde hat mir aufgetragen, ihm
hiemit oͤffentlich zu ſagen, daß wir fuͤr dasjenige, was unſre
Vorfahren, die ihren Acker lange gekannt, und ihn fruͤh und
ſpaͤt betreten haben, eingefuͤhrt, mehrere Ehrfurcht haben,
als fuͤr alle Projekte der neuern.

Wie wuͤrde es uns armen Leuten gegangen ſeyn, wenn
wir alle die Vorſchlaͤge, die nun ſeit zehn Jahren zur Verbeſ-
ſerung des Ackers gemachet ſind, befolget haͤtten? Wenn wir
alle die Saͤemaſchinen, und alle die Arten von Pfluͤgen an-
geſchaffet haͤtten, welche in dieſer Zeit angeprieſen und ver-
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[217/0235] Es bleibt beym Alten. geheckt werden, hat man das zu gute gehalten, und es ihnen als ein Mittel ohne viel Arbeit ihr taͤgliches Brod zu erwer- ben, gegoͤnnet, daß ſie uns ſolche Vorwuͤrfe in gedruckten Buͤchern, die eben nicht viele von uns leſen, gemachet haben. Sie muͤſſen doch von etwas ſchreiben, da ſie leben und ſchrei- ben muͤſſen, und ſonſt nichts zu verdienen wiſſen. Allein nun faͤngt auch ſogar unſer Kuͤſter an, unſern Kindern die bey ihm dann und wann in die Schule gehen, von einem ſchrecklichen Geſpenſte, welches er das Vorurtheil des Alterthums nennet, etwas vorzuplaudern, und verlangt ſie ſollen ihren vaͤterlichen Acker dermaleinſt ganz anders pfluͤ- gen, als wir, unſre Vaͤter, Großvaͤter und Eltervaͤter ihn gepfluͤget haben. Er verlangt, ſie ſollen die Beſtellung deſ- ſelben aus großen Buͤchern lernen, bald bey den Englaͤndern, bald bey den Franzoſen und bald bey den Schweden in die Schule gehen; und ſpricht von Projekten, wogegen die Er- fahrung von zehn Menſchenaltern nicht das allermindeſte er- heben ſoll. Dies iſt in Wahrheit von einem Manne, der kaum den Sonnenzeiger an unſer Kirche recht zu ſtellen weis, un- ertraͤglich, und die ganze Gemeinde hat mir aufgetragen, ihm hiemit oͤffentlich zu ſagen, daß wir fuͤr dasjenige, was unſre Vorfahren, die ihren Acker lange gekannt, und ihn fruͤh und ſpaͤt betreten haben, eingefuͤhrt, mehrere Ehrfurcht haben, als fuͤr alle Projekte der neuern. Wie wuͤrde es uns armen Leuten gegangen ſeyn, wenn wir alle die Vorſchlaͤge, die nun ſeit zehn Jahren zur Verbeſ- ſerung des Ackers gemachet ſind, befolget haͤtten? Wenn wir alle die Saͤemaſchinen, und alle die Arten von Pfluͤgen an- geſchaffet haͤtten, welche in dieſer Zeit angeprieſen und ver- geſſen ſind? Wenn wir alle die Futterkraͤuter geſaͤet und alle die O 5

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/235>, abgerufen am 25.04.2024.