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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775.

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in Städten, Flecken und Weichbilden.
chen Städte, Weichbilder und Flecken sind, unterscheide.
Eine Befreyung im Reiche oder im Lande geht dem Ganzen
ab; und folglich kann sie von demjenigen, der über das Ganze
zu sagen hat, ertheilet werden. Eine Befreyung in einer
Stadt oder in einem Flecken, geht aber blos einem Theile
ab, und da dieser nicht schuldig ist, für das Ganze zu leiden:
so kann derjenige, der über das Ganze zu sagen hat, solche
nicht ertheilen. Z. E. ein Landesherr mit seinen Ständen
kann einen Hof schatzfrey machen; aber kein Haus in einem
Flecken, ohne diesem solches an seinem Anschlage abzusetzen.
Jezt wollen wir die Anwendung machen.

Der Kaiser, ohnerachtet er das allerhöchste Reichsober-
haupt ist, mag kein Haus in irgend einem Flecken befreyen.
Denn da das Haupt vom ganzen Körper getragen werden
muß: so würde es ungerecht seyn, solches einem einzelnen
Flecken aufzubürden; und vermuthlich war dieses auch der
wahre Grund, warum Kayser und Könige ehedem immer von
einem Orte des Reichs zum andern reisen mußten, damit eine
Provinz und eine Stadt die Last nicht allein zu tragen hatte.

Ein Landesherr ist in keinem Städtgen oder Flecken
seines Landes frey, weil seine Freyheit dem ganzen Lande nicht
aber einem einzelnen Theile desselben berechnet werden muß.
Es hindert aber nichts, daß nicht der Kayser wie der Landes-
herr einen freyen Pallast neben oder an einem Flecken habe,
dessen Befreyung dem ganzen nicht aber einem Theile zur
Last fällt.

Landesherrliche Bediente sind aus einem gleichen Grun-
de, zwar im Ganzen, aber in keinem einzelnen Flecken frey.
Eben so kann des Adelsfreyheit zwar wohl dem Reiche oder
dem Reichslande, dem er dienet oder gedienet hat, keines-
weges aber einem einzelnen Flecken aufgebürdet werden. Der

ge-

in Staͤdten, Flecken und Weichbilden.
chen Staͤdte, Weichbilder und Flecken ſind, unterſcheide.
Eine Befreyung im Reiche oder im Lande geht dem Ganzen
ab; und folglich kann ſie von demjenigen, der uͤber das Ganze
zu ſagen hat, ertheilet werden. Eine Befreyung in einer
Stadt oder in einem Flecken, geht aber blos einem Theile
ab, und da dieſer nicht ſchuldig iſt, fuͤr das Ganze zu leiden:
ſo kann derjenige, der uͤber das Ganze zu ſagen hat, ſolche
nicht ertheilen. Z. E. ein Landesherr mit ſeinen Staͤnden
kann einen Hof ſchatzfrey machen; aber kein Haus in einem
Flecken, ohne dieſem ſolches an ſeinem Anſchlage abzuſetzen.
Jezt wollen wir die Anwendung machen.

Der Kaiſer, ohnerachtet er das allerhoͤchſte Reichsober-
haupt iſt, mag kein Haus in irgend einem Flecken befreyen.
Denn da das Haupt vom ganzen Koͤrper getragen werden
muß: ſo wuͤrde es ungerecht ſeyn, ſolches einem einzelnen
Flecken aufzubuͤrden; und vermuthlich war dieſes auch der
wahre Grund, warum Kayſer und Koͤnige ehedem immer von
einem Orte des Reichs zum andern reiſen mußten, damit eine
Provinz und eine Stadt die Laſt nicht allein zu tragen hatte.

Ein Landesherr iſt in keinem Staͤdtgen oder Flecken
ſeines Landes frey, weil ſeine Freyheit dem ganzen Lande nicht
aber einem einzelnen Theile deſſelben berechnet werden muß.
Es hindert aber nichts, daß nicht der Kayſer wie der Landes-
herr einen freyen Pallaſt neben oder an einem Flecken habe,
deſſen Befreyung dem ganzen nicht aber einem Theile zur
Laſt faͤllt.

Landesherrliche Bediente ſind aus einem gleichen Grun-
de, zwar im Ganzen, aber in keinem einzelnen Flecken frey.
Eben ſo kann des Adelsfreyheit zwar wohl dem Reiche oder
dem Reichslande, dem er dienet oder gedienet hat, keines-
weges aber einem einzelnen Flecken aufgebuͤrdet werden. Der

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[235/0253] in Staͤdten, Flecken und Weichbilden. chen Staͤdte, Weichbilder und Flecken ſind, unterſcheide. Eine Befreyung im Reiche oder im Lande geht dem Ganzen ab; und folglich kann ſie von demjenigen, der uͤber das Ganze zu ſagen hat, ertheilet werden. Eine Befreyung in einer Stadt oder in einem Flecken, geht aber blos einem Theile ab, und da dieſer nicht ſchuldig iſt, fuͤr das Ganze zu leiden: ſo kann derjenige, der uͤber das Ganze zu ſagen hat, ſolche nicht ertheilen. Z. E. ein Landesherr mit ſeinen Staͤnden kann einen Hof ſchatzfrey machen; aber kein Haus in einem Flecken, ohne dieſem ſolches an ſeinem Anſchlage abzuſetzen. Jezt wollen wir die Anwendung machen. Der Kaiſer, ohnerachtet er das allerhoͤchſte Reichsober- haupt iſt, mag kein Haus in irgend einem Flecken befreyen. Denn da das Haupt vom ganzen Koͤrper getragen werden muß: ſo wuͤrde es ungerecht ſeyn, ſolches einem einzelnen Flecken aufzubuͤrden; und vermuthlich war dieſes auch der wahre Grund, warum Kayſer und Koͤnige ehedem immer von einem Orte des Reichs zum andern reiſen mußten, damit eine Provinz und eine Stadt die Laſt nicht allein zu tragen hatte. Ein Landesherr iſt in keinem Staͤdtgen oder Flecken ſeines Landes frey, weil ſeine Freyheit dem ganzen Lande nicht aber einem einzelnen Theile deſſelben berechnet werden muß. Es hindert aber nichts, daß nicht der Kayſer wie der Landes- herr einen freyen Pallaſt neben oder an einem Flecken habe, deſſen Befreyung dem ganzen nicht aber einem Theile zur Laſt faͤllt. Landesherrliche Bediente ſind aus einem gleichen Grun- de, zwar im Ganzen, aber in keinem einzelnen Flecken frey. Eben ſo kann des Adelsfreyheit zwar wohl dem Reiche oder dem Reichslande, dem er dienet oder gedienet hat, keines- weges aber einem einzelnen Flecken aufgebuͤrdet werden. Der ge-

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775, S. 235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/253>, abgerufen am 25.04.2024.