Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775.

Bild:
<< vorherige Seite

Darf ein Handwerksmeister
nicht gern, daß die Rechnung von Ihrer Zeit besser ausfiele
als die meinige. Hiemit küsse ich Ihnen Ehrfurchtsvoll die
Hände und bin wie Sie wissen etc.



XXXXVIII.
Darf ein Handwerksmeister so viele Gesellen
halten als er will?

Es ist wohl nicht zu leugnen, daß die Frage:

Ob einem jeden Handwerksmeister die Freyheit zu lassen
sey, so viele Gesellen als er wolle, zu halten?
von größerer Wichtigkeit sey, als man vielleicht bey Abfassung
des Reichs-Abschiedes von 1731. dafür gehalten hat.

Die Gründe, worauf es bey ihrer Beurtheilung an-
kommt, sind eben dieselben, welche in den neuern Zeiten für
und wider die großen Pachtungen angeführet werden; der
Meister der vierzig Gesellen hält, ist der Pächter der vierzig
Knechte hält; statt der großen Pachtungen könnten zwanzig
Bauerhöfe, und statt des einzigen Amtsmeisters zwanzig Fa-
milien leben.

Unsre Vorfahren in den Städten, welche zu Walle ge-
hen und selbige vertheidigen mußten, erhielten an jedem neuen
Bürger, einen neuen Vertheidiger, der mit ihnen die Lasten
theilte. Was hätten sie anfangen wollen, wenn es in dem
Vermögen eines verschmitzten Meisters gestanden hätte, mit
Hülfe einer Menge von Gesellen die Arbeit der ganzen Stadt
an sich zu ziehen, und alle seine Mitmeister herunter zu brin-
gen? Niemand wird leugnen, daß ein Mann mit zehn Ge-

sellen

Darf ein Handwerksmeiſter
nicht gern, daß die Rechnung von Ihrer Zeit beſſer ausfiele
als die meinige. Hiemit kuͤſſe ich Ihnen Ehrfurchtsvoll die
Haͤnde und bin wie Sie wiſſen ꝛc.



XXXXVIII.
Darf ein Handwerksmeiſter ſo viele Geſellen
halten als er will?

Es iſt wohl nicht zu leugnen, daß die Frage:

Ob einem jeden Handwerksmeiſter die Freyheit zu laſſen
ſey, ſo viele Geſellen als er wolle, zu halten?
von groͤßerer Wichtigkeit ſey, als man vielleicht bey Abfaſſung
des Reichs-Abſchiedes von 1731. dafuͤr gehalten hat.

Die Gruͤnde, worauf es bey ihrer Beurtheilung an-
kommt, ſind eben dieſelben, welche in den neuern Zeiten fuͤr
und wider die großen Pachtungen angefuͤhret werden; der
Meiſter der vierzig Geſellen haͤlt, iſt der Paͤchter der vierzig
Knechte haͤlt; ſtatt der großen Pachtungen koͤnnten zwanzig
Bauerhoͤfe, und ſtatt des einzigen Amtsmeiſters zwanzig Fa-
milien leben.

Unſre Vorfahren in den Staͤdten, welche zu Walle ge-
hen und ſelbige vertheidigen mußten, erhielten an jedem neuen
Buͤrger, einen neuen Vertheidiger, der mit ihnen die Laſten
theilte. Was haͤtten ſie anfangen wollen, wenn es in dem
Vermoͤgen eines verſchmitzten Meiſters geſtanden haͤtte, mit
Huͤlfe einer Menge von Geſellen die Arbeit der ganzen Stadt
an ſich zu ziehen, und alle ſeine Mitmeiſter herunter zu brin-
gen? Niemand wird leugnen, daß ein Mann mit zehn Ge-

ſellen
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0304" n="286"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Darf ein Handwerksmei&#x017F;ter</hi></fw><lb/>
nicht gern, daß die Rechnung von Ihrer Zeit be&#x017F;&#x017F;er ausfiele<lb/>
als die meinige. Hiemit ku&#x0364;&#x017F;&#x017F;e ich Ihnen Ehrfurchtsvoll die<lb/>
Ha&#x0364;nde und bin wie Sie wi&#x017F;&#x017F;en &#xA75B;c.</p>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">XXXXVIII.</hi><lb/>
Darf ein Handwerksmei&#x017F;ter &#x017F;o viele Ge&#x017F;ellen<lb/>
halten als er will?</hi> </head><lb/>
        <p>Es i&#x017F;t wohl nicht zu leugnen, daß die Frage:</p><lb/>
        <p>Ob einem jeden Handwerksmei&#x017F;ter die Freyheit zu la&#x017F;&#x017F;en<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;ey, &#x017F;o viele Ge&#x017F;ellen als er wolle, zu halten?</hi><lb/>
von gro&#x0364;ßerer Wichtigkeit &#x017F;ey, als man vielleicht bey Abfa&#x017F;&#x017F;ung<lb/>
des Reichs-Ab&#x017F;chiedes von 1731. dafu&#x0364;r gehalten hat.</p><lb/>
        <p>Die Gru&#x0364;nde, worauf es bey ihrer Beurtheilung an-<lb/>
kommt, &#x017F;ind eben die&#x017F;elben, welche in den neuern Zeiten fu&#x0364;r<lb/>
und wider die großen Pachtungen angefu&#x0364;hret werden; der<lb/>
Mei&#x017F;ter der vierzig Ge&#x017F;ellen ha&#x0364;lt, i&#x017F;t der Pa&#x0364;chter der vierzig<lb/>
Knechte ha&#x0364;lt; &#x017F;tatt der großen Pachtungen ko&#x0364;nnten zwanzig<lb/>
Bauerho&#x0364;fe, und &#x017F;tatt des einzigen Amtsmei&#x017F;ters zwanzig Fa-<lb/>
milien leben.</p><lb/>
        <p>Un&#x017F;re Vorfahren in den Sta&#x0364;dten, welche zu Walle ge-<lb/>
hen und &#x017F;elbige vertheidigen mußten, erhielten an jedem neuen<lb/>
Bu&#x0364;rger, einen neuen Vertheidiger, der mit ihnen die La&#x017F;ten<lb/>
theilte. Was ha&#x0364;tten &#x017F;ie anfangen wollen, wenn es in dem<lb/>
Vermo&#x0364;gen eines ver&#x017F;chmitzten Mei&#x017F;ters ge&#x017F;tanden ha&#x0364;tte, mit<lb/>
Hu&#x0364;lfe einer Menge von Ge&#x017F;ellen die Arbeit der ganzen Stadt<lb/>
an &#x017F;ich zu ziehen, und alle &#x017F;eine Mitmei&#x017F;ter herunter zu brin-<lb/>
gen? Niemand wird leugnen, daß ein Mann mit zehn Ge-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;ellen</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[286/0304] Darf ein Handwerksmeiſter nicht gern, daß die Rechnung von Ihrer Zeit beſſer ausfiele als die meinige. Hiemit kuͤſſe ich Ihnen Ehrfurchtsvoll die Haͤnde und bin wie Sie wiſſen ꝛc. XXXXVIII. Darf ein Handwerksmeiſter ſo viele Geſellen halten als er will? Es iſt wohl nicht zu leugnen, daß die Frage: Ob einem jeden Handwerksmeiſter die Freyheit zu laſſen ſey, ſo viele Geſellen als er wolle, zu halten? von groͤßerer Wichtigkeit ſey, als man vielleicht bey Abfaſſung des Reichs-Abſchiedes von 1731. dafuͤr gehalten hat. Die Gruͤnde, worauf es bey ihrer Beurtheilung an- kommt, ſind eben dieſelben, welche in den neuern Zeiten fuͤr und wider die großen Pachtungen angefuͤhret werden; der Meiſter der vierzig Geſellen haͤlt, iſt der Paͤchter der vierzig Knechte haͤlt; ſtatt der großen Pachtungen koͤnnten zwanzig Bauerhoͤfe, und ſtatt des einzigen Amtsmeiſters zwanzig Fa- milien leben. Unſre Vorfahren in den Staͤdten, welche zu Walle ge- hen und ſelbige vertheidigen mußten, erhielten an jedem neuen Buͤrger, einen neuen Vertheidiger, der mit ihnen die Laſten theilte. Was haͤtten ſie anfangen wollen, wenn es in dem Vermoͤgen eines verſchmitzten Meiſters geſtanden haͤtte, mit Huͤlfe einer Menge von Geſellen die Arbeit der ganzen Stadt an ſich zu ziehen, und alle ſeine Mitmeiſter herunter zu brin- gen? Niemand wird leugnen, daß ein Mann mit zehn Ge- ſellen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/304
Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775, S. 286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/304>, abgerufen am 25.04.2024.