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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775.

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Vorschlag zu einem besondern Advocatencollegio.
ben haben, ein Mann von Ehre und Ansehen; und der Er-
wählte, welchem sich die Dynasten selbst vertraueten und ihn
zu ihrem Patron und Vorsprecher erwählten, auch kein schlech-
ter Mann. Nur erst zu der Zeit, wie die Heerbannsrolle ge-
sprengt, und die Leute vereinzelt oder einzeln genöthiget wur-
den, sich Advocaten zu suchen, mußten sich diese vermehren
und verschlimmern.

In Frankreich und England gieng man damals zu, und
gab den sich solchergestalt nothwendig vermehrenden Advoca-
ten Gilde- oder Ordensrecht. Sie versammleten sich zu Ca-
pittel, erwählten ihren Dechanten, machten Statuta, Stif-
tungen und andre Vorkehrungen zur Erhaltung ihres Anse-
hens. In Deutschland hingegen begnügte man sich, mit
der Doktorwürde geschickten Leuten das Recht zu advociren
zu ertheilen; und des Heil. Röm. Reichs Doktoren machten
es wie des Heil. Römischen Reichs Ritter. Sie blieben un-
ter sich ohne Verein oder Gilde, folglich ohne Stiftungen
und Statuten. Daher zeigt sich bey der Kaiserwahl kein Dal-
wich mehr der Ritter werden will, und kein Landgraf von
Hessen nimmt mehr die Doctorwürde an.

Des Heiligen Römischen Reichs Ritter aber sollten
unstreitig mit den deutschen Ordensrittern in gleichen Ansehen
stehen. Allein es fehlt daran sehr viel; warum? Weil lez-
tere sich zu einer Gilde oder zur Zunft geschlossen haben, wor-
inn sie keinen aufnehmen, der nicht seine 16 Ahnen beweisen
kann. Eben so sollten alle Edelleute gleich seyn. Aber dieje-
nigen, die sich zu einem Capittel oder Collegium vereint, und
durch gewisse Statuta für sich gesorgt haben, erhalten sich in
weit größern Ansehen als jene Zerstreueten; warum? Weil
des Heil. Römischen Reichs Edelleute, eben wie des Heil.
Römischen Reichs Ritter und Doktoren keinen allgemeinen
Verein haben und daher vermischet werden. Ferner sollten

die
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Vorſchlag zu einem beſondern Advocatencollegio.
ben haben, ein Mann von Ehre und Anſehen; und der Er-
waͤhlte, welchem ſich die Dynaſten ſelbſt vertraueten und ihn
zu ihrem Patron und Vorſprecher erwaͤhlten, auch kein ſchlech-
ter Mann. Nur erſt zu der Zeit, wie die Heerbannsrolle ge-
ſprengt, und die Leute vereinzelt oder einzeln genoͤthiget wur-
den, ſich Advocaten zu ſuchen, mußten ſich dieſe vermehren
und verſchlimmern.

In Frankreich und England gieng man damals zu, und
gab den ſich ſolchergeſtalt nothwendig vermehrenden Advoca-
ten Gilde- oder Ordensrecht. Sie verſammleten ſich zu Ca-
pittel, erwaͤhlten ihren Dechanten, machten Statuta, Stif-
tungen und andre Vorkehrungen zur Erhaltung ihres Anſe-
hens. In Deutſchland hingegen begnuͤgte man ſich, mit
der Doktorwuͤrde geſchickten Leuten das Recht zu advociren
zu ertheilen; und des Heil. Roͤm. Reichs Doktoren machten
es wie des Heil. Roͤmiſchen Reichs Ritter. Sie blieben un-
ter ſich ohne Verein oder Gilde, folglich ohne Stiftungen
und Statuten. Daher zeigt ſich bey der Kaiſerwahl kein Dal-
wich mehr der Ritter werden will, und kein Landgraf von
Heſſen nimmt mehr die Doctorwuͤrde an.

Des Heiligen Roͤmiſchen Reichs Ritter aber ſollten
unſtreitig mit den deutſchen Ordensrittern in gleichen Anſehen
ſtehen. Allein es fehlt daran ſehr viel; warum? Weil lez-
tere ſich zu einer Gilde oder zur Zunft geſchloſſen haben, wor-
inn ſie keinen aufnehmen, der nicht ſeine 16 Ahnen beweiſen
kann. Eben ſo ſollten alle Edelleute gleich ſeyn. Aber dieje-
nigen, die ſich zu einem Capittel oder Collegium vereint, und
durch gewiſſe Statuta fuͤr ſich geſorgt haben, erhalten ſich in
weit groͤßern Anſehen als jene Zerſtreueten; warum? Weil
des Heil. Roͤmiſchen Reichs Edelleute, eben wie des Heil.
Roͤmiſchen Reichs Ritter und Doktoren keinen allgemeinen
Verein haben und daher vermiſchet werden. Ferner ſollten

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[293/0311] Vorſchlag zu einem beſondern Advocatencollegio. ben haben, ein Mann von Ehre und Anſehen; und der Er- waͤhlte, welchem ſich die Dynaſten ſelbſt vertraueten und ihn zu ihrem Patron und Vorſprecher erwaͤhlten, auch kein ſchlech- ter Mann. Nur erſt zu der Zeit, wie die Heerbannsrolle ge- ſprengt, und die Leute vereinzelt oder einzeln genoͤthiget wur- den, ſich Advocaten zu ſuchen, mußten ſich dieſe vermehren und verſchlimmern. In Frankreich und England gieng man damals zu, und gab den ſich ſolchergeſtalt nothwendig vermehrenden Advoca- ten Gilde- oder Ordensrecht. Sie verſammleten ſich zu Ca- pittel, erwaͤhlten ihren Dechanten, machten Statuta, Stif- tungen und andre Vorkehrungen zur Erhaltung ihres Anſe- hens. In Deutſchland hingegen begnuͤgte man ſich, mit der Doktorwuͤrde geſchickten Leuten das Recht zu advociren zu ertheilen; und des Heil. Roͤm. Reichs Doktoren machten es wie des Heil. Roͤmiſchen Reichs Ritter. Sie blieben un- ter ſich ohne Verein oder Gilde, folglich ohne Stiftungen und Statuten. Daher zeigt ſich bey der Kaiſerwahl kein Dal- wich mehr der Ritter werden will, und kein Landgraf von Heſſen nimmt mehr die Doctorwuͤrde an. Des Heiligen Roͤmiſchen Reichs Ritter aber ſollten unſtreitig mit den deutſchen Ordensrittern in gleichen Anſehen ſtehen. Allein es fehlt daran ſehr viel; warum? Weil lez- tere ſich zu einer Gilde oder zur Zunft geſchloſſen haben, wor- inn ſie keinen aufnehmen, der nicht ſeine 16 Ahnen beweiſen kann. Eben ſo ſollten alle Edelleute gleich ſeyn. Aber dieje- nigen, die ſich zu einem Capittel oder Collegium vereint, und durch gewiſſe Statuta fuͤr ſich geſorgt haben, erhalten ſich in weit groͤßern Anſehen als jene Zerſtreueten; warum? Weil des Heil. Roͤmiſchen Reichs Edelleute, eben wie des Heil. Roͤmiſchen Reichs Ritter und Doktoren keinen allgemeinen Verein haben und daher vermiſchet werden. Ferner ſollten die T 3

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775, S. 293. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/311>, abgerufen am 28.03.2024.