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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775.

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Reicher Leute Kinder
Mit der Krämerey wird es in zwanzig Jahren sehr betrübt
aussehen, da sich alles in Krämer verwandelt und zuletzt ei-
ner den andern zu Grunde richten muß. Es ist zu viel ge-
fordert, daß einer bloß von der Krämerey leben will. Die
Modenkrämer in der ganzen Welt wissen ihre Coeffüren, ihre
Broderien, und alle Arten Galanterien selbst zu machen.
Die Tyroler arbeiten auf der Reise, und machen in jeder
müßigen Stunde die Ohrringe, die Halsgeschmeide, die Zit-
ternadeln, die Bouquets, die Allongen und unzählige andre Din-
ge selbst, die sie verkaufen. Die Italiäner machen überall Mau-
sefallen, Barometer und Diaboli Cartesiani. Die Franzosen
reiben wenigstens Taback, um bey einem kleinen Handel die
übrigen Stunden nützlich anzuwenden. Das geschieht, weil
sie eine Kunst oder ein Handwerk zum Grunde ihrer Hand-
lung gelegt haben. Bey uns hingegen - - - - - O Scarron!
Scarron! wo bleibt deine Perüke und was darunter saß?

Zur Urkunde der Wahrheit dessen was oben angeführt,
setzen wir folgendes Rescript hieher:

Wir Georg der Dritte von Gottes Gnaden
König und Churfürst.

Uns ist aus Eurem Berichte vom 11. Febr.
unterthänigst vorgetragen worden, was massen in
der Stadt Osnabrück eben wie in andern Städten
des Hochstifts die zur Aufnahme derselben vorzüglich
dienenden Handwerke nach und nach in Abnahme
und Verfall gerathen sind.

Da wir nun aus besondrer Gnade für die dortige
Bürgerschaft Uns gnädigst entschlossen haben, die
nöthigsten und dienlichsten derselben bestens wieder
herzustellen, insbesondere aber einige junge Leute,
welche demselben sich zu widmen gedenken, und da-

zu

Reicher Leute Kinder
Mit der Kraͤmerey wird es in zwanzig Jahren ſehr betruͤbt
ausſehen, da ſich alles in Kraͤmer verwandelt und zuletzt ei-
ner den andern zu Grunde richten muß. Es iſt zu viel ge-
fordert, daß einer bloß von der Kraͤmerey leben will. Die
Modenkraͤmer in der ganzen Welt wiſſen ihre Coeffuͤren, ihre
Broderien, und alle Arten Galanterien ſelbſt zu machen.
Die Tyroler arbeiten auf der Reiſe, und machen in jeder
muͤßigen Stunde die Ohrringe, die Halsgeſchmeide, die Zit-
ternadeln, die Bouquets, die Allongen und unzaͤhlige andre Din-
ge ſelbſt, die ſie verkaufen. Die Italiaͤner machen uͤberall Mau-
ſefallen, Barometer und Diaboli Carteſiani. Die Franzoſen
reiben wenigſtens Taback, um bey einem kleinen Handel die
uͤbrigen Stunden nuͤtzlich anzuwenden. Das geſchieht, weil
ſie eine Kunſt oder ein Handwerk zum Grunde ihrer Hand-
lung gelegt haben. Bey uns hingegen - - - - - O Scarron!
Scarron! wo bleibt deine Peruͤke und was darunter ſaß?

Zur Urkunde der Wahrheit deſſen was oben angefuͤhrt,
ſetzen wir folgendes Reſcript hieher:

Wir Georg der Dritte von Gottes Gnaden
Koͤnig und Churfuͤrſt.

Uns iſt aus Eurem Berichte vom 11. Febr.
unterthaͤnigſt vorgetragen worden, was maſſen in
der Stadt Oſnabruͤck eben wie in andern Staͤdten
des Hochſtifts die zur Aufnahme derſelben vorzuͤglich
dienenden Handwerke nach und nach in Abnahme
und Verfall gerathen ſind.

Da wir nun aus beſondrer Gnade fuͤr die dortige
Buͤrgerſchaft Uns gnaͤdigſt entſchloſſen haben, die
noͤthigſten und dienlichſten derſelben beſtens wieder
herzuſtellen, insbeſondere aber einige junge Leute,
welche demſelben ſich zu widmen gedenken, und da-

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[40/0058] Reicher Leute Kinder Mit der Kraͤmerey wird es in zwanzig Jahren ſehr betruͤbt ausſehen, da ſich alles in Kraͤmer verwandelt und zuletzt ei- ner den andern zu Grunde richten muß. Es iſt zu viel ge- fordert, daß einer bloß von der Kraͤmerey leben will. Die Modenkraͤmer in der ganzen Welt wiſſen ihre Coeffuͤren, ihre Broderien, und alle Arten Galanterien ſelbſt zu machen. Die Tyroler arbeiten auf der Reiſe, und machen in jeder muͤßigen Stunde die Ohrringe, die Halsgeſchmeide, die Zit- ternadeln, die Bouquets, die Allongen und unzaͤhlige andre Din- ge ſelbſt, die ſie verkaufen. Die Italiaͤner machen uͤberall Mau- ſefallen, Barometer und Diaboli Carteſiani. Die Franzoſen reiben wenigſtens Taback, um bey einem kleinen Handel die uͤbrigen Stunden nuͤtzlich anzuwenden. Das geſchieht, weil ſie eine Kunſt oder ein Handwerk zum Grunde ihrer Hand- lung gelegt haben. Bey uns hingegen - - - - - O Scarron! Scarron! wo bleibt deine Peruͤke und was darunter ſaß? Zur Urkunde der Wahrheit deſſen was oben angefuͤhrt, ſetzen wir folgendes Reſcript hieher: Wir Georg der Dritte von Gottes Gnaden Koͤnig und Churfuͤrſt. Uns iſt aus Eurem Berichte vom 11. Febr. unterthaͤnigſt vorgetragen worden, was maſſen in der Stadt Oſnabruͤck eben wie in andern Staͤdten des Hochſtifts die zur Aufnahme derſelben vorzuͤglich dienenden Handwerke nach und nach in Abnahme und Verfall gerathen ſind. Da wir nun aus beſondrer Gnade fuͤr die dortige Buͤrgerſchaft Uns gnaͤdigſt entſchloſſen haben, die noͤthigſten und dienlichſten derſelben beſtens wieder herzuſtellen, insbeſondere aber einige junge Leute, welche demſelben ſich zu widmen gedenken, und da- zu

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/58>, abgerufen am 25.04.2024.