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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775.

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der Aemter und Gilden.
der Schmiede vermindern. Der Untergang der Tuchmacher
reißt die Schönfärber zu Boden. Die Art, wie die Uhren
an großen Orten gemacht werden, verhindert alle Uhrmacher
in kleinen Städten. Und ein Geschichtschreiber, der diese
verschiedenen Abfälle mit ihren Ursachen genau bemerkte,
würde manchen jungen Künstler anweisen können, seine Auf-
merksamkeit dahin zu wenden, wohin der Hang der Moden,
des Geschmacks, des Eigensinns, und der Staatsbedürf-
nisse mit einem nur scharfen Augen einleuchtenden Blicke win-
ket. Was würde es helfen, die besten Hutmacher zu haben,
wenn die Franzosen es sich einfallen liessen auf einmal Hüte
von Wachstuche zu tragen? Wie leicht beraubt eine neue
Mode das beste Handwerk seines Verdienstes? Und wohin
muß ein Staat versinken, der sich hierinn zuvor kommen
läßt, oder nicht geschwind sein Handwerk ändert? Wie viele
Wachstuch-Fabriken sind nicht blos durch die papierne Tape-
ten gestürzet worden? Und wer soll uns hierinn klug machen,
wenn es eine Geschichte nicht thut?

Und wie pragmatisch könnte nicht eine solche Geschichte
gemacht werden? denn so giebt der Ursprung eines jeden
Amts ein Zeugniß von den Nothwendigkeiten der damaligen
Zeit; von der Art zu handeln, zu kriegen, zu denken, sich
zu kleiden und zu ernehren; Der mächtige Anwachs eines
Amts erweckt Vermuthungen von dem, was der Staat da-
mals ausgeführet habe. Beym Verfall desselben entdeckt
man, wie und wodurch eine Nation über die andre das Ueber-
gewicht erhalten. Er kann die Veränderungen in dem Mili-
tair-System anzeigen, Gesetze und Moden erläutern, und
den Bürger lehren, diejenige Verfassung, welche ehedem von
zwanzig tausend Schultern getragen wurde, nun aber kaum
noch von so viel hunderten mit Angst und Mühe empor ge-
halten wird, nach veränderten Umständen sparsamer einzurich-

ten.

der Aemter und Gilden.
der Schmiede vermindern. Der Untergang der Tuchmacher
reißt die Schoͤnfaͤrber zu Boden. Die Art, wie die Uhren
an großen Orten gemacht werden, verhindert alle Uhrmacher
in kleinen Staͤdten. Und ein Geſchichtſchreiber, der dieſe
verſchiedenen Abfaͤlle mit ihren Urſachen genau bemerkte,
wuͤrde manchen jungen Kuͤnſtler anweiſen koͤnnen, ſeine Auf-
merkſamkeit dahin zu wenden, wohin der Hang der Moden,
des Geſchmacks, des Eigenſinns, und der Staatsbeduͤrf-
niſſe mit einem nur ſcharfen Augen einleuchtenden Blicke win-
ket. Was wuͤrde es helfen, die beſten Hutmacher zu haben,
wenn die Franzoſen es ſich einfallen lieſſen auf einmal Huͤte
von Wachstuche zu tragen? Wie leicht beraubt eine neue
Mode das beſte Handwerk ſeines Verdienſtes? Und wohin
muß ein Staat verſinken, der ſich hierinn zuvor kommen
laͤßt, oder nicht geſchwind ſein Handwerk aͤndert? Wie viele
Wachstuch-Fabriken ſind nicht blos durch die papierne Tape-
ten geſtuͤrzet worden? Und wer ſoll uns hierinn klug machen,
wenn es eine Geſchichte nicht thut?

Und wie pragmatiſch koͤnnte nicht eine ſolche Geſchichte
gemacht werden? denn ſo giebt der Urſprung eines jeden
Amts ein Zeugniß von den Nothwendigkeiten der damaligen
Zeit; von der Art zu handeln, zu kriegen, zu denken, ſich
zu kleiden und zu ernehren; Der maͤchtige Anwachs eines
Amts erweckt Vermuthungen von dem, was der Staat da-
mals ausgefuͤhret habe. Beym Verfall deſſelben entdeckt
man, wie und wodurch eine Nation uͤber die andre das Ueber-
gewicht erhalten. Er kann die Veraͤnderungen in dem Mili-
tair-Syſtem anzeigen, Geſetze und Moden erlaͤutern, und
den Buͤrger lehren, diejenige Verfaſſung, welche ehedem von
zwanzig tauſend Schultern getragen wurde, nun aber kaum
noch von ſo viel hunderten mit Angſt und Muͤhe empor ge-
halten wird, nach veraͤnderten Umſtaͤnden ſparſamer einzurich-

ten.
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[63/0081] der Aemter und Gilden. der Schmiede vermindern. Der Untergang der Tuchmacher reißt die Schoͤnfaͤrber zu Boden. Die Art, wie die Uhren an großen Orten gemacht werden, verhindert alle Uhrmacher in kleinen Staͤdten. Und ein Geſchichtſchreiber, der dieſe verſchiedenen Abfaͤlle mit ihren Urſachen genau bemerkte, wuͤrde manchen jungen Kuͤnſtler anweiſen koͤnnen, ſeine Auf- merkſamkeit dahin zu wenden, wohin der Hang der Moden, des Geſchmacks, des Eigenſinns, und der Staatsbeduͤrf- niſſe mit einem nur ſcharfen Augen einleuchtenden Blicke win- ket. Was wuͤrde es helfen, die beſten Hutmacher zu haben, wenn die Franzoſen es ſich einfallen lieſſen auf einmal Huͤte von Wachstuche zu tragen? Wie leicht beraubt eine neue Mode das beſte Handwerk ſeines Verdienſtes? Und wohin muß ein Staat verſinken, der ſich hierinn zuvor kommen laͤßt, oder nicht geſchwind ſein Handwerk aͤndert? Wie viele Wachstuch-Fabriken ſind nicht blos durch die papierne Tape- ten geſtuͤrzet worden? Und wer ſoll uns hierinn klug machen, wenn es eine Geſchichte nicht thut? Und wie pragmatiſch koͤnnte nicht eine ſolche Geſchichte gemacht werden? denn ſo giebt der Urſprung eines jeden Amts ein Zeugniß von den Nothwendigkeiten der damaligen Zeit; von der Art zu handeln, zu kriegen, zu denken, ſich zu kleiden und zu ernehren; Der maͤchtige Anwachs eines Amts erweckt Vermuthungen von dem, was der Staat da- mals ausgefuͤhret habe. Beym Verfall deſſelben entdeckt man, wie und wodurch eine Nation uͤber die andre das Ueber- gewicht erhalten. Er kann die Veraͤnderungen in dem Mili- tair-Syſtem anzeigen, Geſetze und Moden erlaͤutern, und den Buͤrger lehren, diejenige Verfaſſung, welche ehedem von zwanzig tauſend Schultern getragen wurde, nun aber kaum noch von ſo viel hunderten mit Angſt und Muͤhe empor ge- halten wird, nach veraͤnderten Umſtaͤnden ſparſamer einzurich- ten.

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/81>, abgerufen am 29.03.2024.