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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776.

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Schreiben eines angehenden Hagestolzen.

Denken Sie nicht, daß ich zu sehr ins traurige oder ins
ernsthafte verfalle. Es ist dieses sonst, wie Sie wissen, mein
Fehler nicht. Allein, nachdem die letzte, worauf ich ein Auge
geworfen hatte, unter einer Menge von andern Geschenken,
außer den Uhren zum Neglige noch drey Staatsuhren von
mir erwartete, wovon eine jede mit Diamanten nach der Farbe
ihrer Kleider besetzet seyn sollte: so müßte ich wohl der unem-
pfindlichste Mensch von der Welt seyn, wenn ich nicht entwe-
der im Lustigen oder im Traurigen ausschweifen sollte. Mein
künftiger Eheherr sagte sie, ohne zu wissen, daß ich in der
Hoffnung es einmal zu werden, ihr meine Aufwartung machte,
wird an mir einen kostbaren Schatz finden, und hoffentlich
zufrieden seyn, wenn ich ihm für seine Gefälligkeit alle Tage
einmal ein freundliches Gesicht mache. Wie glücklich bist du,
sagte ich zu mir selbst, daß du auf dieses freundliche Gesicht
noch nichts geborget hast; und wie sehr bedaure ich den Mann,
der einmal deinen Artischockenkopf (sie war a l'artichaut
frisirt) zu behandeln haben wird ..... Was meynen Sie
aber, liebster Freund! wie hoch sich der Brautschatz belief,
wofür diese Ehestandslast getragen werden sollte? Auf
10000. schreibe zehntausend Thaler. Damit hätte ich vielleicht
nicht einmal die Uhren mit dem zu jeder gehörigen Hals-Kopf-
und Ohrenschmuck bezahlen können; und was wäre mir
denn fürs Flicken geblieben?

Eine andre, die ich mir vorher ausgesehen hatte, war zwar
in Ansehung des Schmucks etwas billiger, und hätte sich viel-
leicht mit einem mittelmäßigen von Brillanten befriediget.
Allein ihre Schwester, die eben heyrathete nahm der ent-
behrlichen Kostbarkeiten so viel; und ihre Eltern sahen mit
einem so gefälligen Lächeln auf dasjenige herab, was der künftige
Herr Schwiegersohn mit seinem halben Ruin angeschaffet hatte,

daß
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Schreiben eines angehenden Hageſtolzen.

Denken Sie nicht, daß ich zu ſehr ins traurige oder ins
ernſthafte verfalle. Es iſt dieſes ſonſt, wie Sie wiſſen, mein
Fehler nicht. Allein, nachdem die letzte, worauf ich ein Auge
geworfen hatte, unter einer Menge von andern Geſchenken,
außer den Uhren zum Neglige noch drey Staatsuhren von
mir erwartete, wovon eine jede mit Diamanten nach der Farbe
ihrer Kleider beſetzet ſeyn ſollte: ſo muͤßte ich wohl der unem-
pfindlichſte Menſch von der Welt ſeyn, wenn ich nicht entwe-
der im Luſtigen oder im Traurigen ausſchweifen ſollte. Mein
kuͤnftiger Eheherr ſagte ſie, ohne zu wiſſen, daß ich in der
Hoffnung es einmal zu werden, ihr meine Aufwartung machte,
wird an mir einen koſtbaren Schatz finden, und hoffentlich
zufrieden ſeyn, wenn ich ihm fuͤr ſeine Gefaͤlligkeit alle Tage
einmal ein freundliches Geſicht mache. Wie gluͤcklich biſt du,
ſagte ich zu mir ſelbſt, daß du auf dieſes freundliche Geſicht
noch nichts geborget haſt; und wie ſehr bedaure ich den Mann,
der einmal deinen Artiſchockenkopf (ſie war a l’artichaut
friſirt) zu behandeln haben wird ..... Was meynen Sie
aber, liebſter Freund! wie hoch ſich der Brautſchatz belief,
wofuͤr dieſe Eheſtandslaſt getragen werden ſollte? Auf
10000. ſchreibe zehntauſend Thaler. Damit haͤtte ich vielleicht
nicht einmal die Uhren mit dem zu jeder gehoͤrigen Hals-Kopf-
und Ohrenſchmuck bezahlen koͤnnen; und was waͤre mir
denn fuͤrs Flicken geblieben?

Eine andre, die ich mir vorher ausgeſehen hatte, war zwar
in Anſehung des Schmucks etwas billiger, und haͤtte ſich viel-
leicht mit einem mittelmaͤßigen von Brillanten befriediget.
Allein ihre Schweſter, die eben heyrathete nahm der ent-
behrlichen Koſtbarkeiten ſo viel; und ihre Eltern ſahen mit
einem ſo gefaͤlligen Laͤcheln auf dasjenige herab, was der kuͤnftige
Herr Schwiegerſohn mit ſeinem halben Ruin angeſchaffet hatte,

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[89/0107] Schreiben eines angehenden Hageſtolzen. Denken Sie nicht, daß ich zu ſehr ins traurige oder ins ernſthafte verfalle. Es iſt dieſes ſonſt, wie Sie wiſſen, mein Fehler nicht. Allein, nachdem die letzte, worauf ich ein Auge geworfen hatte, unter einer Menge von andern Geſchenken, außer den Uhren zum Neglige noch drey Staatsuhren von mir erwartete, wovon eine jede mit Diamanten nach der Farbe ihrer Kleider beſetzet ſeyn ſollte: ſo muͤßte ich wohl der unem- pfindlichſte Menſch von der Welt ſeyn, wenn ich nicht entwe- der im Luſtigen oder im Traurigen ausſchweifen ſollte. Mein kuͤnftiger Eheherr ſagte ſie, ohne zu wiſſen, daß ich in der Hoffnung es einmal zu werden, ihr meine Aufwartung machte, wird an mir einen koſtbaren Schatz finden, und hoffentlich zufrieden ſeyn, wenn ich ihm fuͤr ſeine Gefaͤlligkeit alle Tage einmal ein freundliches Geſicht mache. Wie gluͤcklich biſt du, ſagte ich zu mir ſelbſt, daß du auf dieſes freundliche Geſicht noch nichts geborget haſt; und wie ſehr bedaure ich den Mann, der einmal deinen Artiſchockenkopf (ſie war a l’artichaut friſirt) zu behandeln haben wird ..... Was meynen Sie aber, liebſter Freund! wie hoch ſich der Brautſchatz belief, wofuͤr dieſe Eheſtandslaſt getragen werden ſollte? Auf 10000. ſchreibe zehntauſend Thaler. Damit haͤtte ich vielleicht nicht einmal die Uhren mit dem zu jeder gehoͤrigen Hals-Kopf- und Ohrenſchmuck bezahlen koͤnnen; und was waͤre mir denn fuͤrs Flicken geblieben? Eine andre, die ich mir vorher ausgeſehen hatte, war zwar in Anſehung des Schmucks etwas billiger, und haͤtte ſich viel- leicht mit einem mittelmaͤßigen von Brillanten befriediget. Allein ihre Schweſter, die eben heyrathete nahm der ent- behrlichen Koſtbarkeiten ſo viel; und ihre Eltern ſahen mit einem ſo gefaͤlligen Laͤcheln auf dasjenige herab, was der kuͤnftige Herr Schwiegerſohn mit ſeinem halben Ruin angeſchaffet hatte, daß F 5

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/107>, abgerufen am 28.03.2024.