Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite

Schreiben eines angehenden Hagestolzen.
dermassen bekannt und so daran gewöhnt, daß sie nach dem
ordentlichen Laufe der menschlichen Handlungen gar nicht da-
von zurückkommen kann; und was wird zuletzt daraus? ......
Sie mögen es rathen. Unter den vielen unglücklichen Per-
sonen in den Hauptstädten sind nur wenig ihrer Neigung,
die mehrsten aber der Eitelkeit zum Opfer geworden, die ih-
nen eine thörichte Mutter auf das sorgfältigste eingepräget
hatte. Anstatt ihre Kinder herunter zu halten, sie bey an-
dern in Dienste zu geben oder sie zu häuslicher Arbeit zu ge-
wöhnen, müssen sie immer in dem Strudel der Moden
schwimmen, und zuletzt auch darinn versinken.

Haben die Eltern vollends ein paar tausend Thaler mitzu-
geben: so wird das Köpfgen der künftigen Markisin so hoch
frisirt, und das Näsgen so zugespitzt, daß es keiner als ein
eben so albernes Närrgen wagt, ihr Herz durch seinen Krep
zu rühren; und mit ihr ein prächtiges Elend zu bauen; oder sie
wird grau in schmeichelnden Erwartungen, und bietet sich
zuletzt so wohlseil aus, daß sie niemand verlangt.

Doch Sie verlangen und brauchen nichts weiter zu wissen,
um meinen Entschlnß vollkommen zu billigen. Hätten Sie
eine Tochter, und Sie wollten mich durch ihre Hand glück-
lich machen: so würden Sie sehen, daß ich aller Empfindun-
gen fähig, und blos ein Hagestolz aus Verzweiflung bin.
Beklagen können Sie mich, und ich glaube es zu verdienen;
aber verdammen müssen Sie mich nicht.



XVII.

Schreiben eines angehenden Hageſtolzen.
dermaſſen bekannt und ſo daran gewoͤhnt, daß ſie nach dem
ordentlichen Laufe der menſchlichen Handlungen gar nicht da-
von zuruͤckkommen kann; und was wird zuletzt daraus? ......
Sie moͤgen es rathen. Unter den vielen ungluͤcklichen Per-
ſonen in den Hauptſtaͤdten ſind nur wenig ihrer Neigung,
die mehrſten aber der Eitelkeit zum Opfer geworden, die ih-
nen eine thoͤrichte Mutter auf das ſorgfaͤltigſte eingepraͤget
hatte. Anſtatt ihre Kinder herunter zu halten, ſie bey an-
dern in Dienſte zu geben oder ſie zu haͤuslicher Arbeit zu ge-
woͤhnen, muͤſſen ſie immer in dem Strudel der Moden
ſchwimmen, und zuletzt auch darinn verſinken.

Haben die Eltern vollends ein paar tauſend Thaler mitzu-
geben: ſo wird das Koͤpfgen der kuͤnftigen Markiſin ſo hoch
friſirt, und das Naͤsgen ſo zugeſpitzt, daß es keiner als ein
eben ſo albernes Naͤrrgen wagt, ihr Herz durch ſeinen Krep
zu ruͤhren; und mit ihr ein praͤchtiges Elend zu bauen; oder ſie
wird grau in ſchmeichelnden Erwartungen, und bietet ſich
zuletzt ſo wohlſeil aus, daß ſie niemand verlangt.

Doch Sie verlangen und brauchen nichts weiter zu wiſſen,
um meinen Entſchlnß vollkommen zu billigen. Haͤtten Sie
eine Tochter, und Sie wollten mich durch ihre Hand gluͤck-
lich machen: ſo wuͤrden Sie ſehen, daß ich aller Empfindun-
gen faͤhig, und blos ein Hageſtolz aus Verzweiflung bin.
Beklagen koͤnnen Sie mich, und ich glaube es zu verdienen;
aber verdammen muͤſſen Sie mich nicht.



XVII.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0110" n="92"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Schreiben eines angehenden Hage&#x017F;tolzen.</hi></fw><lb/>
derma&#x017F;&#x017F;en bekannt und &#x017F;o daran gewo&#x0364;hnt, daß &#x017F;ie nach dem<lb/>
ordentlichen Laufe der men&#x017F;chlichen Handlungen gar nicht da-<lb/>
von zuru&#x0364;ckkommen kann; und was wird zuletzt daraus? ......<lb/>
Sie mo&#x0364;gen es rathen. Unter den vielen unglu&#x0364;cklichen Per-<lb/>
&#x017F;onen in den Haupt&#x017F;ta&#x0364;dten &#x017F;ind nur wenig ihrer Neigung,<lb/>
die mehr&#x017F;ten aber der Eitelkeit zum Opfer geworden, die ih-<lb/>
nen eine tho&#x0364;richte Mutter auf das &#x017F;orgfa&#x0364;ltig&#x017F;te eingepra&#x0364;get<lb/>
hatte. An&#x017F;tatt ihre Kinder herunter zu halten, &#x017F;ie bey an-<lb/>
dern in Dien&#x017F;te zu geben oder &#x017F;ie zu ha&#x0364;uslicher Arbeit zu ge-<lb/>
wo&#x0364;hnen, mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie immer in dem Strudel der Moden<lb/>
&#x017F;chwimmen, und zuletzt auch darinn ver&#x017F;inken.</p><lb/>
        <p>Haben die Eltern vollends ein paar tau&#x017F;end Thaler mitzu-<lb/>
geben: &#x017F;o wird das Ko&#x0364;pfgen der ku&#x0364;nftigen Marki&#x017F;in &#x017F;o hoch<lb/>
fri&#x017F;irt, und das Na&#x0364;sgen &#x017F;o zuge&#x017F;pitzt, daß es keiner als ein<lb/>
eben &#x017F;o albernes Na&#x0364;rrgen wagt, ihr Herz durch &#x017F;einen Krep<lb/>
zu ru&#x0364;hren; und mit ihr ein pra&#x0364;chtiges Elend zu bauen; oder &#x017F;ie<lb/>
wird grau in &#x017F;chmeichelnden Erwartungen, und bietet &#x017F;ich<lb/>
zuletzt &#x017F;o wohl&#x017F;eil aus, daß &#x017F;ie niemand verlangt.</p><lb/>
        <p>Doch Sie verlangen und brauchen nichts weiter zu wi&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
um meinen Ent&#x017F;chlnß vollkommen zu billigen. Ha&#x0364;tten Sie<lb/>
eine Tochter, und Sie wollten mich durch ihre Hand glu&#x0364;ck-<lb/>
lich machen: &#x017F;o wu&#x0364;rden Sie &#x017F;ehen, daß ich aller Empfindun-<lb/>
gen fa&#x0364;hig, und blos ein Hage&#x017F;tolz aus Verzweiflung bin.<lb/>
Beklagen ko&#x0364;nnen Sie mich, und ich glaube es zu verdienen;<lb/>
aber verdammen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en Sie mich nicht.</p>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#aq">XVII.</hi> </fw><lb/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[92/0110] Schreiben eines angehenden Hageſtolzen. dermaſſen bekannt und ſo daran gewoͤhnt, daß ſie nach dem ordentlichen Laufe der menſchlichen Handlungen gar nicht da- von zuruͤckkommen kann; und was wird zuletzt daraus? ...... Sie moͤgen es rathen. Unter den vielen ungluͤcklichen Per- ſonen in den Hauptſtaͤdten ſind nur wenig ihrer Neigung, die mehrſten aber der Eitelkeit zum Opfer geworden, die ih- nen eine thoͤrichte Mutter auf das ſorgfaͤltigſte eingepraͤget hatte. Anſtatt ihre Kinder herunter zu halten, ſie bey an- dern in Dienſte zu geben oder ſie zu haͤuslicher Arbeit zu ge- woͤhnen, muͤſſen ſie immer in dem Strudel der Moden ſchwimmen, und zuletzt auch darinn verſinken. Haben die Eltern vollends ein paar tauſend Thaler mitzu- geben: ſo wird das Koͤpfgen der kuͤnftigen Markiſin ſo hoch friſirt, und das Naͤsgen ſo zugeſpitzt, daß es keiner als ein eben ſo albernes Naͤrrgen wagt, ihr Herz durch ſeinen Krep zu ruͤhren; und mit ihr ein praͤchtiges Elend zu bauen; oder ſie wird grau in ſchmeichelnden Erwartungen, und bietet ſich zuletzt ſo wohlſeil aus, daß ſie niemand verlangt. Doch Sie verlangen und brauchen nichts weiter zu wiſſen, um meinen Entſchlnß vollkommen zu billigen. Haͤtten Sie eine Tochter, und Sie wollten mich durch ihre Hand gluͤck- lich machen: ſo wuͤrden Sie ſehen, daß ich aller Empfindun- gen faͤhig, und blos ein Hageſtolz aus Verzweiflung bin. Beklagen koͤnnen Sie mich, und ich glaube es zu verdienen; aber verdammen muͤſſen Sie mich nicht. XVII.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/110
Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/110>, abgerufen am 25.04.2024.